Heiligenkalender
20. Dezember
Der heilige Philogonius Bischof von Antiochia
Zur Zeit Konstantin des Großen lebte zu Antiochia der berühmte heilige Philogonius. Er widmete sich dem Studium der Rechte und übte dann das Amt eines Advokaten, aber auf solche Weise, daß er allen, die dasselbe Amt ausüben, als ein Vorbild vor Augen gestellt zu werden verdiente. Nie ging er sozusagen blind darein, wenn er einen Rechtshandel annahm, sondern untersuchte die Sache gründlich, ehe er sich damit befaßte. Er handelte aufrichtig mit denen, die seine Hilfe verlangten, und ließ sich niemals in einen Prozeß ein, der ihm ungerecht schien. Den Armen stand er unentgeltlich bei; er beschützte mit Mund und Feder die Witwen und Waisen wider die Gewalt der Mächtigen, und versagte keinem seine Hilfe, auch da, wo er wenig oder gar nichts zur Bezahlung zu erwarten hatte. Die Liebe gegen den Nächsten war bei ihm ein größerer Antrieb zur Arbeit, als das Verlangen nach dem Zeitlichen. Wie hoch er deswegen, noch mehr aber wegen seines heiligen Lebenswandels, wie der heilige Chrysostomus sagt, von allen Einwohnern der Stadt geschätzt wurde, zeigte sich besonders, als man nach dem Absterben des Bischofs in Antiochia im Jahre 318 einen würdigen Nachfolger desselben zu erwählen suchte. Das Volk wollte keinen anderen zu seinem Hirten und Beschützer haben, als den, der bisher mit so beharrlicher Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit ihm in seinen zeitlichen Angelegenheiten beigestanden hatte. Man sah die Stimme des Volkes als die Stimme Gottes selbst an. Philogonius wurde daher zum Bischof der Stadt Antiochia erwählt und geweiht.
Wie lobenswürdig er aber sein bischöfliches Amt versah, läßt sich mit wenigem nicht erklären. Der heilige Johannes Chrysostomus, der an dem Fest unseres heiligen Philogonius eine sein Leben zur Nachfolge empfehlende Predigt gehalten hat, bekennt selbst, daß man die Früchte seines großen Seeleneifers nach seinem Tode an dem tugendhaften Lebenswandel der Bewohner seines Bistums noch lange gesehen habe. Unter seinen Tugenden rühmt der heilige Chrysostomus nebst seinem Seeleneifer besonders auch die Tugend der Keuschheit. Licinius verfolgte damals die Christen auf alle erdenkliche Weise, und Philogonius beschützte dieselben nach allen Kräften. Er munterte sie zur Standhaftigkeit auf und lehrte sie, wie sie weder wegen des Verlustes ihrer zeitlichen Güter, noch wegen anderer Drangsale, die sie um des wahren Glaubens willen zu leiden hätten, von Christus abweichen sollten, indem sie sonst der himmlischen Güter auf ewig verlustig würden und nichts als die unaufhörlichen Peinen der Hölle zu erwarten hätten. Durch öftere Vorstellung sowohl der ewigen Güter des Himmels als der unaufhörlichen Peinen der Hölle bestärkte er seine Untergebenen dergestalt in dem wahren Glauben, daß sie sich breitwillig entschlossen, eher die äußerste Armut und alle Peinen, ja den Tod selbst auszustehen, als den wahren Glauben zu verlassen. Wenn es sich dennoch ereignete, daß jemand während der Marter oder aus Furcht vor derselben von dem Glauben, obwohl nun äußerlich und dem Scheine nach abwich, so schmerzte es den heiligen Mann über alles; er ereiferte sich aber deswegen wider ihn nicht, verachtete ihn nicht wegen seiner Zaghaftigkeit, verwies ihm mit keinem rauhen Worte die begangene Torheit, sondern zeigte ein herzliches Mitleid, stellte ihm mit väterlicher Liebe die Größe der Sünde vor Augen, ermahnte ihn zur Reue und zur schuldigen Genugtuung und munterte ihn auf, künftig eifriger und standhafter zu sein. Sah er nun dessen Besserung, so erfreute er sich von Herzen darüber und begegnete ihm mit möglichster Liebe und Freundlichkeit, ohne ihm jemals den vorhin begangenen Fehler vorzuwerfen oder auch nur davon Meldung zu tun. Wenn ein Sünder sich aber nach dem Falle nicht bekehrte und länger in diesem Zustande verharrte, hielt er dies für sehr gefährlich.
Nachdem die Verfolgung des Licinius ein Ende genommen hatte, fing der gottlose Arius an, seine ketzerische Lehre allenthalben auszustreuen. Kein Hirt kann so große Sorgfalt anwenden, um seine Schäflein vor dem Anfall der reißenden Wölfe zu bewahren, als der heilige Philogonius anwendete, seine Untergebenen in der wahren Lehre Jesu Christi zu erhalten und den Irrlehrer Arius von ihnen zu entfernen. Arius selbst bekannte, daß Philogonius sein vorzüglichster Widersacher gewesen sei und sich ihm auf das kräftigste und eifrigste widersetzt habe. Der heilige Bischof entdeckte die Bosheit der neu ausgestreuten ketzerischen Lehre und widerlegte dieselbe sowohl in öffentlichen Predigten, als Privatgesprächen zum größten Nutzen seiner Gläubigen. Zudem suchte er auch alle eingerissenen Missbräuche abzuschaffen und allen einen nicht minderen Haß der Sünde, als große Liebe zur Tugend einzupflanzen. Dahin zielten alle seine Ermahnungen, und diese machten auf die Antiochener um so größeren Eindruck, als er dieselben mit seinem Tugend-Beispiel unterstützte. Seine Lebensweise war ein heiliges Vorbild, und auch seine Feinde konnten nichts finden, was an ihm zu tadeln gewesen wäre. Dem Gebet und der Betrachtung widmete er einen großen Teil des Tages und dazu nahm er seine Zuflucht in allen Beschwernissen. Seinen Leib tötete er ab durch große Mäßigkeit im Essen, Trinken und Schlafen. Tag und Nacht betete er für seine Schäflein. Der heilige Chrysostomus verglich die Gemeinde von Antiochia mit einem wohl versehenen, von Disteln und Dornen gereinigten, äußerst fruchtbaren Weinberg und predigte öffentlich, daß man daraus die unermüdliche Sorgfalt desjenigen erkennen sollte, der demselben vorstand. Gott wollte endlich seinem so wachsamen und getreuen Diener die verheißene Belohnung erteilen. Eine kleine Unpäßlichkeit bereitete ihm dazu den Weg. Die Betrachtung dessen, was er Zeit seines Lebens seinem Amt gemäß zu Ehre Gottes und zum Heil der Seelen gewirkt hatte, brachte ihm in der letzten Stunde großes Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes. Er starb mit dem Trost der heiligen Sakramente im Jahre 323. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 1017 – S. 1018