Heiligenkalender
2. Juli
Der heilige Otto Bischof von Bamberg
Unter den hervorragenden Bischöfen der katholischen Kirche, unter den gefeierten Wohltätern des deutschen Volkes und unter den großen Missionaren des göttlichen Evangeliums hat die Geschichte dem hl. Otto einen Ehrenplatz zuerkannt. Aus dem Geschlecht der Grafen von Albeck in Schwaben abstammend, zeigte der bildschöne, gemütsreiche Knabe herrliche Anlagen für die höheren Wissenschaften. Der frühe Tod seiner Eltern, die spärliche Unterstützung seines Bruders Friedrich und das edle Zartgefühl, Niemanden lästig zu fallen, veranlaßten den jungen Studenten Otto, nach Polen zu gehen, um als Hauslehrer sich das nötige Geld zum Fortstudieren zu verdienen. Die Reinheit seiner Sitten, die Frömmigkeit seines Herzens und der Adel seines Benehmens bahnten ihm den Weg in die vornehmsten Familien. Der Polenherzog Wladislaw schätzte ihn sehr hoch; die Herzogin Judith, eine deutsche Prinzessin, wählte ihn, da er unterdessen Priester geworden, zu ihrem Hofkaplan und lernte seine Weisheit und Treue kennen in Aufträgen, mit denen sie ihn öfters nach Deutschland schickte. Nach ihrem Tode, als die Wiedervermählung des Herzogs beraten wurde, lenkte Otto die Wahl auf Sophie, die Schwester des Kaisers Heinrich IV., um dadurch Polen mit dem deutschen Reich zu befreunden. Dieser Vorschlag gefiel wohl, und Otto wurde als Brautwerber an den kaiserlichen Hof gesandt. Er entledigte sich dieses wichtigen Auftrages mit seltenem Geschick und zu allseitiger Zufriedenheit.
Die neue Herzogin, des Kaisers Schwester, wendete ihm dankbar ihre hohe Gunst zu und wählte ihn zu ihrem Gewissensrat und Botschafter an den Bruder. So lernte auch Heinrich IV. Otto`s Klugheit und Zuverlässigkeit näher kennen und nahm ihn nach dem baldigen Tode der Schwester an seinen Hof.
Die Geschichte anerkennt es dankbar, daß Otto einen sehr guten Einfluß auf den sittlich so schwachen Kaiser ausgeübt, Morgens und Abends mit ihm gebetet und ihm ein eigenes Brevier auf das ganze Jahr verfaßt, daß seine lautere Frömmigkeit reinigend auf das verdorbene Hofleben eingewirkt habe und in seiner Gegenwart jede ungeziemende Rede verstummt sei. Und doch war er, was wie ein Wunder erscheint, von Allen hoch geschätzt und von Herzen geliebt. Als kaiserlicher Schatzmeister beförderte Otto den Ausbau des Domes zu Speyer und bewährte dabei seinen hohen Kunstsinn, wie seine unverbrüchliche Treue gegenüber den Betrügereien der früheren Baumeister. Dafür übertrug ihm der Kaiser das so wichtige Amt eines Reichskanzlers.
Inzwischen starb der Bischof Rupert von Bamberg. Als eine vornehme Gesandtschaft von dort den Kaiser um einen Nachfolger bat, sprach er: „Wir haben für euch einen Bischof bestimmt, der durch treue, Sittlichkeit, Weisheit und Religiosität Alle übertrifft, obschon viele hochadelige Männer Uns für euer Bistum große Summen angeboten!“ Dann stellte er den Kanzler Otto ihnen vor mit den Worten: „Seht, dieser ist euer Herr, der neue Bischof von Bamberg.“ Die Gesandten schwiegen unzufrieden, schauten den Otto etwas befremdend an, und Graf Berengar wagte die Einwendung. „Wir hofften, du werdest uns einen Bischof aus unsern fürstlichen Geschlechtern geben, den wir kennen; von diesem da wissen wir nicht, wer und woher er ist.“ Tief verletzt sprach Heinrich: „Ihr wollt wissen, wer und woher dieser da ist? Wohlan denn: Ich bin sein Vater und die Kirche von Bamberg wird seine Mutter sein: sein Abgang ist ein schwerer Verlust für mein Haus, und für euere Kirche wird er eine kostbare Zierde sein. Wer er ist und wie in ihm alle Anmut überfließt, werdet ihr selbst noch besser erfahren.“
Otto über diese Wahl bestürzt, fing an zu weinen und flehte auf den Knien: „Kaiser, ich bin dieses Amtes unwürdig und unfähig; du handelst nur gerecht, wenn du dem Wunsch dieser Gesandtschaft willfahrst.“ „Seht doch“, rief der Kaiser, „wie groß der Ehrgeiz dieses Mannes ist! Schon zwei Bistümer, die ich ihm geben wollte, hat er ausgeschlagen, und auch zum dritten Male lehnt er die bischöfliche Würde ab. Was nun? Mir scheint, Gott hat ihn für Bamberg aufbewahrt“; und bei diesen Worten gab er dem Otto Ring und Stab. Diese Szene versöhnte nun die Gesandten vollständig; eilig hoben sie den noch Knienden auf und huldigten ihm als ihrem Bischof und HerrnOtto wagte nicht weiteren Widerstand, machte aber im kaiserlichen Saal noch das Gelübde, nur aus den Händen des Papstes das Bistum anzunehmen. Indessen wurde er doch in fürstlichem Gepränge nach Bamberg begleitet. Vor dem Stadttor angelangt, wollte er nicht als Fürst, sondern als Bischof einziehen, stieg vom Pferd, und ging barfuß im Schnee durch die Volksmenge, die ihn rührender Ehrfurcht begrüßte. So schnell als möglich eilte Otto nach Rom, um sein Gelübde zu erfüllen. Papst Paschalis II. hoch erfreut über Otto`s Ehrfurcht gegen die heilige Kirche, weihte ihn selbst zum Bischof, gab ihm das Pallium und ehrte ihn mit großer Auszeichnung. Nach Bamberg zurück gekehrt widmete er sein Herz, seine Kraft und seine Zeit ganz der Hirtensorge: er bereiste die große Diözese, predigte dem Volk, unterrichtete die Kinder, beseitigte Ärgernisse, verschönerte den Gottesdienst, stiftete über zwanzig neue Klöster und verbesserte die schon bestehenden. Denn er betrachtete und ehrte die Klöster als die Herbergen, in und durch welche Jesus, der barmherzige Samaritan, die ausgeplünderte und verwundete Menschheit an Geist und Herz zu heilen, durch Wissenschaft und Tugend veredeln und auf der Weiterreise in die Ewigkeit unterstützen will. Außerdem fand seine Liebe noch ausgiebige Mittel, um durch den Bau von Brücken, Straßen, Wasserleitungen den Wohlstand des Volkes zu heben. Nur gegen einen einzigen Menschen war er karg und streng – gegen sich selbst. Seine Kleidung war zwar reinlich, aber einfach und oft geflickt; vom Tisch stand er mehr hungrig als gesättigt auf. Als ihm der Diener einmal einen Fisch aufstellte und sagte: „Lassen Sie sich`s schmecken, denn jetzt sind die Fische teuer“, fragte er, wie viel dieser Hecht gekostet habe. „Zwei Gulden“, war die Antwort. Erschrocken befahl der Heilige: „Sogleich bringe ihn meinem Herrn und Erlöser; es sei ferne, daß der elende Otte so köstlich speise, ich bin gesund und kann mit einem Stück Brot mich erquicken.“ Und der Diener brachte den Fisch einem armen Kranken.
Schon seit langem sehnte sich Otto, das bischöfliche Amt nieder zu legen und Benediktiner zu werden; er bat den Abt von Michaelsberg um das heilige Ordenskleid. Der kluge Abt gewährte die Bitte, nahm ihm die Gelübde ab und befahl ihm unter dem Gehorsam, daß er Bischof von Bamberg bleibe. Otto erwiderte: „Im Namen desjenigen, der für uns gehorsam geworden ist bis in den Tod, will ich gehorchen.“
Das ehrenvolle Andenken, welches Otto in der herzoglichen Familie in Polen zurück gelassen, bewog den frommen Boleslau III., den Bischof von Bamberg dringendst zu bitten, daß er die schwierige Arbeit übernehme, die noch heidnischen zu Polen gehörenden Pommern, ein rohes, auf seinen Reichtum stolzes Volk, zum christlichen Glauben zu bekehren. Voll Sehnsucht, für Christus Blut und Leben zu opfern, bat Otto den Papst Kalixt II. um die Erlaubnis und den apostolischen Segen und machte sich reisefertig. Weil die Pommern bisher alle Missionare, welche in evangelischer Armut zu ihnen gekommen, fort gejagt hatten mit der höhnischen Erklärung: „Wenn euer Gott, den ihr für den wahren anpreist, der Herr Himmels und der Erde wäre, so würde Er gewiß euch nicht als Bettler zu uns schicken“, so erschien Otto vor ihnen mit großem, pomphaftem Gefolge, erklärte in majestätischem Aufzug dem staunenden Volk den hohen Zweck seiner weiten Reise und fand Geneigtheit ihn anzuhören. Nun begann er die Verkündigung des Evangeliums, und nach wenigen Wochen empfingen schon 27000 Unterrichtete die heilige Taufe, und zahlreiche Kirchen traten an die Stelle der Götzentempel.
Inmitten dieser reichlichen Ernte musste Otto nach Bamberg reisen, um wichtige Angelegenheiten seiner Diözese zu ordnen. Seine Abreise benützten sogleich die heimlich grollenden Götzenpriester, sammelten einen Anhang und vermochten an mehreren Orten den Götzendienst wieder einzuführen. Diese Gefahr beschleunigte Otto`s Rückkehr. Mit unbeschreiblichen Anstrengungen, Lebensgefahren und Leiden gelang es seiner Weisheit und Ausdauer, das Verlorne wieder zu erobern, den christlichen Gemeinden eine feste Ordnung zu geben und die Erhaltung derselben unter die Obsorge des Erzbischofs von Gnesen zu stellen. Eine Gesandtschaft des Kaisers Lothar rief ihn dringendst nach Deutschland. Gebeugt zwar von der Last des Greisenalters und der Anstrengung seiner Mission, aber noch frischen Geistes weihte er den letzten Rest seiner Kräfte und Jahre ganz dem Wohle seiner Diözese, den Klöstern, den Wohltätigkeits-Anstalten und den Armen, bis eine schmerzliche Krankheit sein teures Leben am 30. Juni 1139 endigte.
Die Kunde von seinem Tode wurde mit unsäglichem Schmerz aufgenommen. „Es weinte“, sagt Herbard, „die ganze Stadt, es weinten die Jünglinge und Jungfrauen, es weinten alle Stände, die Priester, die Adeligen, die Reichen, die Armen, es weinte das Landvolk, es weinten Alle aus Verehrung und Liebe, die der hingeschiedene Oberhirt in den Herzen Aller für sich entzündet hatte.“ Große Wunder zierten sein Grab auf dem ihm so teuren Michaelsberg, weshalb ihn Klemens III. schon im Jahre 1189 den Heiligen beizählte. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 500 – S. 503