Heiligenkalender
13. September
Der heilige Maurilius Bischof an Angers
Des heiligen Maurilius Geburtsstadt war Mailand, und sein Lehrer der heilige Martin, der daselbst ein Kloster erbaut hatte und darin sich aufhielt. Als dieser Heilige durch die Arianer daselbst vertrieben worden war und dann den bischöflichen Stuhl zu Tours bestiegen hatte, kam auch Maurilius dahin und wurde, nachdem er sich die hierzu erforderliche wissenschaftliche Bildung erworben, von dem heiligen Martin zum Priester geweiht. Bald danach begab er sich in die damals noch von vielen Heiden bewohnte Stadt Angers, um den wahren Glauben daselbst zu predigen. Auf dem Wege traf er neben dem Fluss einen Götzentempel an. Er bedauerte das blinde Volk und rief zu Gott um die Gnade, diesen Tempel zu zerstören; und siehe, welches Wunder! Feuer fällt vom Himmel, stürzt den Tempel zu Boden und verbrennt alle Götzenbilder. Maurilius reinigte den Platz, baute auf demselben mit Beihilfe eifriger Christen eine Kirche samt einem Kloster, besetzte es mit frommen Religiösen und stand demselben zwölf Jahre lang als Oberer vor. Während der Zeit bekehrte er eine Menge von Heiden sowohl in als außer der Stadt, wobei ihm die vielen Wunder, die er an Besessenen, Blinden und anderen Kranken wirkte, mächtig unterstützten.
Inzwischen starb der Bischof Prosper der Stadt Angers. Der heilige Martin kam dahin, einen Nachfolger zu erwählen, und nahm auf der Reise den Maurilius mit sich. Der ganze Klerus war mit dem Volk versammelt und wollte zur Wahl schreiten. Da sah man eine schneeweiße Taube lang in der Kirche herumfliegen und sich endlich auf die Schulter des heiligen Maurilius niederlassen. Alle sahen diese Begebenheit als ein Zeichen an, daß Gott diesen heiligen Mann zum Bischof erwählt haben wolle. Maurilius wurde einstimmig zum Bischof gegen seinen Willen erwählt und von dem heiligen Martin geweiht. In der bischöflichen Würde leuchteten seine Tugenden noch herrlicher hervor als im Kloster. Sein Fasten war von besonderer Strenge, indem er innerhalb drei Tagen nichts zu sich nahm, als Brot und ein wenig Salz. Niemals kostete er Wein. Zur Fastenzeit brachte er die meiste Zeit in seiner Wohnung zu und dabei sagte er: „Die Fastenzeit ist eine Zeit der Einsamkeit, in welcher man das Leiden und Sterben Christi betrachten soll.“ In der Unterweisung der Untergebenen und der Bekehrung der Ungläubigen war er unermüdlich.
Einst, da er schon am Altare stand und das heilige Messopfer verrichtete, kam ein Weib und ersuchte ihn, zu ihrem kranken Sohn zu kommen und ihm die heilige Wegzehrung (die hl. Sterbesakramente) zu erteilen. Maurilius glaubte, die Gefahr würde nicht so groß sein und setzte das heilige Opfer fort. Ehe er es vollendet hatte, starb der Knabe, und der hl. Bischof kam zu spät. Hierüber betrübte sich der heilige Bischof sehr, und als wenn er sich schwer versündigt hätte, verurteilte er sich selbst zu einer sehr harten Buße. Er entwich heimlich aus der Stadt, eilte über Berg und Tal , bis er Gelegenheit fand, sich auf ein Schiff zu setzen und nach England zu fahren. Während der Schifffahrt fielen ihm die Sakristei-Schlüssel, welche er mit sich genommen hatte, in das Meer. Da beteuerte er feierlich, nicht früher in sein Bistum zurückzukehren, bis er seine Schlüssel wieder bekommen hätte. Er aber glaubte, niemals würde er sie wieder sehen. Endlich langte er in England an, gab sich nicht zu erkennen, sondern verdingte sich einem adeligen Herrn als Gärtner. Seine Absicht war, durch die schwere Arbeit, welche ein Gärtner zu verrichten hat, seine begangenen Sünden abzubüßen.
Die Einwohner der Stadt Angers waren indessen höchst bestürzt wegen der Flucht ihres hoch verehrten Bischofs. Sie schickten deswegen verschiedene Männer aus, ihn aufzusuchen. Sieben ganze Jahre verflossen, ehe sie ihn fanden, und dies geschah endlich durch göttliche Offenbarung. Der Engel leitete sie also, daß sie ihren heiligen Bischof in demselben Hause, wo er sich aufhielt, und zu der Zeit, als er Salat aus dem Garten trug, antrafen. Sie erkannten ihn sogleich, fielen ihm zu Füßen und baten ihn mit weinenden Augen, er möge wieder in sein Bistum zurückkehren und das Heil der ihm anvertrauten Schäflein besorgen. Der heilige Maurilius, welcher glaubte, daß schon längst ein anderer Bischof erwählt worden wäre, konnte zwar seine Person nicht verleugnen; doch suchte er die Abgeordneten, bei deren Anblick er anfangs erschrak, durch allerlei Vorwände abzuweisen und sagte zuletzt: seine Rückkehr könnte nicht geschehen, weil er die mitgenommenen Schlüssel hätte ins Meer fallen lassen und dabei gelobt, nicht früher zu seinem Bistum zurückzukehren, bevor er jene Schlüssel wieder bekommen hätte. „Ist es um das allein zu tun“, sprachen die Abgeordneten, „so ist kein Hindernis mehr; denn auf unserer Schifffahrt haben wir einen Fisch gefangen, in dessen Bauch wir die Schlüssel fanden.“ Hierauf zeigten sie ihm dieselben und baten ihn, dies als ein klares Zeichen anzusehen, daß Gott seine Rückkehr verlange. Maurilius hatte nun nichts mehr einzuwenden, nahm von dem Herrn, bei dem gedient hatte, Abschied und kehrte wieder in sein Bistum zurück.
Unbeschreiblich groß war die Freude, welche die Einwohner des ganzen Bistums bezeigten, da sie ihren heiligen Bischof wieder sahen. Dieser aber ging zuerst an den Ort, wo jener Knabe vor sieben Jahren begraben worden war, verrichtete da mit großem Vertrauen sein Gebet und erweckte ihn wieder zum Leben. So berichtet der heilige Gregor von Tours. Alle Anwesenden erstaunten und erkannten nun erst, was für einen heiligen Bischof Gott ihnen gegeben hat. Maurilius gab dem auferweckten Knaben den Namen Renatus, welches so viel heißt als ein Wiedergeborener, und unterrichtete denselben so eifrig in der Tugend und in den nötigen Kenntnissen, daß er in der Folge zum Nachfolger seines heiligen Lehrmeisters erwählt wurde. Die noch übrige Zeit seines Lebens brachte der Bischof in seiner gewöhnlichen strengen Lebensweise und in seinem apostolischen Eifer für das Heil der Seelen zu.
Als er dreißig Jahre sein Bistum regiert und das neunzigste Lebensjahr erreicht hatte, fühlte er das Ende seines Lebens. Er ließ sich sein Grab bereiten und starb nach kurzer Krankheit um das Jahr 437. Merkwürdig sind die Worte, welche der Heilige kurz vor seinem Hinscheiden zu den Umstehenden gesprochen: „Betrachtet wohl, daß eure Seelen um einen großen Preis, nämlich mit dem kostbaren Blut Jesu Christi erkauft sind.“ –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 728 – S. 730