Heiligenkalender
17. April
Der heilige Anicet Papst und Märtyrer
Der heilige Papst Anicet kam in Syrien um das Ende des ersten Jahrhunderts zur Welt. Von seinen Eltern wurde er sehr gottesfürchtig erzogen. Gott hatte ihn mit vortrefflichen Gaben der Natur, besonders mit einem durchdringenden Verstand beschenkt. Durch seinen unermüdlichen Fleiß machte er einen solchen Fortgang in den Wissenschaften, daß man ihn unter die Gelehrtesten seiner Zeit zählte. Sein Lebenswandel diente allen als ein Vorbild der christlichen Vollkommenheit. Vor allen andern Tugenden leuchtete aus ihm ein wahrhaft apostolischer Eifer in der Beschützung und Ausbreitung des wahren Glaubens hervor. Daher wurde Anicet 167 nach dem Martertod des hl. Papstes Pius I. Einstimmig unter allgemeinem Frohlocken zum Nachfolger desselben erwählt. Und in Wahrheit, die Kirche Christi bedurfte damals eines so gelehrten, eifrigen und heiligen Papstes, weil sie von verschiedenen Irrlehrern auf allerlei Art angefeindet und bestürmt wurde. Der Irrlehrer Valentinus hatte in Rom selbst angefangen, sein ketzerisches Gift auszustreuen. Dasselbe tat ein anderer mit Namen Marcion. Sogar eine übermütige Weibsperson, Marcellina mit Namen, welche die ketzerische Lehre des Karpokrates behauptete, hatte schon einen großen Anhang in Rom. Das bedauernswerteste war aber, daß auch Katholiken selbst in ihrem Glauben sehr träge und lau sich zeigten und ein ganz anderes Leben führten, als der wahre Glaube verlangt. Daher hofften auch die Irrlehrer, dieselben desto gewisser mit ihren giftigen Lehren verführen zu können, da nach der Erfahrung kein leichterer Weg zum Abfall vom wahren Glauben führt, als die Lauigkeit in demselben und die Ausgelassenheit im Leben.
Der heilige Anicet, der alles dieses mit größtem Schmerz betrachtete, ließ den Mut nicht sinken. Er rief zu Gott um Beistand und griff die Sache mit allem Ernst an. Durch tägliches Predigen, Unterweisen und Ermahnen bewog er die Katholiken zu einem größeren Eifer im Glauben und zur Besserung ihres Lebens. Das Beispiel seines heiligen Lebens gab seinen Worten den größten Nachdruck. Er lebte als Heiliger. Nichts suchte er, als das Heil der Seelen. Er war ein Feind aller, auch der an sich noch nicht sündhaften, weltlichen Ergötzungen, weil sie durch Zerstreuung leicht gefährlich werden können. Sein einziges Vergnügen war Gebet und Arbeit für die Ehre Gottes und des Nächsten Heil. Den größten Teil der Nacht brachte er mit Gebet zu. Bei Tage fand man ihn in der Kirche, oder in den Häusern der Kranken und Armen, oder zu Hause mit Studieren oder Gebet beschäftigt. Seinen Leib züchtigte er mit strengem fasten und anderen Bußwerken. Gegen seine Feinde zeigte er sich liebreich und sanftmütig; gegen die Armen freigebig, in den Gefahren und Verfolgungen unerschrocken. Diesem Beispiel ihres Hirten folgten die zu Rom wohnenden Katholiken mit solchem Eifer nach, daß nach dem Zeugnis des Hegesippus, eines damals daselbst wohnenden Geschichtsschreibers, die ganze Stadt in kurzer Zeit ein Wohnsitz der Heiligkeit wurde.
Polykarp, ein heiliger Jünger des Apostels Johannes und Bischof von Smyrna, kam zur Zeit des heiligen Papstes Anicet nach Rom, um nach gemeinschaftlichem Einverständnis zum Heil der Gläubigen einiges anzuordnen. Der heilige Papst Anicet regierte die Kirche Christi unter vielen Lebensgefahren und Leiden, weshalb er zu den Märtyrern gezählt wird. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 283 – S. 284