Goffine: Unterricht vom christlichen Glauben
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh. 20,29)
Was heißt christlich glauben?
Es heißt alles für wahr halten, was Gott geoffenbart, und weil Er es geoffenbart hat. Glauben ist also nicht ein bloßes Meinen, sondern eine zweifellos sichere Überzeugung, allerdings nicht auf Grund eigener Einsicht, sondern auf Grund der Wahrhaftigkeit Gottes.
Was muss man glauben?
Alles, was Gott geoffenbart hat und die katholische Kirche uns als von Gott geoffenbart zu glauben vorstellt, ob es nun in der hl. Schrift steht oder bloß mündlich überliefert ist. Also darf man nicht sagen: Dieses glaube ich und jenes nicht, weil man sich dadurch ja über Gott selber als Richter seiner Wahrhaftigkeit aufwerfen würde.
Warum muß man dies alles glauben?
Weil Gott, die unfehlbare Wahrheit, dies alles selbst geoffenbart hat, nicht etwa, weil wir es selbst einsehen oder begreifen.
Ist dieser Glaube aber auch vernünftig?“
Der katholische Glaube ist höchst vernünftig; denn da der Mensch als endliches, beschränktes Wesen auch nur eine endliche und beschränkte Erkenntnis hat, also gewiß viele Dinge über seine Fassungskraft hinaus liegen, so handelt er nur vernünftig, wenn er sich der Autorität des unendlichen Geistes unterwirft. Wir halten tatsächlich die meisten natürlichen Wahrheiten auf die Bestätigung der Menschen hin fest; warum sollte es unvernünftig sein, etwas zu glauben, und für wahr zu halten auf die Offenbarung des unendlichen, wahrhaftigen Gottes hin? Zudem läßt sich die Tatsache, daß sich Gott geoffenbart, mit Gewissheit durch die Vernunft erkennen, und es läßt sich durch die Vernunft nachweisen, daß die einzelnen Wahrheiten der göttlichen Offenbarung nicht nur der Vernunft nicht widersprechen, sondern vielmehr in vollem Einklang mit den von ihr erkannten Wahrheiten stehen. Unvernünftig aber ist der Unglaube, der entweder alle Wahrheit leugnet oder alle begreifen zu können vorgibt. Bei allem Fortschritt der Erkenntnis. Besonders in den Naturwissenschaften, hat man doch noch nicht die innersten Gründe der Dinge erkannt und begriffen.
Woher wissen wir, was Gott geoffenbart hat?
Durch die von Jesus Christus, dem wahren Gott auf Erden gegründete, katholische Kirche, in welcher Er alle Offenbarungs-Wahrheiten hinterlegt, und welche Er in Bewahrung, Verkündigung und Auslegung derselben unfehlbar gemacht hat.
Woher wissen wir, daß die katholische Kirche in Verkündigung der Offenbarung Gottes unfehlbar ist?
1) Aus Gottes Wort selbst, und 2) daraus, daß wir mit unserer Vernunft aus der Geschichte der Kirche erkennen können, daß sie von Gott selbst gegründet, daher eine göttliche und somit unfehlbare Lehranstalt ist.
Ist der katholische Glaube zur Seligkeit notwendig?
„Ohne den Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“ (Hebr. 11,6); „Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet“ (Joh. 3,18); „Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mark. 16,16); so lautet klar und bestimmt das Wort und der Wille Gottes. Der Glaube ist auch der erste Akt der Religion, das erste, was wir Gott schuldig sind, die Anerkennung seiner unendlichen Wahrhaftigkeit. Durch den Glauben allein gelangen wir zur rechten Kenntnis und zum einstigen Besitz Gottes. „Wer zu Gott kommen will, muss glauben, daß Er ist, und daß Er die, welche Ihn suchen, belohne“ (Hebr. 11,6), sagt der hl. Paulus.
Kann es mehr als einen wahren Glauben geben?
Wie es nur einen Gott, nur einen Heiland, nur eine Wahrheit gibt, so kann es auch nur einen wahren Glauben geben, der, wie Gott und die Wahrheit, zu allen Zeiten und an allen Orten immer sich gleich und unverändert bleibt und alles umfaßt, was Gott geoffenbart hat.
Wie muss dieser eine, wahre, katholische Glaube beschaffen sein?
Er muss
1) auf Gott gegründet sein, d. h. wir müssen glauben wegen der unendlichen Wahrhaftigkeit des sich offenbarenden Gottes. Alles andere Fürwahrhalten, und beträfe es auch dieselben Wahrheiten, die der Glaube lehrt, das nicht wegen Gott geschieht, ist kein christlicher, vor Gott geltender und verdienstlicher, sondern ein bloß menschlicher Glaube.
2) Er muss allgemein sein, d. h. man muss, wie oben angedeutet, alles glauben, was Gott geoffenbart hat.
3) Er muss fest sein, d. h. wir müssen mit übernatürlicher Gewissheit von den Glaubens-Wahrheiten überzeugt sein. Jede andere Überzeugung gründet sich entweder auf die oft täuschenden Sinne, oder auf die oft irrenden Vernunftschlüsse, oder auf das oft trügerische Zeugnis der Menschen. Die Überzeugung durch den katholischen Glauben aber gründet sich auf die Allwissenheit und Untrüglichkeit Gottes und muss deshalb die festeste sein, wie die heiligen Märtyrer bewiesen haben.
4) Er muss lebendig sein, d. h. wir müssen den Glauben in der Liebe und in Werken bewähren und und betätigen. Ohne Liebe und Gnadenstand, ohne gute Werke ist der Glaube tot und unnütz zu ewigen Leben.
Ist dieser Glaube aus natürlichen Kräften möglich?
Nein, er ist eine der größten Gnaden Gottes, um die man stets bitten soll.
Wie soll man den Glauben üben und pflegen?
Der Glaube, wenn er auch eine unverdiente Gnade Gottes ist, kann und soll doch durch unsere Mitwirkung in uns vermehrt werden; er soll wachsen und vollkommenerer werden, sonst nimmt er ab und geht zuletzt ganz verloren. Wir wirken aber mit der Glaubensgnade mit, d. h. wir üben und pflegen den Glauben:
1) Durch anhaltendes, eifriges Gebet um Stärkung und Vermehrung des Glaubens.
2) Durch Erweckung von Glaubensakten, besonders sobald man Gott und die Pflicht zu glauben erkennt, vor dem Empfang der heiligen Sakramente, in Versuchungen gegen den Glauben, in Todesgefahr und öfters im Leben. Man sollte keinen Tag vorüber gehen lassen, ohne die drei göttlichen Tugenden zu erwecken.
3) Durch Erweiterung unserer religiösen Kenntnisse, durch Anhörung der Predigt und Christenlehre, durch Betrachtung und Lesung erbaulicher und religiös belehrender Bücher und Schriften.
4) Vor allem durch ein dem Glauben entsprechendes Leben und endlich
5) Durch öfteren und würdigen Empfang der heiligen Sakramente der Buße und des Altares. –
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 269 – S. 272