Dogmatische Konstitution De Fide catholica

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Pius IX. sitzt auf dem Papststuhl, umgeben von Kardinälen, die den Segen des Papstes erhalten

Dogmatische Konstitution „De Fide catholica“

Dogmatische Bestimmung
über
den katholischen Glauben
erlassen in der dritten Sitzung
des hochheiligen ökumenischen Vatikanischen Konzils
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Pius Bischof,
Knecht der Knechte Gottes,
unter Zustimmung des heiligen Konzils zum immerwährenden Gedächtnis

Der Sohn Gottes und Erlöser des Menschengeschlechtes, unser Herr Jesus Christus, hat, da er im Begriffe stand, zu seinem himmlischen Vater zurück zu kehren, die Verheißung gegeben, daß er bei seiner auf Erden streitenden Kirche sein werde alle Tage bis an das Ende der Welt. Er hat darum auch niemals aufgehört, bei seiner geliebten Braut gegenwärtig zu sein, ihr in ihrem Lehramte zur Seite zu stehen, sie in ihrem Wirken mit seinem Segen zu begleiten und in der Gefahr ihr zu helfen. Hat nun diese seine heilbringende Fürsorge sich unausgesetzt durch zahllose andere Wohltaten augenfällig zu erkennen gegeben, so leuchtete sie doch ganz besonders deutlich hervor aus den so reichlichen Früchten, welche der Christenheit aus den ökumenischen Konzilien, namentlich dem von Trient, obwohl es unter ungünstigen Zeitverhältnissen gefeiert wurde, erwachsen sind. Diesen allgemeinen Kirchenversammlungen nämlich hat man es zu verdanken, daß die heiligen Glaubenslehren genauer bestimmt und allseitiger erklärt, die Irrtümer dagegen verurteilt und ihrer Verbreitung Schranken gesetzt wurden; daß die Kirchenzucht wieder hergestellt und fester geordnet, der Eifer für Wissenschaft und Frömmigkeit unter dem Klerus angefacht, Anstalten zur Erziehung von Jünglingen für den geistlichen Stand eröffnet, der sittliche Wandel des christlichen Volkes endlich durch sorgfältigeren Empfang der Sakramente erneuert wurde. Daher über dies die innigere Vereinigung der Glieder mit ihrem sichtbaren Haupte und die Erhebung des ganzen mystischen Leibes Christi zu neuer Lebenskraft; daher die Vermehrung der religiösen Genossenschaften und anderer Institute der christlichen Frömmigkeit; daher auch jener unermüdliche Seeleneifer, brennend von Verlangen, das Reich Christi weithin über den Erdkreis zu verbreiten, und standhaft bis zur Hingabe des eigenen Blutes.

Während Wir indes diese und andere ausgezeichnete Wohltaten, welche die göttliche Barmherzigkeit besonders durch die letzte allgemeine Synode der Kirche zugewendet hat, wie es sich gebührt, mit dankbarem Herzen erwägen, vermögen Wir doch auch den herben Schmerz in Uns nicht zu unterdrücken ob der so großen Übel, welche eben daraus hauptsächlich entsprungen sind, daß das Ansehen dieser heiligen Synode von vielen verachtet oder wenigstens deren so weise Beschlüsse nicht ausgeführt wurden.

Niemand verkennt nämlich, daß die von den Vätern zu Trient verworfenen Irrlehren, indem man das göttliche Lehramt der Kirche verschmähte und die Entscheidung in Sachen der Religion dem Privaturteil eines jeden anheim gab, sich allmählich in verschiedenen Sekten aufgelöst haben, durch deren Uneinigkeit und inneren Hader zuletzt bei nicht wenigen der Glaube an Christus erschüttert wurde. So geschah es, daß man sich erlaubte, die Heilige Schrift selbst, die man zuvor für die einzige Quelle und Richterin der christlichen Lehre erklärt hatte, bereits nicht mehr für ein göttliches Buch zu halten, ja sogar den mythischen Erdichtungen beizuzählen.

Da entstand und wurde nur allzuweit über den Erdkreis verbreitet jene Lehre des Rationalismus oder Naturalismus, welche der christlichen Religion als einer übernatürlichen Anstalt in allem widerstreitet und mit aller Kraftanstrengung des Geistes darauf ausgeht, Christus, unsern einzigen Herrn und Heiland, aus den Herzen der Menschen, aus dem Leben und den Gewohnheiten der Völker zu verdrängen und ein sogen. Vernunft- oder Naturreich zu gründen. Nachdem man aber einmal die christliche Religion verlassen und von sich geworfen, den wahren Gott und seinen Gesalbten verleugnet hat, sind endlich viele Geister in den Abgrund des Pantheismus, des Materialismus und Atheismus versunken, so daß sie bereits die vernünftige Natur selbst und jegliche Norm der Gerechtigkeit und Sittlichkeit leugnen und eben dadurch an der Zerstörung der tiefsten Fundamente der menschlichen Gesellschaft mit vereinten Bestrebungen arbeiten.

Während aber diese Gottlosigkeit überall um sich griff, geschah es unglücklicher Weise, daß auch manche Söhne der katholischen Kirche von dem Wege der wahren Frömmigkeit abirrten und bei fortschreitender Einbuße an religiösen Wahrheiten allmählich eine Abschwächung ihrer katholischen Gesinnung erlitten. Es kann sich der Wahrnehmung nicht entziehen, wie sie, durch allerlei fremdartige Lehren in die Irre geführt, Natur und Gnade, menschliches Wissen und göttlichen Glauben irrtümlich verwechseln und so den echten Sinn der Glaubenslehren, wie ihn unsere heilige Mutter, die Kirche, fest hält und lehrt, verkehren und die Unversehrtheit und Reinheit des Glaubens in Gefahr bringen.

Wie wäre es möglich, daß bei Betrachtung all dieser Tatsachen die Kirche nicht im tiefsten Grunde ihres Herzens bewegt würde? Denn wie Gott will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen; wie Christus gekommen ist, selig zu machen, was verloren war, und die Kinder Gottes, welche zerstreut waren, zu vereinen: so weiß sich auch die Kirche, welche von Gott zur Mutter und Lehrerin der Völker bestellt ist, als die Schuldnerin aller und ist stets bereit und darauf bedacht, die Gefallenen aufzurichten, die Wankenden zu stützen, die Zurückkehrenden in ihre Mutterarme aufzunehmen, die Guten zu bestärken und zu höherer Vollkommenheit zu fördern. Daher kann sie niemals ablassen, die göttliche Wahrheit, welche Heilkraft besitzt für alle Übel, zu bezeugen und zu predigen, eingedenk des an sie ergangenen Auftrags: ‚Mein Geist, der in dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen von deinem Munde nicht weichen, von jetzt an bis in Ewigkeit.‘

Wir haben daher, eintretend in die Fußstapfen Unserer Vorgänger, es niemals verabsäumt, nach Aufgabe Unseres obersten apostolischen Amtes die katholische Wahrheit zu lehren und zu verteidigen und die verkehrten Lehren zu verwerfen. Jetzt aber, wo die durch Unsere Autorität zu einem ökumenischen Konzil im Heiligen Geist versammelten Bischöfe des ganzen Erdkreises mit Uns als Glaubensrichter sitzen, haben Wir beschlossen, gestützt auf das geschriebene und überlieferte Wort Gottes, wie Wir es von der katholischen Kirche heilig gehütet und unverfälscht ausgelegt überkommen haben, von diesem Lehrstuhl Petri herab vor aller Angesicht die heilsame Lehre Christi zu bekennen und zu erklären, die entgegen gesetzten Irrtümer aber kraft der von Gott Uns verliehenen Gewalt zu ächten und zu verurteilen. –
aus: Theodor Granderath SJ, Geschichte des Vatikanischen Konzils Von seiner ersten Ankündigung bis zu seiner Vertagung, Bd. 2, 1903, S. 487 – S. 508

siehe auch: Pius IX. Dogmatische Bestimmung über den katholischen Glauben incl. der Canones: Gesamter Text der Konstitution „De Fide catholica“

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