Leo XIII über die falsche Philosophie

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Papst Leo XIII über die falsche Philosophie 

Papst Leo XIII. sitzt in seiner päpstlichen Kleidung in seinem Arbeitszimmer, links von ihm sieht man auf einem Art Altar ein Kruzifix, rechts ist ein Bücherschrank

Die Kirche und die Wissenschaft

Auszug aus der Enzyklika „Aeterni Patris“ v. 4.8.1879

Papst Leo XIII.

An alle Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
und die anderen Oberhirten, welche dem Apostolischen Stuhle in Gnade und Gemeinschaft verbunden sind

Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen!

I. Einleitung

1. Die Kirche ist die Lehrerin der Religion

152. Des ewigen Vaters Eingeborener Sohn, der auf Erden erschienen ist, um den Menschen das Heil und das Licht der göttlichen Weisheit zu bringen, hat der Welt eine gar große und bewunderungswürdige Wohltat dadurch erwiesen, dass er unmittelbar vor seiner Himmelfahrt den Aposteln den Auftrag gab, hinzugehen und alle Völker zu lehren (Matth. 28, 19), und dass er so die von ihm gestiftete Kirche den Völkern als ihre gemeinsame und höchste Lehrerin zurückließ.

Denn die Menschen, welche die Wahrheit frei gemacht hatte, konnten nur durch die Wahrheit vor dem Untergang bewahrt bleiben: aber der Erfolg der himmlischen Lehren, durch welche den Menschen das Heil bereitet worden ist, hätte keinen langen Bestand gehabt, wenn nicht Christus der Herr für alle Zeiten ein Lehramt geschaffen hätte mit der Aufgabe, die Menschen für den Glauben zu unterweisen.

Und in der Tat hat die Kirche, gestützt auf die Verheißungen ihres göttlichen Stifters und in Nachahmung seiner Liebe so sehr den ihr gewordenen Auftrag erfüllt, dass sie immer nur das eine im Auge hatte, dass sie nur das eine erstrebte: Weisungen über die Religion zu geben und stetig die Irrtümer zu bekämpfen. Das erstreben unstreitig die wachsame Fürsorge und Arbeit der einzelnen Bischöfe, das ebenso die Gesetze und Entscheidungen der Konzilien, das insonderheit Tag für Tag die sorgende Mühewaltung der römischen Oberhirten, welchen, als Nachfolgern des Apostelfürsten Petrus im Primat, das Recht und die Pflicht zusteht, zu lehren und die Brüder im Glauben zu stärken.

Leo XIII über die falsche Philosophie: „Die Philosophie thront inmitten der Sieben Freien Künste“ – Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180)

„Die Philosophie thront inmitten der Sieben Freien Künste“ – Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180)

2. Die Philosophie soll der Regel des katholischen Glaubens gemäß gelehrt werden

153. Da nun aber, wie schon der Apostel andeutet, die Christgläubigen nicht selten durch die Weltweisheit und eitlen Trug (Kol. 2, 8) sich täuschen lassen, und dadurch die Reinheit des Glaubens in den Menschen getrübt wird, so haben es die obersten Hirten der Kirche jederzeit für eine Forderung ihres Amtes gehalten, die wahre Wissenschaft mit allen Kräften zu fördern und desgleichen mit besonderer Wachsamkeit darauf zu achten, dass alle menschlichen Wissenschaften so gelehrt würden, wie es der katholische Glaube fordert, vor allem aber die Philosophie, da ja gerade von dieser die rechte Beschaffenheit der übrigen Wissenschaften großenteils abhängt.

Auf diesen Punkt haben auch Wir bereits unter anderem in Kürze hingewiesen, Ehrwürdige Brüder, damals, als Wir zum ersten Mal Uns in einem Rundschreiben an Euch alle wandten; nunmehr aber fühlen Wir Uns durch die hohe Bedeutung der Sache an sich und durch die Zeitverhältnisse dringend veranlasst, Euch nochmals auseinanderzusetzen, in welcher Weise die philosophischen Studien betrieben werden müssen, damit man sowohl die rechte Rücksicht auf das Glaubensgut nehme, als auch die den menschlichen Wissenschaften eigene Würde nicht verletzte.

3. Die Ursache der Übel unserer Zeit ist die falsche Philosophie

154. Jeder, der unsere traurigen Zeitverhältnisse aufmerksam betrachtet und die Erscheinungen im öffentlichen und privaten Leben auf ihren Grund hin prüft, wird sicherlich finden, dass die furchtbare Ursache jener Übel, die Uns gegenwärtig schon drücken, und die Wir für die Zukunft noch befürchten, darin zu suchen sei, dass die verkehrten Anschauungen über Gott und Welt, ehedem nur in den Schulen der Philosophen vertreten, jetzt in alle Klassen der Gesellschaft durchgesickert sind und fast überall einmütigen Beifall gefunden haben.

Es ist ja tief in der menschlichen Natur begründet, dass wir uns in unserem Handeln von der Vernunft leiten und bestimmen lassen, und darum zieht ein Irrtum in der Erkenntnis leicht auch eine Verfehlung des Willens nach sich: und das ist der Grund, dass die verkehrten Anschauungen, welche der Erkenntnis entstammen, auf die menschliche Tätigkeit einen verderblichen Einfluss ausüben. Umgekehrt aber wird die menschliche Erkenntnis, wenn sie gesund ist und sich auf gediegene, wahre Grundsätze gründet, für das öffentliche und private Wohl die segensreichsten Wirkungen zeitigen. –

Freilich erwarten Wir von dem Einfluss und der Bedeutung der menschlichen Philosophie nicht soviel, dass Wir sie der Aufgabe für gewachsen hielten, durchaus alle Irrtümer zurückzuweisen und gar in ihrer Wurzel zu vernichten: denn wie in jenen frühen Zeiten der Grundlegung der christlichen Religion dem Erdkreis seine ursprüngliche Würde wiedergegeben wurde durch das Licht des Glaubens, der weithin verbreitet wurde, „nicht durch überredende Worte menschlicher Weisheit, sondern in Geistes- und Krafterweisung“ (1. Kor. 2, 4), so müssen Wir auch in der Gegenwart hauptsächlich hoffen, dass Gott mit seiner hilfsbereiten Allmacht die Finsternis des Irrtums behebe und die Menschen zur rechten Erkenntnis zurückführe.

Aber gleichwohl dürfen wir die natürlichen Hilfsmittel, die Wir der alles mit Kraft und Milde ordnenden göttlichen Weisheit zu verdanken haben, nicht verachten oder auch nur gering schätzen; denn dass zu den vorzüglichsten dieser Mittel der rechte Gebrauch der Philosophie gehört, steht außer Frage. Denn nicht zwecklos hat Gott dem menschlichen Geist das Licht der Vernunft verliehen; und wenn dann das Licht des Glaubens noch hinzugegeben worden ist, so wird dadurch die Erkenntniskraft nicht vernichtete, vielmehr wird sie dadurch vervollkommnet, ihre Stärke wird erhöht und sie dadurch zu Höherem befähigt. –

Also verlangt schon die Rücksicht auf die göttliche Vorsehung, dass man, um die Völker zum Glauben und zum Heil zurückführen zu können, auch die menschliche Wissenschaft in seinen Dienst stelle; und die Zeugnisse des Altertums bestätigen uns, dass sich dessen auch die hervorragendsten Kirchenväter in anerkennenswerter und kluger Weise beflissen haben. Ganz allgemein haben sie der Vernunft eine hohe und weite Bedeutung zuerkannt, und der große Augustinus hat diese Bedeutung mit wenigen Worten darin zusammengefasst, dass „er dieser Wissenschaft die Aufgabe setzt …, den so heilsamen Glauben … hervorzurufen, ihn zu nähren, zu schützen, zu stärken“ (De Trin. Lib. 14, c. 1.) –
aus: Carl Ulitzka, Lumen de Caelo, Leo XIII. der Lehrer der Welt“, 1934, S. 76 – S. 78

Siehe dazu auch den Beitrag:

Siehe auch den Beitrag auf katholischglauben.online:

P. Cahill schreibt zum ‚Syllabus‘:

Durch dieses Dokument richtete und verwarf Pius IX. als unfehlbarer Lehrer der Gläubigen die gangbaren und heillosen Irrtümer unserer Zeit auf dem Gebiet einer glaubenslosen Philosophie und anmaßenden Scheingelehrsamkeit in den Naturwissenschaften; die sakrilegischen Übergriffe auf dem Gebiet der Politik; und die Prätensionen des Freiheitsschwindels gepaart mit den Anforderungen des Fortschritts der sogenannten modernen Zivilisation.

Bildquellen

  • Hortus_Deliciarum,_Die_Philosophie_mit_den_sieben_freien_Künsten: wikimedia

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