Die Zeremonie der Weihe des Taufwassers
Thomas:
Ich meine, die Weihe des Taufwassers sei ganz überflüssig? Ist denn anderes natürliches Wasser nicht eben so gut?
Pfarrer:
Allerdings bedarf es zur Gültigkeit der hl. Taufe nur des natürlichen Wassers, ohne vorher begangene Weihe. Die Kirche Gottes hat aber darum eine Weihe des Taufwassers angeordnet, damit dieses hl. Sakrament mit desto größerer Ehrerbietung, Andacht und Heiligkeit möge erteilt und empfangen werden. Daher denn auch in den ältesten Zeiten schon eine Segnung des Taufwassers vorgenommen wurde. Der hl. Basilius (im vierten Jahrhundert) zählt diese Segnung schon unter die apostolischen Satzungen; und viele Väter der ersten Jahrhunderte erwähnen dieses uralten Gebrauches.
Simon:
So viel ich mich erinnere, finden auch bei der Wasserweihe einige besondere Zeremonien statt.
Pfarrer:
Der Priester tritt zu dem Taufbrunnen mit den Worten des Psalmisten (Ps. 41,1): „Wie der Hirsch nach der Wasserquelle verlangt, so verlangt meine Seele nach dir, o Gott. Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich kommen und vor Gottes Angesicht erscheinen?“ Das mag uns erinnern, mit welcher Sehnsucht wir nach der Gnade Gottes, des Erlösers, streben sollen, und insbesondere, welch kostbares Geschenk uns der Heiland im Sakrament der Taufe gegeben hat, und wie wir darauf bedacht sein sollen, unseren Angehörigen recht schleunig nach ihrer Geburt dieses herrliche Gnadengeschenk Christi zuzuwenden. Während der Gebete, welche nun verrichtet werden, segnet der Priester das Wasser mit dem Zeichen des Kreuzes, teilt auch die Oberfläche desselben in Form eines Kreuzes, um auch hier wieder auf den Kreuztod des Herrn, als den Ursprung der Taufgnade hinzuweisen; er berührt es mit der flachen Hand, um anzudeuten: wie einst der hl. Geist bei der Schöpfung der Welt über den Gewässern schwebte, so werde er mit seiner Gnade auch über denen schweben, welche die hl. Taufe empfangen, und werde sie mit seinem Lichte und seiner Kraft erfüllen. Der Priester teilt das Wasser mit der Hand in vier Teile und sprengt es nach den vier Weltgegenden hin, um zu zeigen, daß alle Teile der Welt der hl. Taufe teilhaft werden sollen, nach den Worten Christi: „Gehet in alle Welt und predigt das Evangelium allen Kreaturen und taufet sie“ (Matth. 28,19). Gleichwie vier Flüsse aus dem Paradiese in die Welt geflossen sind, so sollen auch die vier Weltgegenden von dem Gnadenwasser der hl. Taufe zur Abwaschung der Erbsünde übergossen werden. Ferner haucht der Priester in das Wasser, zum Zeichen, daß durch die Taufe dem Menschen das geistliche Leben der Seele solle gegeben werden, wie einstens der Schöpfer durch Anhauchen dem ersten Menschen Seele und Leben gab; auch daß ihm die Gnade des hl. Geistes solle mitgeteilt werden, wie Christus seinen Aposteln durch Anhauchen den hl. Geist mitteilte. Eben deswegen wird auch zu drei wiederholten Malen die Osterkerze, das Sinnbild Christi, in das Taufwasser eingesenkt und es werden dabei die Worte gesungen: „Es steige herab in diese Quelle des Wassers die Kraft des hl. Geistes, und geben ihm die wirkenden Kraft zur Wiedergeburt der Seele.“ Dadurch wird nämlich angezeigt, daß Christus durch die Gnade des hl. Geistes das Taufwasser eben so wie das Wasser des Jordans bei seiner Taufe heiligen und die Täuflinge aus dem Abgrund der Sünde herausziehen werde. Und endlich wird das Taufwasser mit heiligem Öl und Chrisam begossen, um so nochmals die Fülle des göttlichen Geistes anzuzeigen, welche bei der Ausspendung der hl. Taufe in diesem Wasser wirksam ist, und um zu erinnern, daß die Gnade des hl. Geistes samt den drei göttlichen Tugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe in die Seele des Täuflings eingegossen wird. Das hl. Öl und der Chrisam sind nämlich Sinnbilder des hl. Geistes. –
Ehe aber das hl. Öl in den Taufbrunnen eingegossen wird, besprengt der Priester die Umstehenden mit dem eben geweihten Wasser, und dieses mag Allen als Erinnerung an ihre eigene Taufe gelten, und die Vorsätze in ihnen erneuern und befestigen, daß sie mit dem heiligsten Ernste bedacht bleiben, ihren Taufgelübden zu entsprechen. (…)
Pfarrer:
… man sorgte vor allen Dingen, daß Niemand ohne die Gnade des hl. Sakramentes starb. Es wäre daher auch jetzt noch für die Eltern eines Kindes eine schwere Verantwortung, wenn sie säumen wollten, demselben die hl. Taufe erteilen zu lassen, da in den ersten Tagen nach der Geburt das Leben eines Menschen so vielen Gefahren ausgesetzt ist.
Simon:
Das möge sich nie Jemand zu Schulden kommen lassen, daß durch seine Schuld ein Mensch ohne Taufe aus dieser Welt scheidet! Am schrecklichsten wäre es, wenn die Eltern eines Kindes selbst die Ursache davon werden sollten. Eine solche Verantwortung müßte auf dem Todbette schwer drücken.
Pfarrer:
Wohl müßte sie das; um so mehr, da die Eltern an Gottes Stelle gesetzt sind, um für das zeitliche und ewige Wohl der Kinder, welche Gott ihnen anvertraut, zu sorgen.
aus: Gregorius Rippel, Die Schönheit der katholischen Kirche dargestellt in ihren äußeren Gebräuchen in und außer dem Gottesdienst für das Christenvolk, 1901, S. 71 – S. 75