Die Organisation der Humanität

Die Organisation der Humanität in der blauen Loge

I. Die Stiftung vom Jahre 1717.

Als vereinzelte subjektive Meinung wäre die Humanität nie gefährlich geworden. Man hätte sie als Lauheit und Gleichgültigkeit in Dingen der Religion, als stolze Selbstüberhebung und Gottvergessenheit verachtet; und niemals hätte sie einen Angriff auf das Christentum, welches allen Völkern unseres Erdteils stets als das kostbarste Kleinod galt, wagen dürfen. Überdies wäre sie nur das Erbteil einiger weniger Gelehrten geblieben, ein Traum aus der Studierstube, behaftet mit Lampengeruch und unfähig für den öffentlichen Markt, vielleicht dem Gespött der vernünftigen Praktiker ausgesetzt. Auch als Sekte hätte sie wenig Glück gemacht, denn eine religiöse Genossenschaft muss ich, vorzüglich im Anfange, durch glühende, innerlichste Begeisterung für ein höheres positives Gut, durch Glaubensmut und Opfergeist auszeichnen, sonst vertrocknet sie, wie ein Waldstrom im Sommer. Woher aber sollte das zunächst gelehrte Produkt, die naturalistische Humanität, Glaubensbegeisterung beziehen, da sie gerade darauf ausging, das höhere Glaubensleben zu verneinen und zu bekämpfen?

So blieb nur ein Weg der Ausbreitung offen, die Organisation als Geheimbund. Gelang es dieser tiefsten und allgemeinsten Rebellion gegen die göttliche Ordnung, sich an verschiedenen Orten als geschlossene Gesellschaft nieder zu lassen, Anhänger zu werben, hohe Gönner zu gewinnen, nach und nach die regierenden Kreise zu vergiften, den Staat mit der Kirche in Streit zu verwickeln, gegen verbriefte Rechte und gegen das Christentum selbst aufzuhetzen, sich als eine respektable Macht den Regierenden zur Verfügung zu stellen, die Humanität zur Staatslehre und zur herrschenden öffentlichen Meinung zu erheben, — dann war alles vorbereitet zum endlichen Sieg auf allen Punkten.

Dies ist mit höllischer Raffiniertheit geschehen im Freimaurerorden oder, wie die „Brüder “ selbst heutzutage lieber hören, im Freimaurerbund. Über die Entstehung dieser geheimen Verbindung laufen die verschiedensten Meinungen um. (1) Man muss eben unterscheiden. Versteht man unter Freimaurerei das Böse überhaupt, so geht ihre Entstehung zurück auf Luzifer und seine unglückliche Schlacht gegen den Erzengel Michael; versteht man darunter den menschlichen Trotz gegen den Willen und die Gebote Gottes, so muss man mit dem Sündenfall der Stammeltern und der blutigen Tat Kains anfangen; versteht man die Misskennung des Einen Gottes und seiner Offenbarung, so muss man mit dem Abfall der Menschen zum Heidentum beginnen; fasst man speziell den Kampf gegen die Eine Kirche Christi in’s Auge, so hebt derselbe mit den römischen Cäsaren und dem Fanatismus der antiquierten Synagoge an; will man die Erhebung des Menschen-Ichs gegen die kirchliche Autorität, so hat man die sogenannte Reformation und die aus ihr fortgesponnene Ichheits-Philosophie bis herab auf Hegel und Dr. Strauß; meint man aber mit der Freimaurerei den organisierten geheimen Bund, welcher zum Unglück für die bürgerliche und kirchliche Gesellschaft in unseren Ländern bis heute wuchert, und den Kampf des Naturalismus und Menschentums nicht bloß gegen die Offenbarung, sondern gegen jeden Gott, welcher über dem Menschen und der Welt wäre, fortsetzt, so muss man auf 1717 zurück gehen.

(1) Die verschiedenen Logenmärchen über uralte Entstehung findet man gesammelt bei Abbé Gyr, la Franc-Maçonnerie en elle-même, Liége e Paris 1859, p. 2 et suivv.

In diesem Jahr traten zu London George Payne, der Physiker Desaguliers und der Theologe James Anderson zusammen, um die damals aufgekommene deistische Philosophie vermittelst einer den ehemaligen Maurerzünften nachgebildeten Verbindung bei der Menschheit einzuführen und an die Stelle des Christentums zu setzen. Um sich vor Verfolgungen zu sichern, nahm Anderson einige Regeln der freien Maurer oder Steinmetzen-Zunft mit herüber in seine neuen „Konstitutionen“, die er für den Geheimbund entwarf und als „The constitutions of Freemasons“ zu- London 1723 herausgab. Handelt es sich doch bei den stillen Brüdern darum, einen neuen Tempel Salomo’s, einen Bau der Weisheit, d. h. der naturalistischen Humanität, für die Menschheit aufzurichten. So hieß in den ältesten Urkunden der Steinmetzen-Zunft der 1. Punkt in der sogenannten Halliwell’schen Redaktion: „Die welche die (Steinmetzen-) Kunst können und üben, Gott und die Kirche sollen lieben“; in der Cooke’schen Redaktion: „Die erste Pflicht ist, daß ihr treue Männer seid gegen Gott und die hl. Kirche, daß ihr keine Irrlehre und Ketzerei hegt.“

Statt dessen lautet es in den Anderson’schen Konstitutionen von 1723: „Wenn der Maurer die Kunst recht versteht, so wird er weder ein stumpfsinniger Gottesleugner, noch ein irreligiöser Wüstling sein.“ Jedermann begreift den illusorischen Charakter dieses Satzes. Leugnet nämlich ein Freimaurer das Dasein Gottes aus vermeintlich philosophischen Gründen, so ist er kein stumpfsinniger Gottesleugner; substituiert er an die Stelle des religiösen Kultus einen andern rein humanistischen, oder ist er gegen allen und jeden Kult, aber im Privatleben ein „rechtschaffener Mann“, so ist er kein irreligiöser Wüstling. Wer dagegen in Unschuld des Herzens und ohne “nähere Kenntnis des Bundes jenen Satz liest, wird nichts Verfängliches darin finden, ja sich über den religiösen Inhalt desselben erbauen.

Daß die Umbildung des Masonentums vom Jahre 1717 im innigsten Zusammenhang steht mit dem englischen Deismus, wird von den Maurern selbst nicht geleugnet.

So sagt der Br.-. Findel in seiner „Geschichte der Freimaurerei“ (S. 130): „Der letzte und jedenfalls entscheidendste Faktor für die Umbildung des Masonentums war die geistige Bewegung, die wir unter dem Namen des englischen Deismus kennen; eine Richtung, welche die Offenbarungstheorie und alle Dogmen kühn verwarf und unter dem siegreichen Banner der Vernunft und der Kritik Alles mit sich fortriss.“

Bei einer Festrede in der Loge „Amalia“ zu Weimar erinnerte Br… Stichling im Eingang daran, daß die sogenannte Vernunftreligion der englischen Deisten das Glaubensbekenntnis der Maurer geworden sei. „Von dieser Religion sagte Lord Shaftesbury zu einer hoch gebildeten Dame, die davon wissen wollte: „Von dieser Religion sprechen verständige Männer nur unter sich“. Zu solchen vertrauten Gesprächen verständiger Männer waren die Logen mit ihrem Grundsatz der Geheimhaltung wohl geeignet und ausersehen. Aber nach und nach sind die maurerischer Lehren Gemeingut der zivilisierten Welt, aus Geheimlehren der Höchstgebildeten (?) herrschende Sätze in allen gebildeten Nationen geworden.“ (Bauhütte, 1865, S. 177.)

Ganz im Geist dieser flachen Philosophie, welche Gott den Herrn von der Welt nicht bloß unterscheidet, sondern vollständig abscheidet und eine göttliche Herrschaft, Weltregierung und Vorsehung leugnet, d. h. den Menschen in jeder Beziehung als souverän erklärt, spricht auch Anderson nur vom großen „Weltbaumeister“; ein Ausdruck, welcher höchstens noch einen Weltschöpfer, Weltbildner, aber keinen Weltregenten zuläßt und außerdem jeder materialistischen und pantheistischen Verflüchtigung ausgesetzt war; oder wie Br.-. Stenz (die Hiram-Sage) und nach ihm die „Latomia“ (1873, S. 166 f.) sagt, ein Wort, „welches sich vollkommen mit dem Begriffe deckt, welchen der damalige Deismus sich von Gott machte, der von der Welt nicht bloß verschieden, sondern auch geschieden ist, und dessen Weltganzes, einmal geschaffen, seinen geregelten Gang ohne weitere Einwirkung Gottes, den unerschaffenen Naturgesetzen gemäß, fortsetzt.“ Die „Latomia“ selbst gesteht (a. a. O.): „Wir sind einverstanden, namentlich mit dem Abschnitt (des Stenz’schen Buches), in welchem der intellektuelle Zusammenhang des Deismus mit der Entwicklungsgeschichte der Brüderschaft dargelegt wird.

Ist nun Gott bloßer Bildner der Welt, welcher sich nicht weiter um das Werk seiner Hände kümmert, so hört auf Seite des Menschen jede Abhängigkeit von ihm, jede Liebe zu ihm, jede Hingabe an ihn auf; mit anderen Worten: die vollständigste Gleichgültigkeit des Menschen gegen Gott und göttliche Dinge wird das einzige Bekenntnis.

Mit Bezug auf diesen Indifferentismus gleich bei Entstehung der Maurerei aus dem englischen Deismus sagt ein Mitarbeiter der „Historisch – politischen Blätter“ (B. 8, 1841, S. 66 ff.) ganz richtig: „Ihrem eigentlichen Wesen und Charakter nach ist sie (die blaue Loge) der in die Fäulnis des Indifferentismus übergegangene Protestantismus. Dieser hatte gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts — in England zuerst und früher als in anderen Ländern — das letzte naturnotwendige Ziel und Ende der „Reformation“ in der Lossagung von aller und jeder positiv-christlichen Basis erreicht.

Da dort der alte Glaube bis auf die letzte Spur aus vielen Gemütern entwichen war, und anderseits dennoch die ganze Zeit den christlichen Erinnerungen des Mittelalters zu nahe stand, um sich in heutiger Weise ohne alle kirchengesellschaftliche Form behelfen zu können, so entstand in jenem alten Heimatland der Korporationen, begünstigt und hervorgerufen durch die allgemeine, so kirchliche als politische Zerrüttung Englands, das Bedürfnis nach einem Surrogat der allgemeinen, alle Stände und Völker umfassenden Kirche. Dies ist die Freimaurerei, die sonach am kürzesten definiert werden kann, als die Kirche des Indifferentismus, als gesellige Form der Häresie des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, in welche der Protestantismus des sechzehnten verschwommen ist… Der Indifferentismus ist sonach das wahre und eigentliche offene Geheimnis der (blauen) Maurerei.

Was sonst noch den Schwachen im Geist als Geheimnis geboten wird, ist kindischer Alfanz oder hohler Formelkram, erfunden, Einfältige zu berücken und müßigen Gimpeln Unterhaltung zu gewähren.“

So macht die Stiftung von 1717 ganz den Eindruck einer Gesellschaft vornehmer Verächter der positiven Religion; die Tendenz ist zunächst durchaus negativ und auf das Niederreißen berechnet. Auch findet man in keiner freimaurerischen Urkunde irgend einen bestimmten Satz zum Glauben vorgestellt, im Gegenteil wurde in der ersten Zeit den „Brüdern“ für ihr äußeres Verhalten angeraten, sich der Religionsübung des Landes, in welchem sie eben sich aufhalten, zu konformieren; in ihrem Innern mochten sie sich nach Belieben mit dem Ding abfinden, was wir „profane“ Menschenkinder Religion nennen. Daher schreibt der Br .. von Trentowski ganz wahrheitsgemäß: „Darin, daß die Freimaurerei gar nichts Positives, keine Satzungen, keine geheiligten Fesseln des Geistes kennt, liegt der große Vorzug ihrer Weisheit vor der kirchlichen, sowie ihre Unerreichbarkeit und Unverwundbarkeit.“ Und das Großkapitel im Haag, welches aus den fähigsten Mitgliedern der nördlichen Logen eine Kommission zur Untersuchung gerade auch dieses Punktes ernannt hatte, erklärte bestimmt: „Die Maurerei gibt keine speziellen Lehren, ihre Unterweisungen sind vielmehr negativ, als positiv und imperativ.“

Aber wir dürfen nicht vergessen, daß ein Bund mit bloß negativen Absichten und Satzungen nicht lange bestehen kann, sondern in den Abgrund des eigenen Nichts versinken muss. Wir müssen daher einen Mittelpunkt positiver Art finden, wo alle Angehörigen des Geheimbundes und alle seine Grade übereinkommen.

Bevor wir jedoch weitergehen, haben wir noch den Ausdruck „blaue Loge, blaue Freimaurerei“ zu erklären. –
aus: Georg Michael Pachtler SJ, Der Götze der Humanität, 1875, S. 109 – S. 115

siehe auch die Beiträge von P. Cahill SJ über die Freimaurerei und anti-christliche Bewegung

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