Indifferentismus gegenüber der Wahrheit
Die Hauptsätze des Indifferentismus
Zusammenfassung der sechs Konferenzen
Der Indifferentismus ist äußerste völlige Negation
So wären wir denn, meine Herrn, an den Schluss dieser Konferenzen gelangt. Wir haben in denselben das größte Übel bezüglich der Religion betrachtet, wir haben, jene Apathie jenes Erstorbensein gegen alles Höhere, das man Indifferentismus nennt, geprüft und verworfen. Der Indifferentismus ist in der Tat für die Religion dasselbe, was der Skeptizismus für die Philosophie ist, nämlich deren äußerste völlige Negation, deren Vernichtung. Der Skeptizismus ist das Ende der falschen Philosophie, und fängt nur dann an sich geltend machen zu wollen, wenn man sich auf allen Pfaden des intellektuellen Irrtums müde gelaufen hat. Auf ähnliche Weise, meine Herrn, beginnt der Indifferentismus nur dann sich zu äußern, wenn man in dem Gegensatz zur Religion erschöpft ist, und daher hat der göttliche Erlöser, als er von der letzten Zeit sprach, gesagt: »Meint ihr, daß der Sohn des Menschen, wenn er wieder kommen wird, noch Glauben finden wird?« Er vergleicht den Zustand des Menschengeschlechtes vor dieser letzten Katastrophe und vor dem großen Gericht, vor dem wir alle ohne Ausnahme erscheinen werden, mit jenem Zustande, welcher der großen Flut voranging, wo man, wie er sich ausdrückt, »aß und trank und zur Ehe gab und zur Ehe nahm.« Merken wir, was er damit sagen will? Nicht in die Augen fallende Irrtümer, nicht erschreckende Laster, nicht ungeheure Verbrechen werden jene Zeit kennzeichnen, sondern vielmehr die absolute Gleichgültigkeit gegen jedes höhere Prinzip. Wir fingen daher, meine Herrn, damit an, daß wir nachwiesen, der Indifferentismus, wenigstens der theoretische, sei eine reine innere Unmöglichkeit, gleich wie der Skeptizismus in der Philosophie eine absolute Unmöglichkeit. Denn, wie ich, wenn ich auch an Allem zweifeln wollte, am Ende doch nicht daran zweifeln kann, daß ich zweifle, und wie der größte Zweifler, wenn er einen physischen oder moralischen Schlag erhält, wohl spürt, daß er existiert; so zeigten wir, ist der absolute Indifferentismus in Sachen der Religion in der Wirklichkeit nicht Gleichgültigkeit, sondern nur eine Maske, unter welcher sich ein geheimer Hass und eine tiefe Verachtung gegen die religiöse Wahrheit verbergen möchte. Wir hätten nun ein leichtes gehabt, mit ihm vollends fertig zu werden, indem wir alles, was zu seinen Gunsten spricht, darauf zurückführen und zeigen konnten, daß es immer eine absolute Gleichgültigkeit und folglich eine Absurdität in sich enthält. Wir haben es gleichwohl vorgezogen, namentlich die Hauptschlag-Wörter im Einzelnen abzuwägen, mit denen er seine Kämpfe kämpft, und wir haben uns, ich hoffe wenigstens, durch die Gnade Gottes überzeugt, daß dieselben nur Jenen zu täuschen vermögen, welcher nicht über sie nachdenkt. In der Tat sie sind eigentlich nur wie gewisse Bindfäden , geschickt gelegt, um gewisse Vögel zu fangen, ein entschiedener, vernünftiger Denker aber wird diese Garne einfach durchschneiden.
Indifferentismus hat Lethargie zur Grundlage
Es waren ihrer namentlich fünf, die alle jene Lethargie zum Grunde haben und zugleich fördern, von der wir Anfangs sprachen. Man will, und das war das erste Schlagwort, die Religion, die man verachtet, dem Volke überlassen. Man will aus lauter Volksfreundschaft dasjenige, was man für falsch und für töricht hält, den Massen hinwerfen, damit sie geködert werden. Wir zeigten, daß die Religion, eben wenn sie für das Volk sein soll, namentlich von denen geübt werden muss, auf welche das Volk gerne hinblickt. Und von denen es leicht lernt. Erwarten wir doch nicht von dem armen Volke, das sich den ganzen Tag abmühen muss, viel Nachdenken. Das verfährt nicht selten praktischer, und ahmt bald nach, was es beständig zu sehen bekommt. – (siehe den Beitrag: Warum christliche Religion für das Volk gut ist)
Das zweite Schlagwort »Alle Religionen sind gleich« hat einen eben solchen logischen und sittlichen Wert. Ja es spricht noch stärker die geheime Verachtung gegen jegliche Religion aus, indem es Wahrheit und Irrtum, und Gutes und Böses auf eine Stufe setzt. (siehe den Beitrag: Sind wirklich alle Religionen gleich wahr?)
Nicht minder irrig und heuchlerisch ist das dritte Schlagwort »ein rechtschaffenes Leben genügt«; als ob ein rechtschaffenes Leben ohne rechte Grundsätze bestehen könnte, als ob es eine Moral ohne Dogma gäbe, und als ob Anständigkeit, die nur den äußeren Schein reitet, oder höchstens aus einer abstrakten Idee von der Tugend beruht, ein Kult des lebendigen Gottes sein könnte, der den ganzen Menschen für sich verlangt, um den ganzen Menschen zu sich hinaufzuziehen. – (siehe den Beitrag: Die Lehre des Christentums ist immer wohltätig)
Wir betrachteten dann ferner das vierte Schlagwort, das mit der naivsten Miene von der Welt uns zuruft: »Wir glauben alle an einen Gott« und wir wiesen nach, daß dieses nicht einmal wahr ist, und jedenfalls nicht genügte, auch wenn es wahr wäre, daß vielmehr gerade der Glaube an einen Gott etwas mehr verlangt, als die Annahme eines aus den zwölf Artikeln des apostolischen Bekenntnisses. Es fiel damit auch das letzte der Schlagwörter, nämlich »daß man in der Religion fortleben müsse, in der man geboren sei«, – eine sonderbare Behauptung, die jeden Fortschritt und jede Zivilisation unmöglich machen würde, weil das Maß, das uns in der Geburt zugeteilt worden ist, auch das Maß für das ganze Leben bleiben müsste. (siehe Beitrag: Glauben wir alle an einen Gott?)
Die christliche Offenbarung Gottes ist wahr
Der Mensch ist ein religiöses Wesen
Wir beschränkten uns indessen, meine Herren, nicht darauf, derartige Hauptsätze des Indifferentismus in ihrer Hohlheit darzustellen, sondern wir stellten ihnen andere, richtige Sätze entgegen, und wir entwickelten bei Beleuchtung jener zugleich eine Reihe von Wahrheiten, die, wie mir vorkommt, logisch durchaus zusammenhängen, und die uns erst eigentlich eine volle Idee von dem geben, was Religion ist, und was die Religion von uns verlangt. Wir begannen daher damit, nachzuweisen, wie gerade der Hauptvorzug des Menschen darin besteht, daß er ein religiöses Wesen ist. Die Tiere des Feldes haben freilich keine Religion; was aber den Menschen über sie erhebt, das ist, daß er die ewige Wahrheit erkennen und dem ewigen Gute huldigen kann; und darin besteht eben die Religion – jene heilige Gottesverehrung, die den ganzen Menschen erfaßt, veredelt, und dem ewigen Herrn unterwirft, die obschon aus dem Innern hervorgehend, doch auch äußerlich notwendig sich ausprägt, und auf diese Weise im Menschen die ganze Schöpfung zu einem Anbetungs- und Lobopfer vor dem macht, der alles geschaffen hat. Ohne diese Religion kann nicht einmal das Menschengeschlecht bestehen; denn der Mensch ist zur Geselligkeit bestimmt, von ihr hat er sein Dasein, seine physische Existenz, seine Erziehung und seine Bildung, ohne Religion aber ist die Gesellschaft nicht möglich. Und weil, wie uns die Erfahrung belehrt, wie uns ein Blick in unser eigenes Innere zeigt, der Mensch so leicht von Vorurteilen geblendet, so bald von Leidenschaften getäuscht wird, so schwer zur Klarheit sich hinauf arbeitet; weil der Mensch im Allgemeinen nur mit Mühe sich bestimmte feste Ideen selbst der einfachsten Wahrheiten, auf denen die Religion beruht, aus sich allein erringen würde, wie denn dieses nach der Lehre der Geschichte sogar dem größten Genius unter den Heiden nicht gelungen ist, – so schlossen wir: die ewige Vorsehung, die Alle für die religiöse Wahrheit erschaffen hat, werde noch durch ein anderes Mittel, als die bloße Offenbarung im Reiche der Schöpfung und in der Tiefe des Gewissens ihm aufgeholfen, ja bei ihrer unermeßlichen Güte und Freigebigkeit, die sie sonst in allen Ordnungen der Dinge so glänzend bekundet, ihm wahrscheinlich außer dem gewöhnlichen noch ein neues, reiches, übernatürliches Licht verliehen haben, das noch heller strahlt und inniger verklärt. Wirklich vernahmen wir die Stimme aller Völker und hörten, wie sie alle bekannten, es habe der Himmel sich mitgeteilt, es habe der Herr gesprochen, und wir mussten daraus notwendig folgern, daß diese Stimmen, die noch dazu in so vielen Dingen einen wunderbaren Einklang dartun, wenn sie nicht schon ein Zeugnis der Wahrheit sind, doch mindestens einen Schrei der menschlichen Natur nach der Offenbarung ausdrücken, einen Schrei, der sicherlich von dem gnadenvollen Schöpfer gehört wird; ein Gebet der Erde, in ihrem Elend zum Himmel empor gesendet, das an dem Ohr der ewigen Weisheit und Liebe nicht verhallt.
Das Christentum trägt die Signatur Gottes an sich
Wir erkannten dann ferner, daß diese göttliche Rede, die sich einmal kund gegeben hat, schon von Anfang sich wird kundgegeben haben, weil von Anfang das Bedürfnis nach höherer Unterweisung da war, und wiederum daß dieses Wort von oben nicht verklingen wird, bis der letzte der Menschen vor dem Gerichte Gottes erschienen ist. Aber wir fanden auch zugleich, daß das Christentum allein die erforderliche Signatur der redenden Gottheit an sich trage, d. h. daß das Christentum in seiner einfachen Größe und in seiner heiligenden Kraft, von dem der Herr und Heiland spricht: es sei wie ein Sauerteig, der nach und nach die ganze Masse durchdringt, – auch in der Tat allein im Stande wäre, alle Verhältnisse zu durchgeistigen und zu vergöttlichen, und die ganze Erde in einen Wohnsitz des Glückes, insoweit es möglich ist, umzubilden, daß nur das Christentum, sage ich, welches die Einzelnen ordnet und die Familien weiht und den Staat sichert, die ewige wahre Offenbarung Gottes ist und sein kann. Weil nun, so schlossen wir weiter, die Offenbarung Gottes notwendig die ganze Hingabe des Menschen an dieselbe fordert, und die Religion ohne diese Offenbarung nicht besteht, so besteht auch die Religion nicht ohne vollen Glauben an Alles, was geoffenbart worden ist. Und wir prüften dieses gerade an dem, wo der Glaube sich am herrlichsten entfaltet, und beinahe hätte ich gesagt, einzig in seiner ganzen Kraft sich zeigen kann, – an den Geheimnissen.
Gottes Mund spricht nur in der katholischen Kirche
Wir wiesen nach, wie die unendliche Weisheit, die unendliche ewige Vernunft, aus ihrem eigentümlichen unnahbaren Lichte wohl einiges der menschlichen Vernunft mitzuteilen vermag, und wie in diesem Falle die menschliche endliche Vernunft nicht in dieses Labyrinth sich hineinzuwagen hat, um erst die Wahrheit festzustellen, sondern höchstens, um sich immer mehr and mehr daran zu erfreuen und zu stärken und zu begeistern; wie uns dem göttlichen Worte gegenüber im Grunde als nächste Aufgabe nur gestellt ist, die Zeugen desselben zu prüfen, und zu untersuchen, ob diese wirklich Glauben verdienen, daß Gott gesprochen hat; sobald dieses aber erwiesen ist, uns allem zu unterwerfen, was Gott gesprochen hat. Hierbei wurde es uns, dann zuletzt klar, daß dieser Gottes Mund nur in der katholischen Kirche fort und fort spricht und daß diese von Christus selbst gegründet ist, um die ewige Lehrerin aller religiösen Wahrheit zu werden. In ihr allein werden Zeugnisse des Herrn beständig übereinstimmend vernommen werden, in ihr allein ist keine Veränderung und keine Unheiligkeit der Lehre wahrnehmbar, in ihr ist wirklich eine Lehrkanzel, an die wir uns mit Zuversicht und mit vollstem Vertrauen halten können. Darum ist außer der Kirche kein Heil, weil außer der Kirche keine Wahrheit ist; sie ist die allein selig machende, weil sie allein die ganze Wahrheit bietet. Wir unterließen es dabei freilich nicht zu bemerken, daß es sich nicht um Personen, sondern um die Sache handle; über die Einzelnen wird Gott der Herr richten. Aber die Kirche ist einmal der Weg zum Himmel, den Gott bestimmt hat; wer auf diesem Wege nicht gehen will, oder aus eigener Schuld diesen Weg verläßt, der muss sich selbst es zuschreiben, wenn er das Ziel, die Heimat nicht erreicht. (siehe Beitrag: Soll man in der falschen Religion bleiben?) –
aus: Theodor Schmude SJ, Conferenzen über den religiösen Indifferentismus, 1863, S. 78 – S. 83