Die Hauchung des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn
Der Hervorgang der dritten Person wird mit Rücksicht auf ihren biblischen Eigennamen Hauchung genannt.
1. Lehre der Kirche
Der Hl. Geist geht aus dem Vater und dem Sohn als einem einzigen Prinzip durch eine einzige Hauchung hervor. De fide.
Die griechisch-orthodoxe Kirche lehrt seit dem 9. Jh., dass der Hl. Geist aus dem Vater allein hervorgeht. Eine Synode zu Konstantinopel im Jahr 879 verwarf unter dem Patriarchen Photius das „Filioque“ der Lateiner als häretisch. Im Gegensatz dazu erklärte das zweite allgemeine Konzil zu Lyon (1274) Siehe D 460.
Vgl. das Symbolum der Synode von Toledo im Jahr 447 (D 19), das Symbolum Quicumque (D 39), das Symbolum der 11. Synode von Toledo im Jahr 675 (D 277), das Caput Firmiter des 4. Laterankonzils (D 428) und das Decretum pro Graecis sowie das Decretum pro Jacobitis des Unionskonzils von Florenz (D 691, 703f). Innerhalb des Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum wird der Zusatz „et Filio“ zuerst von der 3. Synode zu Toledo im Jahr 589 bezeugt.
2. Begründung aus der Hl. Schrift
a) Der Hl. Geist ist nach der Lehre der Hl. Schrift nicht bloß der Geist des Vaters (Mt. 10, 20: „Der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet“; vgl. Joh. 15, 26; 1. Kor. 2, 11f), sondern auch der Geist des Sohnes (Gal. 4, 6: „Gott sandte den Geist seines Sohnes in eure Herzen“), der Geist Jesu (Apg. 16, 7: „Der Geist Jesu gestattete es ihnen nicht“) , der Geist Christi (Röm. 8, 9: „Wenn aber jemand den Geist Christi nicht hat, so gehört er ihm nicht an“), der Geist Jesu Christi (Phil. 1, 19: „durch die Hilfeleistung des Geistes Jesu Christi“).
Wenn die Bezeichnung „Geist des Vaters“ eine Ursprungsbeziehung zum Vater ausdrückt (=spiramen Patris oder spiratus a Patre), wie auch die Griechen zugeben, dann muss in analoger Weise auch die Bezeichnung „Geist des Sohnes“ eine Ursprungsbeziehung zum Sohn ausdrücken (=spiramen Filii oder spiratus a Filio).
b) Der Hl. Geist wird nicht bloß vom Vater (Joh. 14, 16 u. 26), sondern auch vom Sohn gesandt. Joh. 15, 26: „der Beisteher, den ich euch vom Vater senden werde“; vgl. Joh. 16, 7; Lk. 24, 49; Joh. 20, 22. Die Sendung nach außen ist gewissermaßen die Fortsetzung des ewigen Hervorgangs in der Zeit. Aus der Sendung kann man darum auf den ewigen Hervorgang schließen. Dem Senden entspricht das ewige Hervorbringen, dem Gesandtwerden das ewige Hervorgebracht werden. Da nach dem Zeugnis der Hl. Schrift der Hl. Geist vom Vater und vom Sohn gesandt wird, so ist daraus zu folgern, dass er vom Vater und vom Sohn hervorgebracht wird.
c) Der Hl. Geist empfängt sein Wissen vom Sohn. Joh. 16, 13f: „Alles, was er hört, wird er reden… Jener wird mich verherrlichen; denn er wird aus dem Meinigen nehmen und es euch verkünden.“ Das Hören und Empfangen des Wissens kann bei einer göttlichen Person nur so verstanden werden, dass sie das göttliche Wissen und die damit identische göttliche Wesenheit von Ewigkeit her von einer anderen göttlichen Person durch Wesensmitteilung empfängt. Da der Hl. Geist sein Wissen vom Sohn empfängt, muss er vom Sohn ausgehen, wie der Sohn, der sein Wissen vom Vater empfängt, (Joh. 8, 26ff), vom Vater ausgeht.
Der hl. Augustin bemerkt zu der Stelle: „Von jenem wird er es hören, von dem er ausgeht. Hören ist für ihn Wissen, Wissen aber Sein.“ (In Ioan. tr. 99,4)
Dass der Hl. Geist vom Vater und vom Sohn wie von einem einzigen Prinzip und durch eine einzige Hauchung ausgeht, ergibt sich aus Joh. 16, 15: „Alles, was der Vater hat, ist mein.“ Wenn der Sohn auf Grund seiner ewigen Zeugung vom Vater alles besitzt, was der Vater besitzt, ausgenommen die Vaterschaft und die Ursprungslosigkeit, welche nicht mittelbar sind, dann muss er auch die Hauchungskraft (vis spirativa) und damit das Prinzipsein in Bezug auf den Hl. Geist besitzen.
3. Traditionsbeweis
Die lateinischen Väter bevorzugen die koordinierende Formel: ex Patre et Filio (Filioque), die griechischen die subordinierende Formel: ex Patre per Filium. Tertullian verwendet beide. Adv. Prax. 4: „Den Geist leite ich nicht anderswoher ab als aus dem Vater durch den Sohn“ (a Patre per Filium). Ebd. 8: „Der dritte ist der Geist von Gott (dem Vater) und dem Sohne her (a Deo et Filio), wie das dritte von der Wurzel her die aus dem Schößling hervorgehende Frucht.“ Augustinus begründet den Hervorgang des Hl. Geistes aus dem Sohn in einem ausführlichen Schriftbeweis (In Ioan. tr. 99,6; De Trin. XV 227, 48).
Der hl. Athanasius erklärt: „Dasselbe eigentümliche Verhältnis, in dem wir den Sohn zum Vater wissen, obwaltet, wie wir finden werden, auch zwischen dem Geist und dem Sohn. Und wie der Sohn spricht: Alles, was der Vater hat, ist mein (Joh. 16, 15), so werden wir finden, dass dies alles durch den Sohn auch im Geiste ist“ (Ep. ad Serap. 3, 1).
Der hl. Basilius lehrt, dass „die naturhafte Güte und die naturhafte Heiligkeit und die königliche Würde vom Vater durch den Eingeborenen auf den Geist übergeht“ (De Spiritu Sancto 18, 47).
Didymus von Alexandrien, Epiphanius von Salamis und Cyrill von Alexandrien gebrauchen, wenn auch nicht ausschließlich, die koordinierende Formel. Vgl. Epiphanius, Ancoratus 7: „Aus derselben Wesenheit des Vaters und des Sohnes ist der Hl. Geist.“
Johannes von Damaskus bestreitet zwar, dass der Hl. Geist aus dem Sohne ist, lehrt aber, dass er der Geist des Sohnes ist und dass er durch den Sohn vom Vater ausgeht (De fide orth. I 8.12). Er leugnet damit nicht das Prinzipsein des Sohnes überhaupt, sondern nur, dass er Urprinzip ist wie der Vater.
Die koordinierende Formel und die subordinierende Formel stimmen im wesentlichen überein, insofern sie beide das Prinzipsein sowohl des Vaters als auch des Sohnes bezeugen, ergänzen sich jedoch. Während in der ersteren vor allem die Einzigkeit und das Ungeteiltsein des Prinzips zum Ausdruck kommt, hebt letztere wirksam hervor, dass der Vater das Urprinzip ist (vgl. Augustinus, De Trin. XV 17, 29: de quo procedit principaliter), der Sohn aber als „Gott von Gott“ abgeleitetes Prinzip, insofern er mit seinem Wesen auch die Spirationskraft vom Vater empfängt. Vgl. D 691.
4. Spekulative Begründung der Scholastik
Da der reale Unterschied der göttlichen Personen ausschließlich in einem Gegensatz der Ursprungsbeziehungen begründet ist (D 703), so ist kein Grund für die hypostatische Unterscheidung des Sohnes und des Hl. Geistes gegeben, wenn der Hl. Geist nicht auch vom Sohn ausgeht. Vgl. S. th. I 36,2. –
aus: Ludwig Ott, Grundriss der Dogmatik, 1954, S. 75 – S. 77
siehe auch den Beitrag: Der Heilige Geist erhält die Kirche
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