Geschichte der Andacht zum kostbaren Blut
In einem Sinne und in einem sehr beachtenswerten Sinn ist die ganze Geschichte der Kirche eine Geschichte der Andacht zum kostbaren Blut; denn sie ist eine Geschichte von der Predigt des Evangeliums und von der Verwaltung der Sakramente. Sie ist die hervorragende Andacht der dogmatischen Theologie; denn sie ist diejenige, auf die die Lehre von der Erlösung das größte Gewicht legt.Aber wir sprechen hier von ihr mehr als von einer eigenen und besonderen Andacht.
Sie scheint ohne Zweifel als solche im Geist und Herzen des heiligen Paulus gelebt zu haben, wenn wir nach der augenscheinlichen Vorliebe, womit er in seinen Briefen dabei verweilt, urteilen dürfen, sowie nach de Wiederholungen, die er absichtlich macht, wie wenn sie für seine Liebe besonders wohltuend wären.
Wir können ihn den Lehrer des kostbaren Blutes und den Urheber der besonderen Andacht zu ihm nennen. In dieser Andacht lag die Stärke seines apostolischen Triebes. Sie war die natürliche Frucht der besonderen Herrlichkeit seiner Bekehrung und Berufung.
Unter den Vätern haben wir den heiligen Chrysostomus im Morgenland und den heiligen Augustin im Abendland, die als auffallende Beispiele einer besonderen Andacht zum kostbaren Blut angesehen werden können. Der Seeleneifer, der im heiligen Chrysostomus brannte, und die Begeisterung für die Freigebigkeit der erlösendenGnade, die bei dem heiligen Augustin eine vollkommene Leidenschaft war, erklären die hervorragende Stellung dieser Andacht in ihren Schriften.
Unter den Heiligen sind die Offenbarungen der heiligen Gertrud voll der süßesten und tiefsten Dinge über das kostbare Blut.
Aber die Andacht scheint ihre moderne Form und ihren Bestand hauptsächlich in der heiligen Katharina von Siena anzunehmen, die wir mit Recht die Prophetin des kostbaren Blutes nennen können. (1) Sie hat diese Andacht mit einer augenscheinlichen Vorliebe ausgewählt und sie hat sie ausgewählt als ein für ihre Zeiten notwendiges Heilmittel, auf das nach ihrem Urteil nicht das gehörige Gewicht gelegt worden war.
Wir lesen von Osanna von Mantua, daß sie, so stark war ihre Andacht zum kostbaren Blut, nie irgend ein menschliches Blut sehen konnte ohne sogleich in Verzückung zu geraten.
In Verbindung mit ihrer außerordentlichen Andacht zur Person des ewigen Wortes hatte die heilige Maria Magdalena von Pazzi auch eine besondere Andacht zum kostbaren Blut.
Das Leben der Heiligen ist natürlich voll von Beispielen der Andacht zum kostbaren Blut, und es wäre unmöglich sie alle aufzuzählen. Es mag genügen einige Proben zu geben.
Die ehrwürdige Maria Franziska von den fünf Wunden, eine Alcantarinerin zu Neapel, wurde vom heiligen Raphael aus dem Kelch getränkt, während der Priester ihn zur Zeit der heiligen Messe vermißte und eine Abnahme des heiligen Blutes bemerkte. Wir können kaum zweifeln, daß diese Gnade die Erhörung eines inbrünstigen Verlangens war und eine Belohnung für eine besondere Andacht zum kostbaren Blut. (2)
In jenem bewunderungswürdigen und köstlichen Repertorium der geistlichen Wissenschaft, in den Chroniken der französischen Karmeliterinnen, lesen wir von Franziska von der Mutter Gottes, daß eines Tages vor der Kommunion jene Worte der Apokalypse ihrem Geist tief eingeprägt wurden: „Er hat uns geliebt und unsere Sünden abgewaschen in seinem Blut.“ Sogleich sprach unser Herr zu ihr innerlich: „Ich habe mein Blut für deine Sünden vergossen, und nun komme ich in der heiligen Kommunion um die Flecken abzuwaschen, die noch zurück geblieben sind.“ Als sie unsern Herrn empfangen hatte, sah sie ihre Seele ganz mit Blut bedeckt. (3)
Im Leben der ehrwürdigen Anna von Jesus, der Gefährtin der heiligen Theresia, lesen wir, daß sie einst bei der Kommunion ihren Mund voll süßen Blutes hatte, das aus der Hostie floss, und ei andermal hatte sie eine Vision von der Freude, die eine unendliche Zahl von seligen Geistern im Himmel an jenem Blut haben. (4)
Marcello Benci sah oft, wenn er dem heiligen Philipp bei der Messe diente, nach der Konsekration den Kelch voll Blut. (5)
Margaretha von Beaune, die Karmeliterin, ist in der Kirche wohl bekannt durch die neuen Andachten zum Jesuskind, womit sie sie bereicherte. Patrignani sagt uns in seinem Leben von ihr, daß sie das Blut Jesu in den Seelen der Menschen so gewöhnlich sah und sie dadurch so verschönert erblickte, daß sie niemand, wenn auch mit Recht, schmähen hören konnte, weil sie sogar vor lasterhaften Seelen eine Ehrfurcht empfand wegen des Blutes Jesu, das sie in ihnen erblickte. (6)
Als Margaretha vom Leiden Christi, eine Karmeliterin zu Rouen, auf dem Totenbett lag, sagte sie, das Blut Jesus sei auf sie angewandt worden und habe ihr einen kurzen und leichten Schmerz verursacht, während es ihre Seele mit Gott erfüllt, ihr einen tiefen Frieden eingegossen und alle ihre Sünden verziehen habe. (7) Aber es ist unnötig noch mehr Beispiele anzuführen.
(1) Man sollte sich jetzt ins Gedächtnis zurück rufen, daß es einst Gott gefiel, Italien durch die heilige Katharina von Siena zu retten und den Papst wieder in Rom einzusetzen.
(2) Vita p. 155.
(3) Chroniques II, 595. 596.
(4) Vid. p. 512. 513.
(5) Bacci, Vita di S. Filippo Neri p. 82. (Deutsch bearbeitet von Reiching, Regensburg, Manz 1859)
(6) Vita p. 99.
(7) Chroniques II, 417. –
aus: Frederick W. Faber, Das kostbare Blut oder Der Preis unserer Erlösung, 1920, S. 344 – S. 347