Kirchenlexikon: Das kostbare Blut Christi
Der Ausdruck entlehnt aus 1. Petr. 1, 19, bezeichnet das Blut unseres Herrn und Erlösers, das einen Teil seiner heiligen Menschheit bildet, in den Tagen der Passion vergossen und bei der Auferstehung in verklärtem Zustand wieder mit dem Leib des Herrn vereint wurde.
Ist es als Teil der Menschheit Christi schon im höchsten Grade verehrungswürdig, so wird seine Verehrungswürdigkeit noch gemehrt durch den Umstand, daß die heilige Schrift es als den eigentlichen Preis der Erlösung und als das Sühnopfer für die Sünden der Menschheit bezeichnet (Offenb. 1, 5; 5, 9;1. Petr. 1, 19). Der dogmatische Grund aber, warum ihm die höchste Verehrung, der cultus latriae, Anbetung im wahren und eigentlichen Sinn wie dem heiligen Fronleichnam gebührt, ists eine Vereinigung mit der Gottheit. Nach der Lehre der heiligen Väter und der katholischen Theologen ist das heilige Blut des Herrn unmittelbar mit der zweiten Person der Gottheit vereinigt.
Finden sich bei den vortridentinischen Theologen in Bezug auf diesen Satz noch einige Schwankungen, so wird er von den nachtridentinischen mit großer Übereinstimmung behauptet und verteidigt. Denn nach der Lehre des Konzils von Trient (Sess. XIII, c. 3) bildet das Blut des Herrn, das im Sakrament unter den Gestalten des Weines gegenwärtig ist, ebenso einen Teil seiner menschlichen Natur, wie das Fleisch, das unter den gestalten des Brotes da ist. Hat nun der Sohn Gottes die menschliche Natur in sich aufgenommen und mit sich vereinigt, so sind selbstverständlich ihre Teile in derselben Weise mit der zweiten Person der Gottheit vereinigt.
Größer als die Schwankung unter den vortridentinischen Theologen, wenn es sich um die Frage handelt, ob auch das in der Passion vergossene und bei der Auferstehung wieder angenommene Blut des Herrn mit der Gottheit hypostatisch vereinigt blieb. Einige von ihnen stellen zwar nach dem Vorgang der hl. Väter den Satz auf: „Die Teile der menschlichen Natur, die vom Sohn Gottes unmittelbar in die hypostatische Vereinigung aufgenommen wurden und bei der Auferstehung in verklärtem Zustand wieder angenommen werden sollten, verloren die Vereinigung auch im Tode nicht; wie mit der Seele des Herrn und seinem heiligen Leib, blieb darum die Gottheit auch mit dem Blut vereinigt.“
Andere haben aber dagegen ihre Bedenken, und unter dem Pontifikat Pius` II. im 15. Jahrhundert brach gerade über diesen Gegenstand zwischen den Franziskanern und Dominikanern ein heftiger Streit aus. Als nämlich der Minorit Jacobus della Marca in einer am Ostersonntag 1462 zu Brescia gehaltenen Predigt behauptete, mit dem während der Passion vergossenen und auf dem Boden herum liegenden Blut des Herrn habe die hypostatische Vereinigung nicht fortgedauert, und darum gebühre ihm auch nicht Anbetung, ziehen die Dominikaner mit Berufung auf ein von Clemens VI. an den Großinquisitor von Aragonien, Nikolaus Roselli, erlassenes Dekret (dessen Existenz sich aber nicht nachweisen läßt) öffentlich in der Schule und auf der Kanzel die Behauptung des Franziskaners des Irrtums und der Häresie. Der Bischof von Brescia, an den sich die Franziskaner gewendet hatten, urteilte nach eingehender Prüfung der Streitfrage, beide Meinungen könnten bis zu einer Entscheidung des heiligen Stuhles ungestraft gelehrt werden.
Die Sache wurde sofort vor den heiligen Stuhl gebracht. Pius II. ordnete eine öffentliche (wohl die feierlichste) Disputation an; dieselbe wurde von Vertretern beider Orden in Gegenwart des Papstes, aller Kardinäle und der übrigen in Rom anwesenden kirchlichen Würdenträger gehalten, führte aber zu keinem endgültigen Resultat. In der Konstitution Infallibilis vom 8. August 1464 wurde den Dominikanern verboten, die Behauptung der Franziskaner für häretisch oder sündhaft zu erklären, bis darüber entschieden sei (vergl. Gener. I, 30).
Eine lehramtliche Entscheidung ist zwar nicht erfolgt; es gibt aber seit dem Konzil von Trient wohl kaum mehr einen bedeutenden Theologen, der die hypostatische Vereinigung des vergossenen Blutes nicht lehrte. Denn nachdem das Konzil gesagt hat, daß das kostbare Blut ebenso wie das heilige Fleisch einen Teil der Menschheit Christi bildet, ist vom Blut das zu lehren, was vom Fleisch des Herrn allgemein gelehrt wird, daß es nämlich unmittelbar mit der Gottheit vereinigt ist und auch nach dem Tode noch vereinigt blieb (vgl. De Lugo, De Incarn. Disp. 14). Viele Theologen geben zu, daß bei der Auferstehung nicht das ganze vergossene Blut vom Herrn wieder aufgenommen wurde, sondern daß einzelne Blutspuren am Kreuz, an den Nägeln, an den Stricken, auf dem Boden usw. zurück geblieben sind.Es ist daher nicht unmöglich, daß man in einigen Kirchen Reliquien des kostbaren Blutes besitze; diese sind aber ebenso wenig mit der Gottheit vereinigt als jene sogen. Reliquien des kostbaren Blutes, die nach verschiedenen Berichten konsekrierten Hostien oder Bildern des Herrn entquollen sind, und dürfen darum auch nicht eigentlich angebetet werden. (Vgl. Franc. Collii L. De Sanguine Christi, Mediolani 1612) –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 2, 1883, Sp. 926 – Sp. 928