Die wahre Lehre vom Teufel
Teil 3: Der Teufel in der Zeit des Humanismus und Reformation
Das goldene Zeitalter der Zauberei und Hexerei
Von der Zeit an, da die frühere Kirchlichkeit und Gläubigkeit abstarben, seitdem man anfing, nicht bloß die Kunst und Literatur des alten Heidentums, sondern dessen Geist selber als den Inbegriff aller Bildung zu betrachten, d h. seit dem Sieg des Humanismus und mit dem Einzug der Renaissance, war es gerade, als ob der Teufel Besitz von der Welt genommen hätte. Je trüber die Lampe im Hause Gottes brannte, um so ärgeren Spuk glaubte der Geist, der sich aus der schützenden Nähe Gottes entfernt hatte, in allen Winkeln zu sehen. Man schrieb dem Teufel eine Macht zu, neben der die göttliche kaum noch zur Geltung kommen konnte. Nicht das geringste Übel konnte sich ereignen, ohne daß man den Teufel dahinter sah, kein Wunsch stieg im Herzen auf, den man nicht durch seine Hilfe befriedigen zu können glaubte. Jedes Wetter hatten die Hexen gemacht, jede Krankheit, jeder Misswuchs, jedes Ungeziefer kam von ihnen. Kein Wunder, daß sich immer mehr deren fanden, die durch dieses Vorurteil angesteckt sich in Wirklichkeit furchtbar oder merkwürdig zu machen suchten. Aber auch kein Glück, keine Geistesgabe, keine Wissenschaft, die nicht vom Teufel verliehen werden konnte. Von ihm kam das Gold, er machte hieb- und schussfest, er verschaffte Zauberspiegel, Freikugeln und Liebeszauber, er trug als dienstbarer Hausgeist durch die Lüfte, er verschaffte jeden Genuss, den das ausschweifende und unmäßige Geschlecht erdenken konnte. (Menzel, Geschichte der deutschen Dichtung II 147ff) Das war die goldene Zeit der Zauberei und des Hexenwesens.
Seine Ausbildung erhielt dieser Unfug nach den bestimmtesten und unzuverlässigsten Zeugen erst seit dem Niedergang der mittelalterlichen Glaubenszeit, gegen das Jahr 1350 (Görres, Mystik III 54; Cantù-Lacombe, Hist. Univ. XIV 461) Es kann keinen Zweifel unterliegen, daß der eben damals wieder erwachende Humanismus auch diese unheimliche Erbschaft aus dem klassischen Heidentum her der neueren Zeit überlieferte. Nur trat jetzt ein ebenso düsteres Erbstück aus den altgermanischen Mythologien und wohl auch ein starker Rest orientalischen, durch die manichäischen Sekten des Mittelalters und durch die jüdische Kabbala vermittelten Aberglaubens damit in Verbindung.
Aus der Mischung dieser drei Bestandteile entstand das, was wir unter Hexerei verstehen. Der altgermanische Sauerteig bildete augenscheinlich den gärenden Untergrund. Daher denn auch die Hexerei im eigentlichen Sinn zumeist in den germanischen Ländern, am schlimmsten von der Mitte des 15. bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts, grassierte.
In den rein romanischen Gegenden tritt um dieselbe Zeit überall, wo der Humanismus seine verheerenden Wirkungen äußert, der abergläubische Teufelsdienst mehr in der alten Form der Zauberei auf. In Spanien kam die Hexerei nie recht empor. Zu einer Zeit, da sie in Deutschland die unbestrittene Herrschaft führt, spotten Lope de Vega und Augustin de Salazar über die als über einen Wahn des Pöbels. (Schack, Geschichte der dramat. Literatur in Spanien II 15f)
Das Hexenwesen im 17. und 18. Jahrhundert
Erst im 17. und 18. Jahrhundert treibt das Hexenwesen, aber auch nicht in der echten, sondern in bedeutend veränderter Form einen neuen Zweig in Frankreich. Der Moder, welchen Jansenismus, Freigeisterei und Zügellosigkeit dort anhäuften, war der üppige Boden, auf dem dieser zweite giftige Nachtrieb der Hexerei mit allen seinen, oft hoch verfeinerten, Abzweigungen aufschloss. Stoße sich niemand daran, daß wir das Zeitalter Ludwigs XIV. und Ludwigs XV. hierher ziehen. Es bildet sogar einen hervorragenden Abschnitt in der Geschichte des Hexenwesens. Denn wenn die Kränzchen der echten Preziösen, welche Molière den Stoff zu seinen Spöttereien geliefert haben, wenn die Salons, in denen die Brinvilliers und die Boisin und ihre Schülerinnen Pulver für Erben, wie man sich durchsichtig genug ausdrückte, an die Herzoginnen und Marquisen der feinsten Gesellschaft verkauften, wenn die Konvulsionäre und die Propheten-Schulen, die Vorläufer der Kamisarden, wenn jene geheimen Orden und Gesellschaften, in denen wir die Herren und Damen der höchsten Kreise um den Grafen von Saint-Germain, um Casanova und Cagliostro geschart finden, wenn, sagen wir, derlei Erscheinungen nicht in das Kapitel des Hexenwesens gehören, dann dürfen wir kühn sagen, daß es nie Hexerei gegeben habe.
Der Teufelswahn in der Zeit Luthers
Wo die Dinge in der Welt, und zwar sowohl in den rohesten, als in den feinst gebildeten und angesehensten Schichten also stehen, da darf es niemand Wunder nehmen, daß die Macht Satans so groß ist. Nichts desto weniger kann es nie gerechtfertigt werden, wenn man dessen Einfluss derart übertreibt, daß er schließlich als die einzige geistige Gewalt erscheint, die in der Welt tätig sei. Das heißt dem Bösen geradezu die Welt ausliefern. Betrachtet man aber die seit Ende des 15. Jahrhunderts in den Köpfen spukenden Anschauungen, so muss man sagen, daß es damals wirklich also geschah. Die Phantasie des Menschen beschäftigt sich seit jener Zeit fast nur noch mit dem Feind alles Guten. Man sieht an jeder Wand den leibhaftigen Gottseibeiuns. Der Schrecken vor ihm lähmt jede Kraft des Widerstandes, mag das Übel noch so groß sein. Der Glaube an Gottes Vorsehung und an das Eingreifen guter Mächte in unsere Geschicke flackert nur noch schwach, gleich einer dem Erlöschen nahen Flamme. Es braucht dann nur noch die dogmatische Verirrung der Reformation, und das urteil ist vollendet. Selbst nichts als ein toter Klotz, unfähig zu jedem Guten, bloß imstande zu sündigen, wie diese lehrt, hält sich naturnotwendig der Mensch für unfähig zur Abwehr des Bösen. In einer Umgebung, in welcher Rohheit und bittere Leidenschaft wie eine entfesselte Windsbraut toben, glaubt der getrübte Blick keinen Funken von etwas Gutem mehr zu entdecken. Dafür muss das Böse leibhaftige und sichtbare Gestalt, ja Fleisch und Blut annehmen.
Das ist die Stimmung Luthers. Die Hauptrolle in seinen Schriften wie in seinem Gedankenkreis spielt der Teufel. Weht ihm der schneidende Windstoß auf einem Ritt durchs Schneefeld das Barett vom Greisenhaupt, so haben das entweder die Juden oder die Ränke des Teufels getan. Jede Magenbeschwerde nach einem etwas längeren Mahl rührt von Gift her, das ihm der Teufel beigebracht haben muss. Noch erzählt die Tintenklecks-Reliquie, wie ihm der Unhold selbst auf dem festen Schloss nicht Ruhe gönnte. Die ganze Geschichte der Welt, das Papsttum natürlich vor allem, Schwarm- und Rottengeister, Juristen und Türken, Messe und Mönche und Vernunft zusamt den Parisischen und Löwenschen Eseln, alles, alles ist vom Teufel, genau wie bei Mohammed, und gehört auf ewig auch dem Teufel.
Es dreht sich alles um den Teufel
Natürlich mussten sich in den Geistern, die von ihm ihre Lebensauffassung borgten, die gleichen Anschauungen geltend machen. Sie lebten sich mit wahrer Glaubens-Überzeugung in den Gedanken hinein: Ein Christ soll wissen, daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm der Teufel näher ist denn sein Rock oder Hemd. (Wander, Sprichwörter-Lexikon IV 1067, Nr. 197) Es dreht sich auf lange hinaus in Geschichte und Kirchenlied, in Predigt und Satire alles um den Teufel. Insbesondere tritt die orthodoxe lutherische Dogmatik mit allem Nachdruck dafür ein, daß er ja nicht aus seinem Besitzstand verdrängt werde. Der lutherische Abraham a Sancta Clara, Johann Balthasar Schuppius, der sich selber mit dem Namen des Luzianischen Speivogels brüstet, läßt in einer seiner Satiren ein ganzes Schiff voll Teufel nach Dordrecht fahren. Die Reformierten wollen dort Synode halten. Ihnen sind dies endlosen Teufeleien denn doch unausstehlich geworden. Sie wollen beschließen, daß die Sünde und alles, was in der Welt geschieht, von nun nicht mehr dem Teufel zugeschrieben werden dürfe, sondern daß alles Unheil, wie sich das für rechtschaffene Calvinisten von selbst versteht, Gott zugerechnet werden müsse. Das ist dem Hamburger Pastor unerträglich. Flugs sendet er eine Schiffsladung von Teufeln zu ihnen hinab. Diese sollen gegen den Beschluss Protest erheben und erklären, sie würden es nimmer dulden, daß man ihrer Ehre nahe trete und ihren lang geübten Rechten Eintrag tue.
Dem Gesagten zufolge erklärt sich leicht, wie um jene Zeit eine so große Menge von Teufelsschriften an das Licht treten konnte, und warum diese alle so großen Anklang und so viele Auflagen und Nachahmungen erlebten. Damit diese kostbaren einzelnen Stücke der Nachwelt nicht verloren gingen, veranstaltete man eine große Sammlung von ihnen, die in wiederholten, jedesmal vermehrten Ausgaben erschien, ein Beweis dafür, wie groß die nachfrage war. Das Titelblatt des genannten Sammelwerkes belehrt uns noch heute ausdrücklich darüber, daß dieser Quark „ein sehr nützliches, verständiges Buch“ sei. Man hätte diesem großen Buch, einem der bezeichnendsten für die Kulturgeschichte jener Zeit, keine Überschrift geben können, welche besser die ganze Richtung der Geister von damals aussprach als die, welche es trägt: Theatrum diabolorum.
Die ganze Geschichte ist eine Schaubühne des Teufels
In Wahrheit ist die ganze Welt und ihre gesamte Geschichte vom Standpunkt dieser Anschauung aus eine Schaubühne der Teufel. Alles hat da der Teufel allein auf dem Gewissen. Auf ihn reden sich die Bösen aus. Über ihn jammern die Guten. An ihn glaubten sogar die Freigeister noch. Die Gläubigen schwören schon gar nicht mehr höher als auf ihn. Die von so vielen Übeln heimgesuchte Menschheit wird in hellen Zorn hinein gepredigt wider den „Bettelteufel“, den „Wucherteufel“, den „Faulteufel“. Der Geldnarr erfährt aus einer „Predigt“ von Brandmüller, daß es der „Geizteufel“ sei, der ihm seine Leidenschaft angetan habe. Lügnern und Lästerern verkündigt Porta im „Lügen- und Lästerteufel“, dem leichtsinnigen jungen Volk Florian Daul im „Tanzteufel“, den hohen Herrschaften Albert von Blankenberg im „Junker- und und Geizteufel“ die gleiche tröstende Wahrheit. Uneinige Eheleute brauchen sich selber keinen Vorwurf mehr zu machen, seitdem der „Eheteufel“ so gefällig war, ihnen die Verantwortung abzunehmen.
Überhaupt hat es mit den bisherigen Gewissensbissen ein Ende, nachdem Dezimator gefunden, daß es nur der „Gewissensteufel“ sei, der den Menschen das Herz so schwer mache. Mit dem leidigen Durst hatten sich die germanischen Recken und Ritter schon seit Tacitus` Zeiten herum gebalgt. Aber stets mussten sie gegen ihn den kürzeren ziehen. Diese traurige Tatsache forderte zum ernsten Nachdenken darüber heraus, woher doch diese Übermacht. Ganz mit natürlichen Dingen konnte die Sache nicht zugehen, so viel hatte man schon lange gemerkt. Aber auf den eigentlichen Grund war man in den finsteren Zeiten des Mittelalters nie gekommen. Nun entdeckte Friedrich mit einem Mal die wahre Ursache in dem „Saufteufel“. Ja natürlich, wenn sich der Übermächtige selber hinter Bier und Met und Wein versteckte, dann konnte den deutschen Helden alle Kraft und Tapferkeit nichts helfen. Man begreift, daß diese Entdeckung vor allen übrigen wichtig war. Es hat denn auch unter all diesen Schriften keine so viele Auflagen erlebt als die genannte, die im Jahre 1557 in Frankfurt an der Oder das Licht der Welt erblickte. Noch 1679 erschien in Nürnberg eine Nachahmung von Hartmann. Was aber dem einen recht ist, das ist dem andern billig. Warum sollten gerade die Trinker und die uneinigen Eheleute und die Lästerer und die tanzlustigen Mädchen das Vorrecht haben, daß ihnen der Böse die Verantwortung für ihre Fehler abnahm? Wenn er diese tragen konnte, so musste er so gefällig sein, auch die übrigen Sünden der Menschen auf seine Rechnung zu übernehmen. Darum gibt es bald kein Laster der Zeit mehr, für das nicht ein eigener Teufel entdeckt wird. Man braucht nur zu sehen, an welche Teufel man damals glaubte, und man weiß auch, in welchen Sünden die Menschen jener Zeit lebten. –
aus: Albert M. Weiß, Apologetik, Bd. II Humanität und Humanismus, 1908, S. 538 – S. 544