Der Sabbat und der Sonntag
(Gen. 2, 3)
„Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn, weil er an demselben ruhte von seinem ganzen Werke, das er geschaffen hatte.“ (1)
Gott sonderte also diesen Tag von den übrigen aus und drückte ihm einen geheiligten Charakter auf, damit an demselben der Mensch von seinem gewöhnlichen Tagewerk ruhe und in dieser Ruhe Zeit und Gelegenheit habe, an Gott, an seine eigene Bestimmung, an das ewige Ziel an seines irdischen Wirkens zu denken, an Gott und göttlichen Dingen sich zu erfreuen, die Mittel der Belehrung, des Gebetes, der Gnade, die Gott ihm besonders an diesem Tage geben will, zu benützen, und so der ewigen Ruhe sich zu versichern, für die sein gütigster Schöpfer ihn bestimmt und erschaffen hat.
Für uns Christen ist an die Stelle des siebten der erste Wochentag getreten; die Bedeutung aber ist für uns dieselbe geblieben, doch in einem erhabeneren Sinn. Denn das Werk der Erlösung, das am Sonntag durch die glorreiche Auferstehung des Herrn bekräftigt und wieder an einem Sonntag durch die Sendung des Heiligen Geistes besiegelt wurde, ist eine geistige Schöpfung, erhabener und wunderbarer als die der sichtbaren Welt. Dem Andenken daran ist deswegen die Ruhe des Sonntags mit noch höherem Recht geweiht; noch viel größer sind die Mittel der Heiligung, die wir Christen an diesem Tage uns aneignen sollen, um dereinst zur ewigen seligen Ruhe des Himmels zu gelangen.
Im einzelnen kann man die Ausdrücke dahin erklären: Gott segnete den siebten Tag, d. h. er legte eine Fülle des Segens in ihn nieder, zahlreiche Gnaden, die dem Menschen nötig sind, um zu seinem übernatürlichen Ziele zu gelangen. So ist sein Heil geradezu an die Beobachtung des Sabbats geknüpft, derart, daß ihn dieselbe der Mensch Gott und dem Himmel entfremdet wird, in religiöse Stumpfheit und Unwissenheit, in niedrige, gemeine Gesinnung versinkt und in Bezug auf sein übernatürliches Leben verwildert. – Gott heiligte ihn, d. h. er nahm ihn aus den übrigen Tagen heraus, die den irdischen Arbeiten gehören, und gab ihm einen heiligen Charakter; es ist „der Tag des Herrn“. Daher sagt Gott selbst: „Gedenke, daß du den Sabbat heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun; am siebten Tage aber ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Nicht sollst du an demselben irgend eine Arbeit tun; denn in sechs Tagen hat der Herr denHimmel und die Erde und das Meer gemacht, und alles, was darin ist; aber am siebten Tage ruhte er; deswegen segnete der Herr den Tag des Sabbats und heiligte ihn.“ (2) Von der Einsetzung des Sabbats ist wohl zu unterscheiden das (spätere) Gebot über die Sabbatheiligung, wie es durch Moses gegeben wurde. Doch erscheint der Sabbat seiner Bestimmung nach als die erste Anordnung einer äußerlichen Gottesverehrung, und es ist nach dem ganzen Zusammenhang unserer Stelle anzunehmen, daß dieses Anordnung gleich den ersten Menschen kund getan wurde. Er ist zunächst eingesetzt, damit der Mensch sich vor allem dankbar an die Schöpfung und an die Macht und Güte seines Schöpfers erinnere und sich selbst als Ebenbild und Kind Gottes erkenne. (3) Ferner soll er in der Ruhe des Leibes von irdischer Arbeit seines ewigen Zieles gedenken, seine Seele in Gott ruhen lassen. Endlich soll er auch diesen Tag als einen von Gott gesegneten und geheiligten feiern durch besondere Verehrung Gottes. – Später knüpfte Gott an den Sabbat noch drei weitere Bedeutungen: daß er nämlich auch ein Gedächtnis sei er Errichtung des Bundes Gottes mit seinem Volk (4), der Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft, sowie der Freiheit der Kinder Gottes überhaupt (5), endlich ein Vorbild und Mittel des Einganges in die Ruhe des Messias in der Kirche Gottes auf Erden, sowie der einst im Himmel. (6)
Im Neuen Bunde trat der Sonntag an die Stelle des Sabbats und vereinigte mit dessen Bedeutung die Erinnerung an das Werk der Erlösung, das bekräftigt ist durch die Auferstehung des Herrn (7) und besiegelt durch die Sendung des Heiligen Geistes (8), die Stiftung der Kirche des Neuen Bundes und Teilnahme an allen Gnaden desselben (9); ferner das Gedächtnis und die Übung einer viel erhabeneren Kindschaft Gottes und viel edleren Freiheit, die uns der Sohn Gottes erworben hat. (10)
So ist, wie der Heiland selbst sagt, „der Sabbat um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen; darum ist der Menschensohn auch Herr über den Sabbat“ (11), d. h. der Sabbat ist als Zeichen der Würde und zum geistigen Wohl und ewigen Heil der Menschen eingesetzt; darum kann ihr Erlöser alles tun und gestatten, alle die Werke erlauben, die dazu beitragen. (s. Sonntagsgebot: Was der Katholik wissen sollte)
Anmerkungen:
(1) V. 3
(2) Ex. 20, 8-11; 31, 13ff; Ir. 17, 19-27
(3) Er soll such zugleich als Kind Gottes beweisen dadurch, daß er auch seinen Knechten und Sklaven und selbst seinem Vieh diese Erholung gönnt (Ex. 23, 12).
(4) Ex. 31, 13-17.
(5) Dt. 5, 12-15.
(6) Ps. 94, 11; vgl. Hebr. 4, 3.
(7)1. Kor. 15, 14 20f.
(8) Joh. 16, 7.
(9) Apg. 20, 7; 2, 1; Mk. 16, 2 19; Offb. 1, 10 ist wohl der Gerichtstag gemeint.
(10) Röm. 8, 16f.; Joh. 8, 36.
(11) Mk. 2, 27f. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 138 – S. 140