Das Urteil im Gericht wird sofort vollzogen

Das jüngste Gericht gemalt von Fra Angelico

Das Urteil im letzten Gericht wird sofort vollzogen

5. Auf Grund dieses offenen Tatbestandes wird das Urteil gefällt und auch sogleich vollzogen: denn derjenige, welcher es ausspricht, ist ausgerüstet mit der Allmacht, die seine Worte unmittelbar verwirklicht. Das Urteil lautet aber auf der einen Seite:

„Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters!“ Auf der andern: „Hinweg von mir, ihr Verfluchten!“

Die Einen werden also berufen zur innigsten Gemeinschaft mit Christus, welche zugleich Mitbesitz und Mitgenuss seiner himmlischen Herrlichkeit ist: „Nehmet in Besitz das Reich, das euch bereitet ist von grundlegend der Erde an.“ Die Anderen aber werden ewig aus seiner Gemeinschaft verstoßen und in die Gemeinschaft des Teufels und seiner Qualen verwiesen, dem sie sich als Diener und Werkzeuge hingegeben haben. „Weichet von mir in das ewige Feuer, welches bereitet ist de Teufel und seinen Engeln.“ Der unmittelbare Vollzug dieses Urteils ist ausgesprochen in den Worten: „Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.“ (Matth. 25, 34ff) Die Entscheidung der großen Frage, ob die Menschheit das ihr vorgesteckte Ziel erreicht oder verfehlt hat, endet also in einer Scheidung der Menschheit in zwei Teile, zwischen denen von nun an eine unübersteigliche Kluft befestigt (Luk. 16, 26) und jedes Band der Gemeinschaft zerrissen ist. Es ist diejenige Scheidung, welche Christus in mehreren Gleichnissen als die Vollendung des Himmelreiches voraus gesagt hat: es ist die Ausrottung des Unkrauts aus dem Acker, die Trennung der Spreu vom Weizen, die Ausscheidung der guten von den schlechten Fischen (Matth., die er dann erklärt in den Worten: „Der Menschensohn wird seine Engel aussenden, und sie werden zusammen lesen aus seinem Reich alle Ärgernisse und alle, die Unrecht tun… Sie werden ausgehen und die Bösen ausscheiden aus der Mitte der Gerechten und sie in den Feuerofen werfen; dort wird Heilen und Zähneknirschen sein“ (Vers 41, 49f). So werden endlich die Gerechten ein für allemal befreit von der Tyrannei und der Verführung der Ungerechten, und das Reich Gottes, die Kirche, wird in den Zustand ihrer Vollkommenheit eintreten, wo sie erst ganz heilig ist, weil sie nur mehr aus Heiligen besteht, und wo Christus sie „darstellt als seine herrliche Braut, so daß sie nicht habe Makel oder Runzel oder etwas dergleichen, sondern daß sie sei heilig und untadelig“ (Eph. 5, 27), und wo er sie darum in sein himmlisches Brautgemach einführt.

6. Dieses Richteramt, das Christus vermöge seiner göttlichen Natur und seines menschlichen Verdienstes besitzt und ausübt, teilt er auch in einem gewissen Maß seinen Heiligen mit. Denn seinen Aposteln verheißt er: „Wahrlich, ich sage euch, die ihr mir nachgefolgt seid – bei der Neugestaltung, da der Menschensohn sitzen wird auf dem Thron seiner Herrlichkeit, da werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und richten die zwölf Stämme Israels“ (Matth. 19, 28), und der hl. Paulus sagt: „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen über die Welt richten erden… Wisset ihr nicht, daß wir Engel richten werden?“ (1. Kor. 6, 2f) Dieses Richteramt der Heiligen kann aber nur eine Teilnahme an dem Richteramt Christi sein und sich nicht auf den ganzen Gerichtsakt erstrecken. Über sich selbst können sie nicht das Urteil sprechen, als insofern „ihr Gewissen ihnen Zeugnis gibt und die Gedanken untereinander sich anklagen oder auch verteidigen an dem Tage, da Gott richten wird das Verborgene der Menschen“ (Röm. 2, 15) Sobald aber das beseligenden Urteil über sie gesprochen ist, treten sie kraft desselben sogleich in den Mitbesitz des Königtums Christi und richten nun vereint mit ihm die Gottlosen.

7. Die Gerichteten sind zunächst die Menschen, und zwar alle Menschen, die Menschheit als ein ganzes, jedoch so, daß das besondere Gericht jedes einzelnen Menschen in dieses allgemeine Gericht mit aufgenommen ist. Diese Allgemeinheit wird auch darin ausgedrückt, daß Christus der Richter ist über die Lebendigen und die toten, also nicht bloß über die, welche am jüngsten Tag noch auf Erden leben erden, sondern auch über alle, die seit Adam gelebt haben und gestorben sind. Von diesen letzteren heißt es: „Es kommt die Stunde, da alle, welche in den Gräbern sind, hören werden die Stimme des Gottes; und hervor gehen werden, die das Gute getan, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichtes“ (Joh. 5, 28f). Hier wird diese Allgemeinheit auch ausgesprochen, insofern sie sowohl die Guten als auch die Bösen umfaßt; denn wenn es heißt, daß, wer glaubt, nicht gerichtet wird oder ins Gericht kommt, oder daß, wenn wir uns selbst richten, wir nicht gerichtet würden, so ist hier offenbar das Gericht im engeren und schlimmeren Sinn zu verstehen von er Verdammung. Aber der hl. Paulus sagt, daß wir auch die Engel richten erden (1. Kor. 6, 3), und der hl. Petrus, daß die abgefallenen Engel für das Gericht des großen Tages aufbewahrt sind (2. Petr. 2, 4; vgl. Judas 6). Wir mögen daher wohl annehmen, daß auch das göttliche Gericht über die Engel in eine Verbindung gebracht ist mit diesem Gericht über die Menschen und sich in ähnlicher Weise dazu verhält, wie das besondere zu dem allgemeinen Gericht. Steht ja doch auch die Engel- und die Menschenwelt mit einander in lebendiger Beziehung, und ist dem Sohn alles Gericht, alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden, und beugen sich vor ihm in seiner Erhöhung alle Knie im Himmel und auf Erden und unter der Erde. In einer engeren Beziehung aber steht das jüngste Gericht zu dem Teufel und seinen Engeln. Der Teufel ist der Fürst dieser Welt; von ihm ging die Sünde des Menschen aus und wird von ihm fort und fort gehegt und gepflegt; die Sünder heißen geradezu Kinder des Teufels; er errichtet mit ihnen gleichsam ein Reich im Widerspruch zum Reich Gottes; in Kraft seiner Wirksamkeit kommt und wirkt der Antichrist (2. Thess. 2, 9). Wegen dieser innigen Verbindung der gottlosen mit dem Teufel und seinen Engeln ist das verdammende Gericht über die Gottlosen auch ein Gericht über die bösen Engel, und darum werden jene auch ganz in ihre Gemeinschaft mit ihnen hingegeben, um mit ihnen die gleiche Qual zu erdulden. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 5, 1888, Sp. 402 – Sp. 404

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