P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
§ 2. Das heilige Messopfer
Das unblutige Opfer des Neuen Bundes ist das heilige Messopfer
Welches ist dieses unblutige Opfer des Neuen Bundes?
Die gesamte kirchliche Überlieferung von den Zeiten der Apostel an ist einstimmig in der Lehre, daß im heiligen Messopfer die Prophezeiung des Malachias ihre Erfüllung gefunden habe. Schon die aus der ersten christlichen Zeit stammende Schrift, die den Titel führt: „Lehre der zwölf Apostel“, sagt (Kap. 14) vom hl. Messopfer: „Dieses ist das Opfer, von dem der Herr gesprochen: An allen Orten und zu aller Zeit soll mir ein reines Opfer dargebracht werden.“ Ähnlich der hl. Irenäus, der bekanntlich einen Schüler des Apostels Johannes zum Lehrer hatte. Nachdem er die Einsetzung des heiligsten Altarssakramentes beim letzten Abendmahl erzählt hat, fügt er bei, dadurch habe Christus jenes „neue Opfer gelehrt, welches die Kirche von den Aposteln empfangen habe und auf der ganzen Welt Gott darbringe…, von dem der Prophet Malachias geweissagt habe“. (Adv. Haer. 4, 17, 5) Der hl. Märtyrer Justinus († 166) führt die besagte Prophezeiung an und sagt dann: „Schon da verkündet (Gott der Herr) das Opfer, das ihm von uns an allen Orten dargebracht wird, nämlich das, welches in dem eucharistischen Brot und dem eucharistischen Kelch besteht.“ (Dial. c. Tryph. 41) Ebenso klar sind die Zeugnisse eines heiligen Cyprianus, Chrysostomus, Hieronymus, Augustinus u.v.a. Auch das Konzil von Trient lehrt (Sitz. 22, Kap. 1) ausdrücklich, das hl. Messopfer sei „jenes Opfer, von dem der Herr durch den Propheten Malachias weissagte, daß es seinem Namen … an allen orten als ein reines Opfer werde dargebracht werden.“
Übrigens könnte hierüber kein vernünftiger Zweifel bestehen, auch wenn wir keines der angeführten Zeugnisse besäßen; denn das ist klar: die Vorhersagung des Malachias muss in irgend einem Opfer des Neuen Bundes ihre Erfüllung gefunden haben. Nun gibt es aber im neuen Bund überhaupt nur zwei Opfer: das blutige Kreuzesopfer und das unblutige Opfer der hl. Messe; das erstere kann, wie wir bereits gesehen haben, die besagte Erfüllung nicht darstellen; denn es war weder ein Speiseopfer, noch wird es an allen Orten dargebracht. Es bleibt also nichts übrig als zu bekennen, daß das letztere, das hl. Messopfer, jenes vom Propheten geweissagte Opfer sei. Und wirklich ist das hl. Messopfer ein unendlich „reines“ Opfer, ein wahres „Speiseopfer“ und ein solches, das „an allen Orten vom Aufgang der sonne bis zum Untergang“ Gott dargebracht wird.
Der Name „Missa“, dem unser deutsches Wort „Messe“ nachgebildet ist, wurde von den hl. Vätern und kirchlichen Schriftstellern schon früh gebraucht, um das Opfer des Neuen Bundes zu bezeichnen. (*) Derselbe scheint der dazumal üblichen Entlassung der Katechumenen, die dem eigentlichen Opfer nicht beiwohnen durften, seinen Ursprung zu verdanken. Von dieser Entlassung (Missa=missio) wurde nämlich jener Teil der Opferhandlung, der gleichsam als Einleitung dient, „Messe der Katechumenen“ benannt und in der Folge auch der eigentlichen Opferhandlung der Name „Messe der Gläubigen“ oder einfachhin „Messe“ beigelegt. Dieser Name mochte in jenen Zeiten, wo man das hochheilige Opfer vorsichtshalber noch geheim halten musste, deshalb besonders geeignet erscheinen, weil man dadurch den Uneingeweihten nichts von dem, was verborgen bleiben sollte, kund machte, gerade so, wie sie die hl. Eucharistie, welche nach damaligem Gebrauch von den Bischöfen an die Titularpriester gesandt wurde, mit dem allgemeinen Ausdruck „Ferment“ (fermentum) bezeichneten.
(*) Nicht nur Ambrosius, Augustinus und Casarius von Arles, sondern auch das Konzil von Karthago (i. J. 390), welches aus Bischöfen verschiedener Provinzen Afrikas bestand, bedienten sich dieses Ausdruckes als eines schon damals allgemein gebräuchlichen.
Wer hat das hl. Messopfer eingesetzt?
Jesus Christus hat das hl. Messopfer eingesetzt, als er beim letzten Abendmahl sich selbst unter den Gestalten von Brot und wein dem himmlischen Vater aufopferte und auch seinen Aposteln dieses sein Opfer zu feiern gebot. (siehe den Beitrag: Die Einsetzung der heiligen Eucharistie)
Wie Christus beim letzten Abendmahl Brot und Wein in sein heiligstes Fleisch und Blut verwandelte und den Aposteln samt ihren Nachfolgern die Gewalt gab, ein Gleiches zu tun, haben wir bereits gesehen. Daß er damit jenes Sakrament eingesetzt hat, welches wir Altarssakrament nennen, haben wir gleichfalls nachgewiesen. Nun aber stehen wir vor der Frage: War das, was der Heiland damals getan und seinen Aposteln zu tun befohlen hat, nicht bloß ein Sakrament, sondern auch ein Opfer? Die Protestanten sagen nein; wir aber antworten mit einem entschiedenen Ja und beweisen es unwiderleglich. (siehe auch den Beitrag: Die Einsetzung des Altarsakramentes)
1. Christus spricht bei dieser Gelegenheit von einer „Vergießung seines Blutes zur Vergebung der Sünden“. Diese Worte sind offenbar von einem Opfertod zu verstehen. Es fragt sich nur, ob damit sein Opfertod gemeint ist, insofern derselbe am folgenden Tage in Wirklichkeit statthaben sollte, oder aber insofern derselbe jetzt beim Abendmahl schon im voraus sinnbildlich dargestellt wurde. Um diese Frage zu entscheiden, muss man die Worte betrachten, wie sie im griechischen lauten; denn die Evangelisten (mit Ausnahme von Matthäus) haben in griechischer Sprache geschrieben. Da zeigt sich nun, daß dieselben nur von einem Opfertod Christi verstanden werden können, der beim Abendmahl selbst, nicht erst am folgenden Tage, statthatte: denn bei allen drei Evangelisten, welche die Worte berichten, ist die Ausdrucksweise so gewählt, daß sie nur den Sinn haben kann: „Dies ist mein Blut, das jetzt in diesem Augenblick, vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ (**) Es ist daher unbestreitbar, daß beim Abendmahl selbst das Blut Christi schon im voraus auf eine geheimnisvolle Weise vergossen wurde. Wie dies geschah, werden wir später noch sehen; für jetzt genügt es zu wissen, daß es geschah, und daß somit das Abendmahl in Wahrheit nicht bloß ein Sakrament, sondern auch ein Opfer war, und zwar ein solches, welches das Kreuzesopfer sinnbildlich darstellte.
2. Dies war auch von Anfang an der Glaube und die Lehre der Kirche. Daher hat sie die hl. Messe, in der die Abendmahlsfeier fortwährend erneuert wird, stets als Opfer betrachtet und auf dem Konzil von Trient (Sitz. 22, Kap. 1) ausdrücklich erklärt, „Christus habe beim letzten Abendmahl seiner geliebten Braut, der Kirche ein sichtbares Opfer hinterlassen, indem er seinen Leib und sein Blut unter den gestalten von Brot und Wein dem (himmlischen) Vater aufgeopfert und den Aposteln und ihren Nachfolgern im Priestertum zu opfern befohlen habe“.
(**) An allen drei Stellen steht das Participium praesentis. (…) Dieses Partizip drückt stets eine Gleichzeitigkeit aus mit dem Verbum finitum, wozu es zunächst gehört. Wohl kann das Verbum finitum im Präsens unter Umständen die Bedeutung des Futurs haben, niemals aber kann das Partizip des Präsens eine nachfolgende Handlung bezeichnen. In der ganzen griechischen Literatur findet sich kein einziges Beispiel derart. Es bezeichnet ausnahmslos eine Handlung, die gleichzeitig ist mit der des Verbum finitum, bei dem es steht. Hier nun ist das verbum finitum eine Präsensform (…) Deshalb muss auch das (griech. Wort) notwendig von der Gegenwart verstanden werden. – Dazu kommt, daß es beim heiligen Lukas nicht heißt: „Dies ist mein Blut, das für euch vergossen wird“, sondern: „Dies ist der Kelch…, der für euch vergossen wird.“ Statt des Blutes ist also der Kelch gesetzt, der das Blut enthält. Das Blut ist aber nur beim Abendmahl im Kelch, nicht beim Kreuzestod. Wenn es daher heißt, „der Kelch werde vergossen“, so kann damit nur ein Blutvergießen gemeint sein, das beim Abendmahl selbst statthatte. –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 16 3 S. -165