Das Konzil setzt Johannes XXIII. ab

Das Konzil von Konstanz – Beseitigung des Schismas

Teil 3: Das Konzil von Konstanz setzt Johannes XXIII. ab

Johannes XXIII. hatte schon am Tag nach seiner Flucht, 21. März, an Sigismund und an die Kardinäle geschrieben, daß er trotz seines Wegganges von Konstanz doch an dem Versprechen der Resignation festhalte. Während der nächsten Wochen wurde dann zwischen ihm und der Synode über die Bestellung von Prokuratoren für seine Abdankung resultatlos verhandelt; auch stellte Johannes zu hohe Forderungen für den Fall seiner Resignation; er verlangte nämlich auf Lebenszeit das Amt eines apostolischen Legaten für ganz Italien, ferner die Grafschaft Venaissin und jährlich 30000 Gulden.

Andere Schritte des Papstes waren ganz danach angetan, die Konstanzer mit Misstrauen gegen ihn zu erfüllen. Er berief sofort die Kardinäle und Kurialen zu sich nach Schaffhausen und bewirkte dadurch, daß viele das Konzil verließen; er schrieb Briefe nach Frankreich, in welchen er sich über die Synode, über den dort eingeführten Abstimmungsmodus, über die ihm widerfahrene Behandlung und über den Kaiser in den bittersten Klagen erging; endlich floh er am 29. März von Schaffhausen weiter westlich nach Laufenburg, und gerade diese Flucht des Papstes bewirkte, obwohl er zu derselben durch die kriegerischen Maßnahmen Sigismunds gedrängt war, daß man in Konstanz ohne weitere Rücksicht gegen ihn vorzugehen beschloss.

Es war klar, daß Johannes entweder die Synode durch den Weggang der Italiener aufzulösen, oder wenigstens sich selbst aus dem Machtbereich derselben zu entfernen suchte. Im Grunde genommen konnte man ihm dieses auch gar nicht verübeln; leider hatte er nur kein Glück dabei: sein Stern war in schnellem Sinken begriffen. Am 7. April sprach Sigismund über Herzog Friedrich die Reichsacht aus; Schaffhausen fiel in die Hände der kaiserlichen Truppen; die dort befindlichen Kardinäle und Kurialen mussten nach Konstanz zurückkehren.

Weitere Flucht von Johannes XXIII.

Johannes floh von Laufenburg nach Freiburg im Breisgau und von da am 16. April nach Breisach am Rhein. Am 17. April wurde in Konstanz die 6. Sitzung gehalten. Von jetzt an präsidierte bis zur Wahl Martins V. der Kardinaldekan Viviers. Die Synode schickte eine Deputation an Johannes, um ihm einen sehr demütigenden Abdankungsmodus vorzuschlagen. Danach sollte er aus den von der Synode bestimmten Prokuratoren acht auswählen, denen er aber selbst noch weitere hinzufügen könnte. Diese sollten unwiderrufliche Vollmacht haben, die Abdankung in seinem Namen auszusprechen, und zwar in der Weise, daß schon je zwei von ihnen ohne Wissen der anderen hierzu berechtigt wären. Auch verlangte man, daß der Papst binnen zehn Tagen entweder nach Konstanz zurückkehre, oder sich nach Ulm, Ravensburg oder Basel begebe, widrigenfalls der Prozess wegen Begünstigung des Schismas und Verdachtes der Häresie gegen ihn eröffnet werden sollte.

Johannes empfing die Gesandten in Breisach, reiste aber, ohne ihnen Antwort zu geben, am 25. April nach dem etwas südlicher gelegenen Neuenburg am Rhein. Jedoch wurde sein Plan, über Burgund nach Avignon zu entfliehen, dadurch vereitelt, daß Sigismund alle Rheinübergänge besetzt hielt. Auch war mittlerweile der geächtete Herzog Friedrich so in die Enge getrieben, daß er selbst zur Zurückführung des Papstes die Hand bot. Johannes musste also nach Freiburg zurückkehren und hatte hier eine zweite Unterredung mit den Konstanzer Gesandten. Er willigte in Alles und verstand sich sogar dazu, seine Zession anzubieten selbst für den Fall, daß Gregor und Benedikt noch nicht zurücktreten würden.

Bedingungen von Johannes XXIII. lehnt das Konzil ab

Nur zwei Bedingungen stellte er, nämlich, daß die Synode für seine Zukunft anständig sorge und daß auch Herzog Friedrich Verzeihung erhalte. Erstere Bedingung war sehr natürlich, und die letztere ehrte den Papst. Die Konstanzer hätten hierauf wohl eingehen können; allein sie hatten nun einmal die Macht in Händen, und dieses Bewusstsein in Verbindung mit der gegen Johannes herrschenden Erbitterung bewirkte, daß sie in der 7. Sitzung vom 2. Mai unter Verwerfung der Anerbietungen des Papstes nunmehr den Prozess gegen ihn eröffneten und ihn binnen neun Tagen nach Konstanz vorluden. Zuvor hatte man aber noch den Kardinälen das ihnen bis dahin zugestandene besondere Stimmrecht in den General-Kongregationen und allgemeinen Sitzungen entzogen, so daß auch sie nur, wie alle anderen, in der Versammlung ihrer betreffenden Nation ihre Stimme geltend machen konnten.

Am 4. Mai wurde die 8. Sitzung gehalten und nach derselben das Zitationsdekret gegen Papst Johannes am Schnetztor von Konstanz, durch welches er entflohen war, angeschlagen, auch ihm selbst am 9. Mai durch eine Deputation in Freiburg persönlich überreicht. Diese Deputation war von 300 kaiserlichen Soldaten begleitet und blieb bei dem Papst, so daß letzterer von da an Gefangener der Synode war. Johannes erklärte sich zwar bereit, mit nach Konstanz zu gehen, verschob aber diesen für ihn äußerst bitteren Schritt von einem Tag zum andern und beauftragte im Geheimen die Kardinäle d`Ailly, Filastre und Zabarella mit seiner Vertretung vor der Synode. Am 13. Mai wurde die 9. Sitzung gehalten; Johannes war noch nicht angekommen, und die drei Kardinäle erklärten, daß sie seine Vertretung nicht übernehmen könnten.

Einleitung des Absetzungsprozesses

Daraufhin ernannte die Synode eine Kommission zur Einleitung des Prozesses und zur Verhörung der Zeugen und sprach am folgenden Tag in der 10. Sitzung die Suspension gegen Papst Johannes aus. Zur Begründung dieser Maßregel diente der Hinweis auf das sittlich schlechte Leben desselben und auf die von ihm verübte Simonie und Verschleuderung der Kirchengüter. Beides sei teils notorisch, teils durch die bisherigen Zeugenvernehmungen schon erwiesen. Die Kommission setzte unterdessen ihre arbeiten fort und hatte bis zum 16. Mai schon in 72 Artikeln ein ausführliches Sündenregister des Angeklagten aufgestellt, welches das ganze Leben desselben umfaßte und außer dem oben Angegebenen auch noch alles Dasjenige enthielt, wodurch er nach der Meinung der Konstanzer die Beilegung des Schismas absichtlich verzögert hatte.

Am 17. Mai brachten die Deputierten der Synode den Papst von Freiburg nach Radolfszell in der Nähe von Konstanz; hier wurde er auf Befehl der Synode am 24. Mai in einen festen Turm gesetzt und von Soldaten bewacht. Äußerlich aller Hilfsmittel beraubt und ganz in der Gewalt seiner Gegner, war Johannes dazu auch noch moralisch nieder geschmettert, da die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sich keineswegs alle entkräften ließen. Er weinte bitterlich, lieferte auf Verlangen sein Siegel aus und erklärte, in Allem sich der Sentenz des Konzils zu unterwerfen, nur möge man auf seine Ehre, seine Person und seinen Stand Rücksicht nehmen.

Verlesung der Anklagepunkte gegen Johannes XXIII.

In der 11. Sitzung vom 25. Mai wurden von den 72 Anklagepunkten 54 verlesen; man hatte eben mit Rücksicht auf die Ehre des Angeklagten alle diejenigen ausgelassen, die sich auf angebliche Fleischessünden desselben bezogen. Abgesandte der Synode überreichten ihm am 27. Mai diese 54 Punkte und fragten ihn, wie er sich zum Prozess stelle. Johannes verzichtete auf jede Verteidigung und legte sein Schicksal ganz in die Hände der Synode; nur gab er den Deputierten einen Brief an Sigismund mit, worin er den Kaiser flehentlich bat, derselbe möge doch bewirken, daß ihm nach seiner Absetzung eine schonende Behandlung zu Teil werde. Am 29. Mai war dann die für das Schicksal Johannes` XXIII. entscheidende 12. Sitzung. Er selbst war trotz wiederholter Aufforderung nicht erschienen; das feierlich verlesene Absetzungs-Urteil lautete:

„Die hochheilige, allgemeine Synode zu Konstanz … erklärt nach Einsicht der gegen Papst Johannes XXIII. formulierten und bewiesenen Artikel, und nachdem er seine Unterwerfung freiwillig ausgesprochen hat,

1. daß seine Entfernung vom Konzil … unerlaubt, für die Kirche Gottes und das Konzil notorisch ärgerlich, für den Frieden und die Union der Kirche störend, dem Schisma förderlich und dem eigenen Versprechen des Papstes zuwider gewesen sei;

2. daß der Herr Johannes selbst ein notorischer Simonist, ein Verschleuderer der kirchlichen Güter und Rechte, ein schlechter Verwalter der Kirche im Geistlichen und Zeitlichen gewesen sei und noch sei;

3. daß er durchs ein verabscheuungswürdiges und unpassendes Leben der Kirche Gottes und dem christlichen Volk vor und nach seiner Erhebung zum Papsttum Ärgernis gegeben habe, daß alle Mahnungen fruchtlos gewesen seien, und daß er deshalb des Papsttums zu entsetzen sei.

4. Die heilige Synode entbindet alle Gläubigen des Eides und Gehorsams gegen ihn und verbietet ihnen, den Abgesetzten je wieder Papst zu nennen und ihm zu gehorchen…

5. Sie bestimmt, daß er fortan an einem anständigen und sicheren Ort unter Aufsicht des römischen und ungarischen Königs Sigismund leben müsse, und behält sich vor, nach Ermessen auch noch weitere Strafen, die er verdient hat, über ihn auszusprechen.“

Das Absetzungsurteil findet in allen Ländern Billigung

Hierauf wurden das Siegel und das päpstliche Wappen Johannes` zerschlagen. Eine Gesandtschaft legte ihm am 31. Mai das Absetzungsurteil vor, und er erklärte sich nach zweistündiger Bedenkzeit damit einverstanden. Am 3. Juni wurde er als kaiserlicher Gefangener auf das Schloss Gottlieben bei Konstanz gebracht. Das über ihn ergangene Absetzungsurteil fand in allen Ländern, die ihm bisher angehangen hatten, Billigung; nur Portugal hielt noch einige Zeit mit seiner Zustimmung zurück; erst im Juni 1416 ließ auch der König von Portugal sich und sein Land durch Gesandte in Konstanz vertreten. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 7, 1891, Sp. 985 – Sp. 988

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