Von den Zeichen, welche dem jüngsten Gericht vorhergehen
Teil 1
Von der Ankunft und Grausamkeit des Antichrists
Statim autem post tribulationem dierum illorum sol obscurabitur, et luna non dabit lumen suum.
Sogleich aber nach der Trübsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht mehr geben. (Matth. 24, 29)
Entsetzliche Zeichen werden geschehen als Vorboten des allgemeinen Gerichtstages und des Endes der Welt, wovon das heutige Evangelium redet. Verschiedene Zeichen werden sein, unter welchen einige lange, andere kurz vorher sich zeigen werden; unter den lange vorher sich zeigenden sind diejenigen, welche wir bereits erlebt haben und auch wirklich erleben: als der Untergang der jüdischen Synagoge, welche nunmehr ohne den wahren Glauben weder König noch gemeinschaftliches Wesen mehr hat; die Bekehrung der Heiden zum christlichen Glauben, der in allen Weltteilen schon wirklich verkündigt und angenommen worden; die Verfolgung der Kirche von so vielen Ketzern, als Vorläufern des Antichrists; überdies Krieg, Hunger, Pest, Erdbeben, die überhand nehmende Bosheit und Menge der Sünden, die Erkaltung in der Liebe zu Gott, der Abgang der geziemenden Ehrerbietigkeit gegen Gott geweihte Kirchen, Priester und geistliche Obrigkeit, das Abnehmen des römischen Reiches, wie der Apostel Paulus andeutet, nach der Meinung Tertullians, Hieronymus und Cyrillus. Alles dieses sind Zeichen und Vorboten des heran nahenden Endes der Welt und schrecklichen Gerichtstages. Deswegen schreibt der heilige Apostel Johannes in seinem ersten Brief: Kindlein! Es ist die letzte Stunde. (1. Joh. 2, 18) Das sind, wie der heilige Ambrosius und Johannes Chrysostomus sagen, die Krankheiten der Welt, welche ihren bevorstehenden Tod ankündigen. Weil, wie der heilige Ambrosius sagt, wir im Untergang der Welt sind, so gehen voraus verschiedene Krankheiten, und gleichsam Ohnmachten der Welt. Eine Krankheit ist der Hunger, eine Krankheit die Pest, eine Krankheit ist der Krieg und die Verfolgung, wodurch uns Gott erinnert, daß es ans Ende gehe, damit wir nicht zu fest der Welt anhängen. Andere nähere Zeichen des bald heran nahenden letzten Gerichtstages sind nebst der gänzlichen Trennung des römischen Reiches die Ankunft des Antichrists und die schrecklichen Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, das Heulen aller Geschlechter auf Erden etc., wovon das heutige Evangelium. Diese letzteren näheren Zeichen des heran nahenden Gerichtstages, meine Andächtigen! Will ich heute und in der künftigen Adventszeit vornehmen und daraus für unsrer Seelen Heil eine sittliche Lehre mit göttlicher Hilfe zu entnehmen suchen. Heute beginne ich mit dem ersten Zeichen, nämlich von der Ankunft und der Verfolgung des Antichrists. Wer ist denn der Antichrist, und was wird er auf der Welt anfangen? Dies werde ich auslegen im ersten Teil. Was sollen wir uns darüber jetzt schon für Gedanken machen? Dieses wird sein die Sittenlehre im zweiten Teil. Dazu verleihe uns dein Licht und deine Gnade, künftiger Richter der Lebendigen und der Toten, Christus Jesus! Durch die Verdienste deiner Mutter Maria und die Fürbitte unsrer heiligen Schutzengel.
Wie ist der Antichrist beschaffen?
Wer ist denn der Antichrist und wie wird er beschaffen sein? Der heilige Geist gibt ihm in der göttlichen Schrift nirgends einen eigenen Namen, weil er, wie der heilige Irenäus sagt, den eigentlichen Namen eines so boshaften Menschen nicht in den Mund nehmen wollte; darum nennt er ihn allein den Antichrist, d. i. der Christus in allem entgegen ist. Der Prophet Daniel nennt ihn ein schreckliches Tier, ein grausames und wunderbares Ungeheuer. (Dan. 7, 7.) Der Apostel Paulus einen Menschen der Sünde, und gleichsam aus lauter Lastern und Bosheit zusammen gefügt, einen Sohn des Verderbens. (2. Thess. 2, 3) Indessen wird er ein Mensch sein von gleicher Natur wie wir, erschaffen von Gott zu demselben Zweck wie wir, der auch genug Gnaden und Mittel haben wird, um ewig selig zu werden, wenn er sich derselben nur bedienen würde. Nach der Meinung des heiligen Augustinus und Damascenus wird dieser gottlose Mensch in einem Ehebruch empfangen, und wie der heilige Hieronymus und Gregorius schreiben, aus dem jüdischen Geschlecht Dan zu Babylon geboren, von verächtlichen Leuten, von Zauberern, Hexenmeistern und Teufelsbannern heimlich erzogen werden; welche Lehre und Sitten er bei einer solchen Erziehung empfangen werde, das kann man sich leicht vorstellen.
Anfänglich wird er seine List und Bosheit mit ungemein großer Scheinheiligkeit, verstellter Andacht und Gerechtigkeit verbergen, für das mosaische Gesetz besonders eifern, sich stellen als einen Verächter aller zeitlichen Dinge, als einen Feind der Abgötterei, als einen Liebhaber der göttlichen Schrift. Ob er schon heimlich eine Schwindgrube der Unzucht ist, so wird er doch den Ehebruch äußerlich verdammen, gegen die Armen sich mitleidig und freigebig erzeigen, mit einem Wort, einen solchen Schein von Tugenden von sich geben, daß viele Völker ihn als ihren König haben und krönen wollen. Vor allem, sagt der heilige Antonius, wird er zu beweisen und das Volk zu überreden suchen, daß an ihm alles erfüllt sei, was die Propheten von dem versprochenen Messias und Heiland der Welt geweissagt haben. Auf diese Weise wird er die Juden scharenweise an sich ziehen, welche, weil sie sehen werden, daß er ein geschworener Feind Christi und aller, die dem christlichen Gesetz anhangen, hingegen aber die jüdischen Gebräuche und Zeremonien gutheiße, daneben auch sie von ihm alles zu hoffen hätten, was sie verlangten, ihn als ihren lang erwarteten Messias und Erlöser anbeten werden.
Nachdem er nun so ein hohes Ansehen vor der Welt, ungemein großen Anhang und Macht bekommen, alsdann wird diese boshafte Schlange anfangen, ihr Gift auszuspeien, und dieser Wüterich teils durch List, teils durch Verheißungen, teils durch Wehr und Waffen sein Reich in aller Welt ausbreiten. Neben den Heiden, Türken und Juden wird er auch unzählige Christen an sich ziehen und seiner Botmäßigkeit unterwerfen; erstens wird er solches ausrichten durch große Reichtümer, Ehren und Würden, fleischliche Wollust und Ergötzlichkeit, welche er allein seinen Nachfolgern verschaffen wird, wie der Prophet Daniel (Kap. 11) von ihm weissagte: Er wird ihnen große Ehre tun, und ihnen Gewalt geben in vielen Dingen, und das Land umsonst austeilen; denn über die unzählbaren Einkünfte von so vielen Ländern, welche sich dessen Botmäßigkeit unterwerfen, wird ihm auch der Teufel mit Zulassung Gottes überflüssiges Gold und Silber aus den Gold- und Silbergruben beibringen, die verborgenen Schätze in dem Meer und auf der Erde entdecken. Und er wird sich der Gold- und Silberschätze bemächtigen und alles Kostbaren. O wehe, welch ein anlockendes Aas, um die ohnehin ehrgeizigen, eitlen Weltkinder und Liebhaber der zeitlichen Güter an sich zu ziehen und zu fangen! Wie werden diese einer so gewaltigen Versuchung widerstehen können?
Grausame Verfolgung der Getreuen Christi
Wo nun der Antichrist solche tugendsame Seelen antrifft, welche durch kein Versprechen, Schmeicheln, Liebkosen, Geld, Ehren, Ergötzlichkeiten sich von Jesus Christus abwendig machen lassen wollen, da wird er das andere schreckliche Mittel anwenden, nämlich Grausamkeit der Peinen und Martern, dergleichen nie von einem Wüterich oder Tyrannen erdacht worden sind; wie Christus selbst von dieser Verfolgung im heutigen Evangelium spricht: Es wird alsdann eine große Trübsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist, noch ferner sein wird. (Matth. 24, 21) So daß auch viele gerechte, fromme Diener Gottes in so schrecklicher Trübsal der Versuchungen unterliegen und ihren Gott verlassen werden. Auch ward ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu überwinden: und es ward ihm Macht gegeben über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen (Offenb. 13, 7); so spricht der heilige Johannes in der geheimen Offenbarung, da er von dem Drachen redet, unter welchem er den Antichrist versteht. So wird er auch sogar die Heiligen überwinden, einige zwar dem Leibe nach durch Marter und Totschlag, andere, was weit schrecklicher ist, der Seele nach, indem er sie durch grausame Martern zwingen wird, Jesus Christus und dessen Glauben zu verleugnen. Kein anderer Weg noch ein anderes Mittel wird sein, als entweder unerträgliche Marter auszustehen, oder von der wahren Religion abzufallen, oder in die Höhlen der Erde sich zu verkriechen und da vor Hunger und Kummer zu verschmachten.
Alles, was noch einen frommen Christen trösten und in jener Trübsal zur Beständigkeit ermuntern könnte, wird alsdann aus dem Weg geräumt sein; denn dieses grausame Untier wird aus vermessener Hoffart sich allein als wahren Gott aufwerfen und anbeten lassen, welchem man wird opfern müssen. Und er wird, spricht abermals der Prophet Daniel (11, 36), nach seinem Wohlgefallen handeln, wer wird sich erheben und groß tun wider jeden Gott; die Christus dem Herrn geweihten Tempel werden alle nieder gerissen und geschändet, die heiligen Bildnisse vertilgt, die geistlichen Bücher verbrannt, alle Prediger und der christliche Gottesdienst abgeschafft, der Gebrauch der heiligen Sakramente und des heiligen Messopfers ganz abgestellt werden. Daniel fährt fort: Eine Kriegsmacht von ihm wird Stand halten, das Heiligtum, die Veste, entweihen, das tägliche Opfer abschaffen und einen Gräuel der Verwüstung einführen; also daß dieses Messopfer innerhalb vierthalb Jahren, so lange die Regierung des Antichrists dauern wird, nirgends in der Welt öffentlich wird geduldet werden, nicht ein einziges Kreuzzeichen wird stehen bleiben, worauf man die Augen schlagen und einigen Trost für seine betrübte Seele holen könnte. Seinen Nachfolgern wird er ein anderes Zeichen geben, welches sie an der Stirne oder rechten Hand werden tragen müssen, ohne welches Zeichen niemand das geringste kaufen, verkaufen, noch ein Gewerbe wird treiben dürfen, nämlich jene gotteslästerlichen Worte: Ich verleugne Jesus. O wohl bedauernswürdige Christen! Die ihr in so schreckensvoller Zeit leben werdet; o wehe! Wie wird es euch zu Mute sein, wie wird alsdann noch erst augenscheinlich wahr werden jener Ausspruch Christi: Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt!
Zauberei, Teufelskünste, Scheinwunder
Besonders da der Antichrist über alles dieses das dritte und mächtigste Mittel zur Bestätigung seiner falschen Lehre gebrauchen wird; denn wie der heilige Evangelist Johannes bezeugt, wird er durch Zauberei und Teufelskünste unzählige Scheinwunder und Taten verrichten: Und er tat große Zeichen, so daß er sogar Feuer vom Himmel auf die Erde fallen machte vor den Augen der Menschen. Und er verführte die Bewohner der Erde durch die Zeichen, welche ihm zu tun gegeben sind. (Offenb. 13, 13. 14.) Dergleichen Scheinwunder wird nicht er allein, sondern auch seine Diener und Anhänger in dessen Namen wirken. Unser Heiland selbst hat dieses schon vorher gesagt, wie wir im Evangelium gehört haben: Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen, und sie werden große Zeichen und Wunder tun. Mein Gott, wie viele Seelen werden verführt werden, wenn dieser vor der Welt so hoch erhobene und angebetete König in Gegenwart und vor dem Angesicht der zuschauenden Christen, wie der heilige Hippolytus sagt, die Aussätzigen reinigen, die Gichtbrüchigen gesund machen, die Teufel aus den Besessenen treiben und dem Schein nach, sogar die Toten zum Leben auferwecken und alle diese ihn für den wahren Gott ausrufen werden! Was wird geschehen, wenn er der Sonne am Himmel befehlen wird, still zu stehen, und diese auf dessen Befehl gehorchen wird? Wenn er Ungewitter auf dem Meer erregen und nach seinem Gefallen wieder stillen wird? Was wird geschehen, wenn er die unvernünftigen Tiere, die säugenden Kinder, ja leblose Bildnisse, nach der Meinung des Laktantius, reden und aussagen heißen wird, daß alles falsch sei, was Jesus Christus gelehrt hat, daß er nicht der Sohn Gottes, sondern ein Betrüger gewesen, welcher ewig verdammt worden sei? Was wird geschehen, wenn er das Feuer vom Himmel herab rufen wird, entweder um diejenigen, welche ihm widersprechen, auf der Stelle zu verzehren, wie ehemals der Prophet Elias getan, oder die zu seiner Ehre zubereiteten Opfer anzuzünden, oder seinen Jüngern feurige Zungen mitzuteilen, auf daß sie allerlei Sprachen reden, wie ehemals der heilige Geist in Gestalt feuriger Zungen über die Apostel Christi gekommen ist? Was wird geschehen, wenn er, nach dem Zeugnisse des Albertus Magnus, sich stellen wird, als wenn er gestorben wäre und wieder von den Toten auferstünde, hernach, von den Teufeln in die Luft erhoben, gen Himmel aufführt? Was wird geschehen, wenn unzählige, von den Teufeln in Engel des Lichts verstellte Geister sich sehen lassen werden, welche denselben aller Orten bedienen, mit Lobgesängen preisen und als den wahren Gott und versprochenen Heiland der Welt ausrufen werden?
Der Antichrist wird fast alle Menschen verführen
Ach, seufzt der heilige Gregorius, da er sich jene schrecklichen Zeiten vorstellt, was wird das für eine schwere Versuchung der menschlichen Gemüter sein? In der Tat so groß, daß auch die zum Himmelreich Auserwählten, wenn es möglich wäre, dadurch verführt würden. (Matth. 14) Auf diese Weise wird der Antichrist beinahe alle Menschen in der Welt an sich ziehen, die Bösen und Lauen durch Geld, Ehre und Lust, welche er ihnen verschafft; die Frommen und Gottesfürchtigen durch unerträgliche Peinen und Martern, mit welchen er dieselben quält; die Einfältigen und Unbehutsamen durch wunderbare Zeichen und Scheinwunder. Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch selig. Drei und ein halbes Jahr lang wird dessen Regierung dauern, wonach dieser grausame Mensch, der Sünder, endlich, da er sich auf dem Ölberg in Gegenwart eines unzähligen Volkes gen Himmel empor schwingt, von Jesus Christus entweder durch einen Donnerstreich, wie einige dafür halten, oder durch dessen alleinige gewaltige Stimme zu Boden geworfen und mit Leib und Seele in den Abgrund der Hölle gestürzt werden wird. Und dann, spricht der heilige Apostel Paulus, wird jener Bösewicht offenbar werden, welchen der Herr Jesus mit dem Geist seines Mundes töten wird. (2. Thess. 2, 8) Da habt ihr, meine Andächtigen! Die kurze Schilderung des künftigen Antichrists, als eines Vorboten und Vorläufers des schrecklichen letzten Gerichtstages, wie teils von den Propheten und Aposteln in der göttlichen heiligen Schrift, teils von den heiligen Kirchenvätern und Auslegern der heiligen Schrift von demselben geweissagt wird. Was dünkt euch nun davon? Welche Gedanken sollen wir darüber zum Nutzen unsrer Seelen machen? Vernehmt die Sittenlehre im zweiten Teil. –
aus: Franz Hunolt SJ, Christliche Sittenlehre der evangelischen Wahrheiten, dem christlichen Volk in sonn- und festtäglichen Predigten vorgetragen, Bd. 9, Siebzehnter Teil, 1848, S. 93 – S. 100
siehe auch die hervorragende Auslegung der Geheimen Offenbarung von Sylvester Berry: Die geheime Offenbarung des hl. Johannes
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