Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau von Ephesus
Die Heiden verehrten in der durch morgenländische Weltweisheit und Zauberei so berühmten Stadt Ephesus ein weibliches Götzenbild, Diana genannt. Diese Göttin wurde von ihnen als die Ernährerin der Welt betrachtet, und deswegen erwiesen sie ihr eine weit feierlichere Anbetung, als allen übrigen Götzen des Heidentums.
Nun aber geht durch den heiligen Apostel Paulus das Licht des Evangeliums über diese Stadt auf, die Epheser werden Christen und es stürzen die Tempel und Altäre der Götzen. Später kommt der heilige Apostel Johannes mit der heiligen Mutter Gottes nach Ephesus.
Nach dem Tode der allerseligsten Jungfrau, da der Tempel der Diana bereits verfallen war, erhob sich sich zu Ephesus ein prachtvoller Tempel zur Ehre der hoch begnadigten Jungfrau, der Königin der Welt, der wahren Mutter des Lebens und der Gnade für alle Menschen, in welchem ihr Lob vorzüglich verkündigt, und die ihr von dem Irrlehrer Nestorius geraubte Ehre einer Gottesmutter feierlich durch das allgemeine Konzil im Jahre 431 hergestellt werden sollte.
Diese Kirche war nicht die älteste, die von den Christen zu Ephesus erbaut wurde, aber sie war im Anfang des fünften Jahrhunderts die erzbischöfliche Kirche und daher die größte und berühmteste aller andern Kirchen zu Ephesus. Die im Jahre 431 unter dem Vorsitz des heiligen Cyrillus versammelten Bischöfe, welche die Ketzerei des Nestorius untersuchten und verdammten, bewunderten damals selbst die weise Vorsehung Gottes, daß Nestorius in der nämlichen Stadt, wo die heilige Jungfrau und wahre Mutter Gottes mit dem heiligen Johannes gelebt, zur Untersuchung gezogen, verdammt und entsetzt worden sei.
In den Akten dieses Konzils wird diese Kirche „die Kirche der heiligen Maria“ genannt. Der Tag ihrer Einweihung wurde am 22. oder 23. Juni, als dem vorzüglichsten unter allen übrigen zur Ehre Mariens angeordneten Festen gefeiert. Von dem Zeitpunkt an, da dort die Irrlehre des Nestorius verdammt worden, betrachtete man diesen Tempel stets als den Ort, von dem aus die Verehrung der allerseligsten Jungfrau sich immer mehr in der Welt ausbreitete, oder besser zu reden, wo die schon glühende Andacht der damaligen Christen zur Mutter Gottes neuen Zuwachs und Aufschwung erhielt.
Im Laufe der Zeit aber, wo die Christen zu Ephesus lau, Jesus untreu wurden und vom heiligen Glauben abfielen, kam Gottes Strafgericht, wie es der heilige Johannes schon gedroht hatte, über die Stadt und die Kirche. (siehe den Beitrag: Sendschreiben nach Ephesus Der Tadel Jesu) Die Stadt und ihre Einwohner fielen in die Hände der Türken, sie wurden zerstört, und jetzt ist Ephesus nur mehr ein elendes Dorf, von Türken und einigen Christen bewohnt. (Le Tourneur.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 191 – Sp. 192