Gnadenorte der himmlischen Himmelskönigin
Unsere Liebe Frau zu Hardenberg unter dem Titel der unbefleckten Empfängnis
Zwei Stunden von der Stadt Elberfeld in den Rheinlanden liegt in einem freundlichen, einsamen Talgrund das alte Schloß Hardenberg mit seinen 4 ruinenhaften Schlosstürmen. (*) Daneben befinden sich 4 kleine Häuserreihen, und unter diesen die ehrwürdige Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau und das daran stoßende Klostergebäude. Teils auf der Landstraße, teils auf einsamen Pfaden strömen, oft nach einer langen Reise, fromme Pilgerscharen mit hoch wehenden Fahnen unter Gebet und Gesang andachtsvoll Jahr aus Jahr ein dieser Gnadenstätte zu.
Die Kirche steht auf einem geräumigen Platz, ist lang, hoch gewölbt, doch nur mit einem kleinen Glockenturm versehen. Tritt man hinein, so erblickt man zur linken Seite eine sehr schöne Kapelle und auf einem glänzenden Marmoraltar in mannigfaltigem Schmuck, umgeben von zierlichen Ampeln und schweren Opferkerzen das mirakulöse Gnadenbild in prächtiger Einfassung. –
Maria ist abgebildet in ihrer unbefleckten Empfängnis. In unbefleckter Reinheit, mit gefalteten Händen, die Blicke zum Himmel gerichtet, steht sie auf dem Mond, von dem eine Schlange unter ihren Füßen tot herunter hängt. Auf ihrem Haupt prangt eine Krone von 12 Sternen. Vor ihr sitzen auf den Wolken zwei Engel, die ihr Lilien und Rosen darbringen, andeutend ihre Unschuld und den Wohlgeruch ihrer Tugenden. – Hier ist also eine Stätte, wo Maria ihren Gnadenthron aufgeschlagen, hier ist es insbesondere, wo das Geheimnis der unbefleckten Empfängnis Mariens zum ersten Mal, so viel man weiß, in einem Gnadenbild der Welt zur Verehrung vorgestellt worden, wo so viele Christen schon durch die Fürbitte Unserer Lieben Frau Beruhigung in ihren Ängsten und Sorgen, Trost in der Traurigkeit, Linderung ihrer Leiden, Heilung ihrer Krankheiten, Kraft in Versuchung, Hilfe in ihren Nöten empfangen haben.
Die Gnadenkirche erbaute die fromme Witwe des Freiherrn Sigismund von Hardenberg, der katholisch geworden, und im Jahre 1670 wurde sie zur Ehre der heiligen Mutter Anna eingeweiht. Im Jahre 1680 erbaute ihre Tochter Isabella, an Freiherrn von Wendt verehelicht, das Franziskaner-Kloster zur Besorgung des Gottesdienstes. Noch aber befand sich in der Kirche nicht das Gnadenbild. Wie es dahin gekommen, will ich dir jetzt, frommer Leser, erzählen.
Um das Jahr 1680 lebte in dem Franziskaner-Kloster zu Dorsten ein frommer Priester, P. Anton Schirley, Vikar des Konvents, aus Haltern gebürtig. Er hatte in seiner Zelle ein Bild, welches Unsere Liebe Frau unter dem Geheimnis der unbefleckten Empfängnis vorstellte, und deshalb von ihm gar sehr geliebt wurde. Schon seit einigen Jahren pflegte er zur Nachtzeit vor und nach dem Chorgesang vor diesem Bild kniend seine Andacht zur unbefleckten, ohne Makel der Sünde empfangenen Jungfrau zu verrichten. – Es war im Dezember 1680, als er gerade in stiller Nacht inbrünstig vor dem Bild betend, die deutlichen Worte vernahm: Bringe mich nach Hardenberg, da will ich verehrt sein!“ In der folgenden Nacht hörte er das Nämliche mit dem Zusatz: „Binnen anderthalb Jahren wird ein großer Fürst tödlich erkranken, und nicht eher genesen, er tue denn ein Gelübde nach Hardenberg und der soll mir da ein Kloster bauen, das schreibe dem Pater, der jetzt den Bau anfängt!“ In der dritten Nacht, als der Ordensmann voll heiliger Ehrfurcht noch inniger betete, wiederholte dieselbe stimme das Vorhergehende und gab zugleich eine Art Andacht an: „Du sollst meine Novene anfangen, das heißt, neun Samstage das heilige Messopfer Gott darbringen zur Danksagung für meine unbefleckte Empfängnis!“ Der gottselige Priester schrieb nun an Pater Kaspar zu Hardenberg, er möge doch baldigst wegen einer hoch wichtigen Angelegenheit nach Dorsten kommen. Dies geschah, und das Erstaunen über das Geheimnis, welches P. Anton ihm entdeckte, war groß. –
Die beiden Ordensmänner beratschlagten lange, was hier zu tun sei. Sie glaubten, der Zeitpunkt sei noch nicht gekommen, das Bild nach Hardenberg zu bringen; sie wollten zuvor noch recht innig beten, um den Ratschluss des Himmels zu Ehren der unbefleckten Jungfrau noch besser zu verstehen, und in einer so wichtigen Angelegenheit nicht zu irren. Pater Antonius begann nun die angebotene Novene zu verrichten. P. Kaspar aber vertraute auf seiner Rückreise das Geheimnis mehreren hoch ansehnlichen Personen, um später, wenn Alles eintreffen würde, treue und glaubwürdige Zeugen zu haben, welche die geschehene Offenbarung bestätigen könnten.
Während man die Erfüllung des göttlichen Willens mit Vertrauen erwartete, siehe, da erkrankte im folgenden Jahr 1681 im Monat Juli auf dem Residenzschloss Neuhaus bei Paderborn der Fürstbischof, Ferdinand von Fürstenberg. Derselbe war ein großer Fürst, ein würdiger Bischof, ein Meister der Gelehrsamkeit; sein Ruhm erscholl durch alle Länder. Nach Gott liebte er ganz besonders Unsere Liebe Frau; auf ihre Fürbitte setzte er immer sein Vertrauen, zu ihr redete er wie ein Sohn zu seiner Mutter; an ihren Festtagen reiste er immer nach Paderborn, um dort dem Gottesdienst der marianischen Bruderschaft beizuwohnen. Die Krankheit, welche ihn befallen hatte, war so gefährlich, daß man an seiner Wiedergenesung verzweifelte und ihn schon für tot sagte.
In diesem Zeitpunkt war es, wo P. Anton das Marienbild nebst einem Brief nach Hardenberg an Pater Kaspar sandte mit dem Bemerken, jetzt sei die Zeit gekommen, das oft verlangte Bild möge mit schuldiger Ehrerbietung aufbewahrt werden, Gott werde sein Werk offenbar machen. Weil der Abt des Klosters zu Werden, dem P. Kaspar das Geheimnis auch anvertraut hatte, sehnlichst wünschte, das Bild zu sehen, brachte es P. Kaspar zu ihm. Kaum aber ward das Bild wieder nach Hardenberg zurück getragen, als dem Abt der Gedanke kam, ob nicht der schwer erkrankte Ferdinand Fürst von Fürstenberg jener Fürst sei, von welchem die Offenbarung gemeldet, daß er nicht eher genesen werde, bevor er nicht ein Gelübde nach Hardenberg mache und daselbst das Kloster baue.
Mit dem innigen Verlangen und der zuversichtlichen Hoffnung, einen so großen Fürsten durch die Fürbitte U. L. Frau am Leben zu erhalten, eilt er von Werden in die Residenz nach Neuhaus, erhält dort eine Audienz beim Fürsten, erzählt ihm, was mit dem Bild vorgefallen und wie der liebe Gott beschlossen habe, ihm auf die Fürbitte der allzeit unbefleckten Jungfrau das Leben zu erhalten. Mit großer Aufmerksamkeit und tiefer Rührung vernimmt der hohe Kranke diese Freuden-Botschaft und antwortet: „Herr Prälat! Zwar habe ich schon alle menschlichen und geistlichen Mittel angewendet, jedoch vergeblich; nun hoffe ich aber auf die Fürbitte der unbefleckten Jungfrau Maria gesund zu werden. Wenn ich diese Gnade wirklich erlangt habe, dann werde ich auch die jenem Priester geschehene Offenbarung erfüllen, sowie das Kloster in Hardenberg erbauen lassen.“ Hierauf bat er den Abt, seine Rückreise zu beschleunigen und zu Hardenberg sofort eine Novene für ihn halten zu lassen.
Schon am 2. August, der ein Samstag war, wurde damit begonnen, und die erste heilige Messe zu Ehren der unbefleckten Empfängnis für den Kranken gelesen. Als nun dieser durch einen Eilboten hiervon benachrichtigt worden, tat er am 5 August, wo das Fest Maria Schnee gefeiert wird, in Gegenwart seines Beichtvaters und mehrerer anderer Personen laut und schriftlich das Gelübde, nach erhaltener Gesundheit persönlich sich nach Hardenberg zu begeben und allda Gott und der heiligen Jungfrau öffentlich Dank abzustatten. Von dieser Zeit an wurde es besser mit ihm; ja es erfolgte bald darauf völlige Genesung dieses großen Fürsten zum Preis der göttlichen Majestät, zur Ehre Mariens und zur grösseren Ausbreitung des Geheimnisses der unbefleckten Empfängnis.
Durch Unsere Liebe Frau unter dem Titel der unbefleckten Empfängnis zu Hardenberg war der Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg gesunde geworden. Aber das Gnadenbild war in der Kirche zu Hardenberg noch nicht aufgestellt. Jetzt war die Zeit hierzu gekommen. In der Nähe und Ferne erscholl schon der Ruf des wunderbaren Bildes, und nun erteilte das hochwürdigste Ordinariat von Köln die Erlaubnis, daß das Muttergottes-Bild von der unbefleckten Empfängnis zur allgemeinen Verehrung zu Hardenberg ausgestellt werden dürfe. – Der vollkommen genesene Fürstbischof säumte nun nicht, sein Gelöbnis zu vollbringen. Am 25. Oktober des Jahres 1681, an einem Samstag, kam er Morgens Früh nach Hardenberg und an demselben Tag traf dort auch der fromme Herzog Wilhelm von Jülich-Berg ein, um gleichfalls das Gnadenbild zu verehren. Der Fürstbischof hielt ein feierliches Amt, und verkündigte dann laut in Gegenwart einer Menge Volkes und vornehmer Herren, daß er in Folge eines Gelübdes hierher gekommen sei, um U. L. unbefleckten Frau und Mutter für die Gesundheit zu danken, die sie ihm gewährt habe. Zuletzt verordnete er, daß auf seine eigenen Kosten das Kloster zu Hardenberg gebaut werde.
Im folgenden Jahr machte der Erbprinz von Jülich und Berg mit seiner Gemahlin und seinem ganzen Hofstaat eine Wallfahrt nach Hardenberg, und ließ dann eine Kapelle in der Kirche bauen und einen schönen Altar von Marmor errichten, auf welchem nun das Gnadenbild prangt. Die Herzogin aber schenkte auf denselben einen aus Gold und Silber reich und künstlich getriebenen Aufsatz oder ein Behältnis, worin an hohen Festtagen und bei den Wallfahrts-Prozessionen das Gnadenbild zur öffentlichen Verehrung ausgestellt werden sollte. Von dieser Zeit an nahmen die Wallfahrten nach Hardenberg, selbst aus weit entlegenen Gegenden, immer mehr zu. Überhaupt mochten in den ersten Zeiten jedes Jahr wohl bei beiläufig 20000 Personen erschienen sein. In neuerer Zeit mehr sich von Jahr zu Jahr der Zudrang des Volkes; denn groß ist das Vertrauen auf die mächtige Fürbitte der Himmelskönigin, welches so oft schon Erhörung gefunden! –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 208 – Sp. 210; Sp. 114
(*) zum Ort Neviges gehörig
Bemerkung: Neben der alten Wallfahrtskirche wurde ein monströses Betongebäude im „Stil des Brutalismus“ gebaut, in dem sich auch das Gnadenbild in einer Steele eingebaut befindet.