Über die Gewissheit des katholischen Glaubens
Es ist gewiß beherzigenswert, daß der hl. Jakobus mit größerer Freudigkeit den Kalvarienberg hinauf ging, um für Jesus Christus den Martertod zu sterben, als er früher gehabt hätte, wenn die Fürbitte der Mutter erhört und er der erste oder zweite Minister im Gottesreich auf Erden geworden wäre. Diese Freudigkeit war nebst der Gnade Gottes eine Wirkung der Gewissheit, die er in seinem Glauben und Hoffen hatte. Diese Gewissheit des Glaubens und Hoffens hast auch du, und dieselbe Freudigkeit wird auch dich beglücken, je mehr du dich befleißigst, deiner Glaubens-Gewissheit bewußt zu werden. Beherzige heute zwei Gründe derselben:
1. Du glaubst nur das, was Gott selbst geoffenbart hat zum Heile des Menschen, und weil Gott selbst es geoffenbart hat: du glaubst also weder deiner eigenen Erkenntnis, noch dem Ansehen eines Menschen oder einer menschlichen Wissenschaft; sondern du unterwirfst deinen Verstand der Autorität Gottes, weil du ganz gewiß weißt, daß Gott die unendliche Wahrheit und Wahrhaftigkeit ist, d.h. daß Gott weder sich noch andere täuschen kann. Der einzelne Mensch kann bei allem Eifer des Forschens und beim redlichsten Willen dennoch irren, wie die tägliche Erfahrung zeigt; die ganze Menschheit hat sich geirrt, wie die Weltgeschichte lehrt: nur Gott kann nicht irren und Niemanden in Irrtum führen. Indem du also Gott allein glaubst, hast du die höchste Gewissheit für das, was du glaubst, und indem du gläubig deinen Verstand und Willen der Autorität Gottes unterwirfst, mit kindlichen Ehrfurcht dem Worte Gottes gehorchst, hast du zugleich die süße Freude, durch diese Unterwerfung Ihm das wohlgefälligste Opfer darzubringen.
2. Daß der Inhalt deines Glaubens, d.h. daß dasjenige, was dir die katholische Kirche zu glauben vorstellst, wirklich von Gott geoffenbart sei, dafür hast du so klare und überzeugende Beweise, daß ein vernünftiger Zweifel gar nicht möglich ist. Denn prüfe nur mit allem Fleiß den Ursprung, die Ausbreitung, die Erhaltung und die Fruchtbarkeit der katholischen Kirche, und du wirst mit Gewissheit erkennen und mit Freude bekennen: Nur Gott allein konnte zwölf arme Fischer befähigen, die Abgötterei mit all` ihren Reizen der Sinnlichkeit auszurotten und das heilige Kreuz mit all` den harten Pflichten der Selbstverleugnung an deren Stelle zu setzen: nur Gott allein konnte die Millionen Märtyrer so stärken, daß eher die stolzen Kaiser ermüdeten, als daß jene im Glauben wankten: nur Gott konnte die schwache Natur des Menschen veredeln und zu den erhabenen Tugenden begeistern, welche die Geschichte an heiligen Katholiken in jedem Beruf, Alter und Geschlecht bewundert: nur Gott allein konnte die Tempel der heidnischen Lasterhaftigkeit und die Häuser unmenschlicher Sklaverei zerstören und auf ihren Ruinen Spitäler und Krankenhäuser, Asyle für Witwen und Waisen, Anstalten für Unschuldige und Büßende, Institute für Bildung und Erziehung gründen, in denen die rührendsten Werke der Gottes- und Nächstenliebe die Tagesordnung bilden. Folglich ist die katholische Kirche, die alles das getan hat und noch tut, mit einem Übermaß von Beweisen und Zeugnissen ausgerüstet, daß sie selbst nur das Organ und die Stimme Gottes ist, und daß, wer ihr glaubt, Gott selbst glaubt. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 557