Die Synode von Pisa (1409) und die Verschärfung der Spaltung
Eröffnung der Synode
Mit großen Erwartungen ward am 25. März 1409 das Konzil von Pisa im dortigen Dom eröffnet. Es fanden sich zuerst 14 Kardinäle (8 Gregorianer, 6 von der avignonesischen Seite), zuletzt 24 (14 Gregorianer, 10 von der Gegenpartei), dann 4 Patriarchen; zur Zeit der höchsten Frequenz zählte man 80 Bischöfe, Prokuratoren von 102 abwesenden Bischöfen, 87 Äbte, Vertreter von 200 abwesenden Äbten, 41 Prioren, die Generale der vier Mendikantenorden, den Großmeister der Johanniter und Vertreter des Deutschordens und der Ritter vom heiligen Grab, die Deputierten von 13 Universitäten sowie von mehr als 100 Domkapiteln, über 300 Doktoren der Theologie und des Kirchenrechts, dazu die Gesandten vieler Höfe. Frankreich lieferte mehr als ein Drittel der Prälaten und Abgeordneten; nach Frankreich hatten England, Böhmen, die Lombardei, Toskana, die Kurfürstentümer Mainz und Köln die meisten gesandt.
Den Vorsitz führte zuerst der von Benedikt abgefallene Kardinal von Poitiers, Guy de Maillesec, als der älteste Kardinal. Nach einer Rede des Kardinals Peter Philargi (über Richter 20, 7 [Mansi, Concil. Coll. XXVII 118 bis 120]) und Erfüllung mehrerer Förmlichkeiten wurde sofort (26. März) von einem Advokaten eine vorbereitete Zitationsurkunde an beide Päpste verlesenen und durch eine Kommission vor den Türen des Domes gefragt, ob nicht Peter de Luna und Angelo Corrario (beide galten als schon als abgesetzt) oder Bevollmächtigte derselben anwesend seien. Da natürlich keine Antwort erfolgte, beantragte man, sie für halsstarrig zu erklären, doch wurde die Vorladung in derselben Form in der zweiten und dritten Sitzung (27. und 30. März) wiederholt und dann in letzterer die Kontumazer-Erklärung gegen Peter und Angelo erlassen. Nach dem Osterfest (7. April) mehrte sich die Zahl der Teilnehmer, besonders aus der Reihe der Doktoren.
Die vierte Sitzung
In der vierten Sitzung (15. April) erschienen als Gesandte des deutschen Königs Ruprecht Erzbischof Johannes von Riga, die Bischöfe Matthäus von Worms und Ulrich von Verden mit einem Kanonikus von Speyer, Konrad von Susat. Sie brachten 23 Bedenken gegen das Verfahren der Kardinäle und die Legitimität der Synode vor und stritten insbesondere die Rechtsgültigkeit der Aufkündigung des Gehorsams gegen den anerkannten Papst, der Berufung des Konzils, der Zitation Gregors, der Vereinigung der beiden Kardinalkollegien. Sie fragten, wann Gregor XII. aufgehört habe, Papst zu sein, da er nicht resigniert habe, noch verurteilt sei; wie man zu einem guten Zweck (der Union) ein unsittliches Mittel (Ungehorsam gegen den Papst) wählen dürfe; wie man dem Heiligen Geist schon vor der Synode vorschreiben könne, was er einzugeben habe (Absetzung der beiden Päpste); mit welchem Recht man diejenigen Förderer des Schismas nenne, die dem Papst die geschworene Treue halten; wie man aus der Einheit austreten könne, um andere zu einigen; wie man erklärte Feinde, was doch die abgefallenen Kardinäle und viele Synodal-Mitglieder waren, als Richter gelten lasse; wie man die Legitimität des Papstes bezweifeln könne, ohne das von ihm verliehene Kardinalat zu bezweifeln usf..
Sie begehrten, daß im Einverständnis mit Gregor Ort und Zeit einer Synode bestimmt werde, auf welcher dieser seine versprochene Abdankung vollziehen könne. Die Versammelten gingen nicht darauf ein, verlangten schriftliche Eingabe, um diesen Punkten eine Antwort entgegen stellen zu lassen, und zitierten abermals beide Prätendenten und ihre Kardinäle, welch letzteren die Frist verlängert ward. Die Gesandten Ruprechts warteten die Antwort nicht ab, sondern verließen Pisa (21. April) unter Einreichung eines Protestes gegen alle Schritte der Pseudosynode mit Appellation an ein rechtmäßiges allgemeines Konzil.
Auch der edle Karl Malatesta, der Gebieter von Rimini, war nach Pisa gekommen, um für seinen Freund Gregor und für die Herstellung der Einheit zu wirken. Er verlangte, die Versammlung möge sich in eine andere, für Gregor sichere Stadt begeben, wo dieser mit den Bischöfen seiner Obedienz sich ihr anschließen wolle, konferierte mit dazu deputierten Kardinälen, die ihre gewohnten Reden über Wortbruch und Notwendigkeit ihrer Schritte vorbrachten und auf eine Verlegung in eine andere Stadt nicht eingingen, begab sich dann zu Gregor zurück und kam abermals mit der Meldung, in eine den Florentinern gehörige Stadt begebe sich Gregor nicht, erklärte aber, derselbe sei zur Abdankung bereit, sobald er wirklich überzeugt sei, der Friede der Kirche werde darauf folgen; dem Kardinal Philargi sagte Malatesta geradezu, daß er selbst nach der Tiara strebe; das Ansinnen, er solle den Papst Gregor in Rimini gefangen nehmen, wies er entrüstet als unverträglich mit seiner Ehre zurück; er sah bald ein, wie die Pisaner Synode der Kirche nur ein neues Ärgernis geben werde.
Von der fünften bis zur siebten Sitzung
In der fünften Sitzung (24. April) wurden die Zitationen und Kontumaz-Erklärungen wiederholt und eine lange, zur Einleitung des Prozesses gegen die beiden Päpste dienende Denkschrift über Ursprung und Fortschritt der Spaltung ganz zu Gunsten der hierin am allerwenigsten schuldfreien Kardinäle verlesen. Auch wurde eine Kommission zum Zeugenverhör gegen Benedikt und Gregor bestellt. Es trafen Gesandte Englands ein, von denen der Bischof von Salisbury in der sechsten Sitzung (30. April) eine Rede hielt, dann Oratoren der Herzoge von Bayern, Lothringen, Kleve, Brabant sowie Simon Cramaud, der Patriarch von Alexandrien, der nun den hervorragendsten Einfluss übte und von dem Kartäuser-Prior Bonifaz Ferrer die „Pechfackel des Konzils“ genannt ward.
Am 4. Mai (siebte Sitzung) trug Peter von Ancorano, Professor von Bologna, eine Antwort auf die Eingabe der Gesandten König Ruprechts vor, wobei er auch dem Kaiser das Recht absprach, in der Glaubensfrage über den rechtmäßigen Papst mitzusprechen, den Standpunkt der Universitäten Paris und Bologna festhielt, beide Päpste als schismatisch, darum auch häretisch, ihre Verbrechen als notorisch bezeichnete. Die Behauptung, Gregor dürfe das Konzil als verdächtig zurückweisen, ward der Behauptung gleich gesetzt, die allgemeine Kirche könne irren, was häretisch sei. Die Kardinäle wurden gerechtfertigt mit dem Hinweis auf die (angebliche) Erledigung des Heiligen Stuhles und die ihnen für diesen Fall zustehende Vorsorge für die Kirche – alles im Geist der herrschenden Schulweisheit und im Sinne der Versammelten, die jetzt auch Wenzels Gesandten als denen des römischen Königs den Vorrang vor den Vertretern aller andern Fürsten einräumten. Auch Simon Cramaud suchte nachher in einer Rede die großenteils sehr gut begründeten Einwendungen der Gesandten Ruprechts zu widerlegen.
Die Kardinäle suchten durch die Vertreter der einzelnen Nationen und besondere Ausschüsse aus denselben ihr Gewicht zu verstärken und bahnten so zu der nachher in Konstanz erweiterten Abstimmung nach Nationen den Weg. Die Franzosen, unter dem Patriarchen Cramaud, waren hierin vornab gegangen; ihnen sollten jetzt die Engländer, Deutschen und Italiener folgen. Diese Ausschüsse der Nationen berieten sich nachher vor den feierlichen Sitzungen mit den Kardinälen; nicht nur in dem maßgebenden französischen Ausschuss hatte Cramaud die Leitung, sondern auch in der Synode selbst, die überall den „Peter de Luna“ dem „Angelo Corrario“ nicht bloß nach der Zeit der Erhebung, sondern auch nach der bisherigen französischen Rechtsanschauung voran stellte.
Von der achten bis zur zwölften Sitzung
In der achten und neunten Sitzung (10. und 17. Mai) erklärte die Synode sich selbst für ökumenisch und die ganze Kirche repräsentierend, sprach ihre Kompetenz als höchster Gerichtshof über die beiden Päpste aus, genehmigte nachträglich die Vereinigung der beiden Kardinalkollegien als rechtmäßig und kanonisch und verordnete, daß nun eine allgemeine und absolute Lossagung vom Gehorsam gegen die beiden Prätendenten eintreten solle. Es ward entschieden, daß die Substraktion von ihnen von dem Zeitpunkt an erlaubt (eine andere, mehreren Kardinälen missliebige Fassung hatte: geboten) gewesen sei, seit sie ihren Verpflichtungen betreffs der Zession nachzukommen unterlassen hätten. Alle die Einigung der Kirche hindernden, die Lossagung von der Obedienz verdammenden Urteile der beiden Prätendenten sollten nichtig sein, die im Konzil sitzenden Richter auch als Zeugen gegen dieselben auftreten können. Das Konzil hatte wenig Vertrauen zu sich selbst; einer der Agitatoren suchte den andern zu bestärken. Einen Engländer von der Obedienz Gregors XII., der den Dekreten widersprach, traf schmachvolle Verjagung aus der Sitzung und Gefängnis.
In der zehnten und elften Sitzung (22. und 23. Mai) wurden die Anklagepunkte gegen die beiden Päpste und die Zahl der zu jedem verhörten Zeugen verlesen, noch neue Punkte hinzugefügt und darauf namens des Konzilspromotors beantragt, diese Punkte für wahr und notorisch zu erklären und des weiteren gegen die Angeklagten einzuschreiten, welchem Antrag am 25. Mai (zwölfte Sitzung) stattgegeben ward. Vorher waren Bullen Benedikts eingetroffen, die gegen die Substraktion, Appellation vom päpstlichen Stuhl und die beabsichtigte Neuwahl gerichtet waren. Niemand wagte sie zu öffnen, bis es auf Zureden Cramauds der Kardinal Philargi tat; man fand darin einen Beweis der Bekanntschaft Benedikts mit seiner Vorladung sowie seiner unverbesserlichen Hartnäckigkeit.
Von der dreizehnten bis zur fünfzehnten Sitzung
In der dreizehnten Sitzung (29. Mai) sprach Magister Peter Plaoul in einer Rede über Os. 1, 11 die Superiorität der Kirche über den Papst aus und versicherte, die Pariser Universität sei überzeugt, de Luna sei Schismatiker und Häretiker im strengen Sinn des Wortes. Darauf verlas man das Protokoll einer tags zuvor gehaltenen Versammlung von mehr als 100 Doktoren, welche sich für Absetzung beider Prätendenten und Ausschluss derselben wegen Häresie aussprachen. Die Verkündigung des Urteils ward auf den 5. Juni anberaumt. Da einzelne über die Notorietät der den beiden Päpsten vorgeworfenen Verbrechen Anstand erhoben hatten, wurden am 1. Juni (vierzehnte Sitzung) nochmals Zeugenaussagen verlesen und jedem frei gestellt, die Protokolle im Karmelitenkloster einzusehen.
In der fünfzehnten Sitzung (5. Juni, dem Tag vor Fronleichnam) wurden Peter de Luna und Angelo Corrario abermals vor den Türen der Kirche vorgeladen und dann vom Patriarchen von Alexandrien das Endurteil verlesen; beide Angeklagte wurden als Schismatiker und Häretiker aller ihrer Würden beraubt, aus der Gemeinschaft der Kirche ausgestoßen, die Gläubigen von ihrer Obedienz entbunden und für den Fall fortgesetzten Gehorsams gegen sie mit Strafen bedroht, der römische Stuhl für erledigt, die Zensuren der beiden Entsetzten sowie ihre Kardinals-Promotionen (die Gregors vom 3. Mai, die Benedikts vom 15. Juni 1408 an) für nichtig erklärt. Bei Strafe des Bannes sollte niemand die Synode verlassen dürfen, bevor er dieses Dekret unterschrieben. Es schien, man wolle durch eine große Zahl von Unterschriften den Zweifel am Recht der Prozedur ersticken. Die Bewachung der Stadttore ward dem Patriarchen Cramaud anvertraut.
Ein Tedeum beschloss den bedauerlichen Akt, und feierliches Glockengeläute brachte die Kunde von Ort zu Ort; vier Stunden später hatte man sie schon in Florenz. Das Volk jubelte über den lang ersehnten Frieden, ahnte aber nicht die revolutionäre Tragweite und die traurigen Folgen eines solchen Dekrets.
Von der sechzehnten bis zur achtzehnten Sitzung
Da die Überzeugung, daß für die vielen Missbräuche in der Kirche eine baldige Abhilfe gefordert sei, laut und vielseitig ausgesprochen war, stellten die Kardinäle ein schriftliches Versprechen aus, daß der neu zu wählende Papst das Konzil so lange fortsetze, bis zweckmäßige Maßregeln zu einer Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern angeordnet seien. Dieses Versprechen ward in der sechzehnten Sitzung (10. Juni) vorgelesen. Der Kardinal Chalant, der Benedikt verlassen hatte, nahm jetzt seinen Sitz ein, nachdem der Kardinal von Albano sein Zögern mit der Absicht entschuldigt hatte, den Gegenpapst zum Nachgeben zu bestimmen. Man traf Maßregeln, die von Gregor XII. im Patriarchat Aquileja damals eröffnete Synode zu hindern, den von diesem bedrohten Patriarchen Anton zu stützen und das am 5. Juni erlassene Dekret in allen Ländern zu publizieren. Betreffs der neuen Papstwahl gab es verschiedene Ansichten.
Mehrere Bischöfe meinten, man dürfe die Wahl nicht den Kardinälen, die mit Ausnahme des einzigen Maillesec erst während des Schismas ernannt worden waren, sondern müsse sie der Synode überlassen; andere, auch der Patriarch von Alexandrien, wollten, daß die Kardinäle ihr Wahlrecht behalten und ausüben, jedoch, soviel nötig, diesmal „in Autorität des allgemeinen Konzils“. Letztere Ansicht gewann die Mehrheit und erhielt ihren Ausdruck in einem Dekret, das am 13. Juni (siebzehnte Sitzung) verkündet ward. In dieser schwuren die Kardinäle, nur eine einmütige oder wenigstens durch zwei Dritteile der Stimmen entschiedene Wahl vornehmen zu wollen; die Behörden der Republik Pisa leisteten den für Sicherung des Konklave vorgeschriebenen Eid, und neue Dekrete erklärten alle gegen die Freunde der Union von den beiden Prätendenten erlassenen Bullen und Urteile für nichtig. Die inzwischen angekommene Gesandtschaft des Königs von Aragonien und die Nuntien Benedikts wurden zwar (14. Juni, achtzehnte Sitzung) empfangen, fanden aber so ungeneigtes Gehör, eine so drohende Stimmung und so viele Beleidigungen, daß sie schnell wieder Pisa verließen.
Von der neunzehnten bis zur zweiundzwanzigsten Sitzung
Nachdem am 15. Juni (neunzehnte Sitzung) der Bischof von Novara über die Rechtmäßigkeit der Wahl gepredigt hatte, traten die Kardinäle in das Konklave. Alle vierundzwanzig wählten am 26. Juni den aus der damals Venedig gehörigen Insel Candia gebürtigen Petrus Philargi aus dem Minoritenorden, der nach seinen Studien in Paris und Oxford und seiner Lehrtätigkeit in ersterer Stadt in die Dienste des Herzogs von Mailand getreten, Bischof von Vicenza, dann von Novara, 1402 Erzbischof von Mailand geworden und von Innozenz VII. mit dem Purpur geschmückt worden war. Er war 70 Jahre alt, wohlwollend, doch nicht von Ehrgeiz frei, sehr abhängig von dem schlauen Kardinal Balthasar Cossa, der auch, die ihm selbst zugedachte Würde für jetzt ablehnend, auf ihn die Wahl gelenkt hatte. Er nannte sich Alexander V. und führte nun in den letzten Sitzungen des Pisaner Konzils (zwanzigsten bis dreiundzwanzigsten) den Vorsitz. Zur Vorsicht und wie zum Zeichen der noch nicht gehobenen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Geschehenen wurden am 1. Juli (zwanzigste Sitzung) nach einer Rede Alexanders über Joh. 10, 16 durch Kardinal Cossa mehrere Dekrete verkündigt, durch die alles, was die Kardinäle sei 30. Mai 1408 in Sachen des Schismas getan hatten, mit Sanation der Rechtsdefekte sowie die Vereinigung der Kardinalkollegien bestätigt und eine Reformation angekündigt wurde, für deren Feststellung jede Nation tüchtige Männer wählen sollte.
Der neue Papst spendete viele Gnaden, ließ sich am 7. Juli feierlich krönen und sandte Legaten in die christlichen Reiche. In einer weiteren (einundzwanzigsten) Sitzung vom 10. Juli wurden die während und wegen des Schismas erlassenen Strafsentenzen aufgehoben, die Dispensationen der beiden Päpste in Ehe- und Gewissenssachen aber anerkannt, in einer folgenden (zweiundzwanzigsten) Sitzung vom 27. Juli Dekrete über Wahlen, Kollationen und Bestätigungen, über Erlassung rückständiger Abgaben an die apostolische Kammer, über Beschränkung der Reservationen, über das Einschreiten gegen die Anhänger der abgesetzten Päpste, in der letzten Sitzung vom 7. August solche über Veräußerung von Kirchengütern, über Abhaltung von Provinzial- und Diözesan-Synoden und Ordenskapiteln usf. Verkündigt, worin teilweise die Vorschläge verschiedener Nationen berücksichtigt waren.
Alexander erklärte seinen Entschluss, die Kirche an Haupt und Gliedern zu reformieren; aber da mehrere Prälaten Pisa bereits verlassen hatten, andere die Rückkehr in ihre Diözesen sehnlich wünschten, sollten weitere Reformdekrete erst auf einem weiteren Konzil festgestellt werden, das als Fortsetzung des gegenwärtigen nach drei Jahren (April 1412) eröffnet werden sollte. Für Auflösung des Konzils stimmten alle Anwesenden; sie waren noch nicht einig in der Wahl der Mittel zur Reform, die viele Bischöfe nur in Verstärkung ihrer eigenen Macht, andere in der Verminderung der kirchlichen Lasten suchten; sie glaubten auch mit der Wahl eines neuen Papstes ihre Hauptaufgabe erfüllt zu haben und erst die allgemeine Anerkennung Alexanders V. abwarten zu müssen.
Durch die Wahl von Alexander V. wurde die Spaltung größer
Allein das Konzil von Pisa trug naturgemäß nicht die gewünschte Frucht. Seine Erfolglosigkeit verschuldeten nicht sowohl die weltlichen Fürsten, als vielmehr der Standpunkt und das Verfahren der Versammlung selbst; seine Ansprüche auf den Titel eines ökumenischen Konzils waren schon damals sehr vielen zweifelhaft, sie wurden in der Folge noch zweifelhafter, da man die Spaltung nicht geheilt, sondern vergrößert, den Rechtsboden völlig verlassen sah. Statt zweier Päpste hatte man jetzt drei: Gregor XII., Benedikt XIII., Alexander V. Aber letzterer war ebenso wenig legitim als das Konzil von Pisa selbst.
Die Synode von Pisa war nicht legitim
Das Pisaner Konzil ward weder von der ganzen Kirche noch vom legitimen Papst berufen, noch fand es allgemeine Anerkennung; es war zu sehr von Frankreich beeinflußt, dessen Regierung im März 1409 die Kardinäle ihres Beistandes für den neu zu wählenden Papst, „der von Fürsten und Bischöfen seine Bestätigung zu erhalten habe“, versichert hatte. Die Kardinäle waren nicht zur Berufung eines allgemeinen Konzils befugt, namentlich nicht bei Lebzeiten des rechtmäßigen Papstes, was Gregor XII. bis dahin gewesen war. Entweder war Gregor vor dem Konzil legitim oder nicht. War er legitim, so hörte er durch den Beschluss einer hauptlosen Versammlung nicht auf, es zu sein; war er es nicht, so waren es auch nicht die Kardinäle, die Alexander V. wählten, ihre Neuwahl ungültig und ungesetzlich.
In den 19 ersten Sitzungen hatte das Konzil gar keinen Papst; ohne Papst gibt es kein ökumenisches Konzil. Den Papst abzusetzen bestand kein Recht; war Gregor wortbrüchig, so hatte er damit gesündigt, nicht aber sein Pontifikat verloren. Bestand kein Recht, den Papst abzusetzen, so gab es kein Recht, einen neuen einzusetzen. Sowohl Gregor XII. als Benedikt protestierten gegen das Pisaner Konziliabulum; beide behielten ihre Obedienz, jener in Italien, Deutschland und den nordischen Reichen, dieser in Spanien, Schottland, Sardinien, Korsika, Armagnac, Foix, Béarn. Wohl stand der größere Teil der christlichen Länder zu Alexander, der sich der Hoffnung hingab, noch das Fehlende zu ergänzen; aber gerade in den Ländern seiner Obedienz kam man am wenigsten zur Gewissensruhe, gerade hier tauchten die vielfältigsten Bedenken auf.
Kanzler Gerson fordert Reformen und verteidigt den Konziliarismus
Selbst Männer wie Peter d`Ailly, Nikolaus von Clemanges, Theodorich von Brie waren mit der Pisaner Synode unzufrieden; es fiel aber den Pariser Doktoren, die zunächst auf ihr Verfahren eingewirkt hatten, zur Last, dieselbe zu verteidigen. Kanzler Gerson hatte in einer an den Pisaner Papst gerichteten Denkschrift zu Reformen, besonders gegenüber der Unwissenheit und Zuchtlosigkeit des Klerus aufgefordert; in den 20 Betrachtungen „über die Enthebbarkeit des Papstes von der Kirche“ erklärte er die Behauptung mehrerer der extremen Agitatoren, die Kirche könne je ohne Papst sein, für häretisch und beschränkte sich auf die Erörterung der Frage, ob und wann der Papst von der Kirche trennbar, absetzbar sei. (siehe dazu den Beitrag: Die Irrlehre des Episkopalsystems)
Da der Papst durch Verzichtleistung von der Kirche sich trennen könne, trotz der bestehenden geistlichen Ehe, müsse auch die Kirche von ihm selbst wider seinen Willen sich trennen können, ihm den Scheidebrief zu geben befugt sein, da beide Gatten gleichberechtigt seien; bringe sie diese Verbindung in Gefahr, so habe sie dazu noch das höhere Recht der Selbstverteidigung; sie könne sich vom Papst durch ein allgemeines Konzil kraft richterlichen Spruches trennen, wie auch jede vollkommene Gesellschaft ihr Oberhaupt zurechtweisen und zuletzt beseitigen könne; sei der Papst Häretiker oder Schismatiker, so könne das allgemeine Konzil ihn absetzen; die Kirche müsse einen gewissen Papst haben, und wo er ihr fehlt, sich ihn verschaffen.
Gerson besteht zu sehr auf dem Bild der Ehe und der mystischen Verbindung und überträgt damals gangbare politische Theorien auf die kirchliche Verfassung; es war aber eine sehr schwache, in sich selbst Widersprüche tragende Verteidigung, die niemand völlig zu überzeugen vermochte, nicht einmal alle Anhänger des Pisaner Papstes, geschweige die der andern Obedienzen, die fortwährend die älteren Rechtsgrundsätze vertraten. –
aus: Joseph Kardinal Hergenröther, Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte Bd. III, 1915, S. 132 – S. 138