Fromme Verehrer des göttlichen Herzens Jesu in Frankreich zur Zeit der französischen Revolution
Die Märtyrerin Elisabeth und ihre Herz-Jesu-Verehrung
Das letzte Opfer war die Schwester des Königs, Prinzessin Elisabeth. Sie war am 3. Mai 1764 geboren; im Alter von 4 Jahren hatte sie bereits Vater und Mutter verloren. Von nun an leitete ihre Erziehung die Frau von Marsan. Elisabeth war in der frühesten Jugend voll Stolz, Zorn und Eigensinn, und boshaft. Sie besaß einen eigenenAbscheu vor jeder Art zu lernen und behauptete, wenn man sie zum Lernen aufforderte: „Ich brauche nichts zu lernen, denn ich werde vermöge meines Standes immer Leute um mich haben, die für mich denken.“ War daher ihre Dienerin nur etwas saumselig, so zappelte sie vor Zorn über diese Nachlässigkeit. Frau von Marsan erkannte gar bald ihre ganze Aufgabe und den Charakter ihres Zöglings. Ihr zur Seite stand die Tante der Prinzessin, die Karmeliterin Theresia vom heiligen Augustin (Madame Louise von Frankreich), welche sie innig liebte und daher oft besuchte. Es genügte ihr bald nicht mehr, ihre Tante bloß zu besuchen, sondern sie fing nach und nach an, alle ihre Übungen mitzumachen.
Einmal kam sie etwas früher in das Kloster. Bei ihrer Ankunft bemerkte Elisabeth, daß die Nonnen noch nicht gespeist hatten, weswegen sie den Wunsch ausdrückte, bei Tisch aufzutragen, was man ihr auch gestattete. Sie begab sich somit zur bestimmten Stunde in das Refektorium, nahm eine Schürze um, küßte nach dem Gebrauch der Nonnen den Boden und empfing ein Brett, worauf die Portionen der Schwestern standen. Sie teilte Anfangs ganz geschickt die Speisen aus; endlich jedoch neigte sich das Brett na einer Seite etwas, und eine der Portionen fiel hinab, was sie in die größte Verlegenheit versetzte. Um ihr heraus zu helfen, sagte ihr die Priorin, die Mutter Theresia: „Meine Nichte, nach einer solchen Ungeschicklichkeit muss die Schuldige den Boden küssen.“
Ganz beschämt warf sie sich ohne Bedenken auf den Boden nieder und küßte ihn.
Von da an ging eine wahre Veränderung in der Prinzessin vor sich. Sie wurde demütiger, fleißiger, aufmerksamer und gehorsamer; und in kurzer Zeit stickte sie so schön, daß sich der ganze Hof darüber wunderte. Da sie dies bemerkte, so sprach sie: „Warum sollte ich den diese Arbeit verachten, da ich sie zu leisten vermag? Wer weiß, ob mir Gott nicht eben deswegen diese Fähigkeit verlieh, um sie zu verwerten, und mir und den Meinigen dadurch das Brot zu verdienen?“
Sie zog sich gerne in die Einsamkeit zurück, um dem Lärm des Hoflebens zu entrinnen. Ihr Wunsch war, eine Schwester der Armen und Mutter der Waisen und Verlassenen zu werden. Darum verkaufte sie alle Luxusgegenstände, die sie hatte, eine Uhr, ein Armband usw. Sie betrachtete ihr vermögen als das Gut der Armen, und verschmähte es nicht, armen Kranken und Sterbenden beizustehen. So verlebte Elisabeth ihre Jugend nach ihrer Bekehrung. Ihr tugendreicher Lebenswandel leuchtete aber erst im hellsten Licht, als die Revolution ausbrach, und die schrecklichsten Leiden über die königliche Familie losstürmten. Da bewies sie einen solchen Heldenmut, ein solches Gottvertrauen, daß selbst der gemeine Pöbel von Paris sie „die heilige Genovefa des Königspalastes“ nannte. Sie war der Trost der gefangenen Königsfamilie, und richtete oft und immer wieder den sinkenden Mut des Königs und der Königin auf.
Diesen Mut hatte die Prinzessin in ihrer Andacht zum heiligsten Herzen ihres Erlösers gefunden. Sie hatte sich ein Gebet verfaßt, das sie alle Tage in ihrem Gefängnis zu verrichten pflegte und also lautete:
„Was wird mir heute geschehen, o mein Gott? Ich weiß es nicht! Alles, was ich weiß, ist nur, daß mir nichts geschehen wird, was du nicht von Ewigkeit her voraus gesehen hättest. Dies genügt mir, o mein Gott, um ruhig zu sein. Ich bete dein ewigen Absichten an, und unterwerfe mich ihnen von ganzem Herzen; ich will Alles, ich nehme Alles an, ich bringe dir von Allem ein Opfer dar; ich vereinige dieses Opfer mit jenem deines vielgeliebten Sohnes, meines Erlösers, und bitte dich, vermöge seines heiligsten Herzens und seiner unendlichen Verdienste, um Geduld in unsern Leiden und jene vollkommene Ergebung in deinen Willen, die wir dir in allen Lagen des Lebens schulden.“
Als sie einmal ein Diener beten sah, sagte sie nach vollendetem Gebet zu ihm: „Ich betete auf die Meinung des Königs und auf jene seines verirrten Volkes; doch wollte sich nur der Herr so weit erweichen lassen, einen Blick der Erbarmung auf Frankreich zu werfen!“
Als sie diesen treuen Diener sehr angegriffen sah, fuhr sie mit den Worten fort:
„Mut! Haben wir nur Mut! Gott schickt uns nicht mehr Kummer, als wir zu tragen vermögen.“
Auf diese Art richtete sie alle auf und lehrte sie, auch im göttlichen Herzen Jesu Ruhe und Ergebung schöpfen.
Das ganze Leben und Sterben der Prinzessin Elisabeth spiegelte sich getreulich in einem Gebet ab, welches sie selbst verfaßt hat und ihren vertrautesten Freundinnen als letztes Pfand ihrer heiligen Freundschaft vermachte. Es lautet:
„Anbetungswürdigstes Herz Jesu, du Sitz und Heiligtum jener Liebe, die einen Gott bewogen hat, Mensch zu werden, sein Leben um unseres Heiles willen zu opfern, und aus seinem Leibe unsere Seelenspeise zu machen! Aus Dankbarkeit für diese unendliche Liebe schenke ich dir mein Herz, und mit ihm Alles, was ich auf Erden besitze, Alles, was ich bin, Alles, was ich tun und was ich leiden werde. Aber, o mein Gott, ich beschwöre dich, lasse dieses Herz endlich deiner nicht länger unwürdig sein; mache es dem deinen gleichförmig, umgib es mit deinen Dornen, um allen unordentlichen Neigungen den Eingang zu versperren; pflanze darin dein Kreuz auf, lasse es dessen Wert begreifen und Geschmack daran finden; entzünde es mittelst deiner göttlichen Liebesflammen; mache, daß es sich zu deiner Ehre gleichsam verzehre und vernichte, und lasse es dein sein, nachdem du ganz sein sein wolltest! Du bist sein Trost in seinen Kümmernissen, die Arzenei in allen seinen Leiden, seine Kraft und Schutzwehre in den Versuchungen, seine Hoffnung im Leben und seine Zufluchtsstätte im Tode. Ach liebenswürdigstes Herz, ich bitte dich um diese Gnade für alle, die mit mir verbunden sind.“
Anmutung: „O göttliches Herz Jesu, ich liebe dich, ich bete dich an und rufe dich an für Alle, die mit mir verbunden sind für alle tage meines Lebens und insbesonders für meine Todesstunde. Amen.“
Am 9. Mai 1794 war diese Stunde für sie gekommen; sie sollte hingerichtet werden wie eine gemeine Verbrecherin. Ohne nur die Miene zu ändern, vernahm sie ihr Todesurteil. Sie wurde mit 23 andern Opfern, Männer und Frauen zum Schafott geführt.
Von ihrer Liebe zum Herzen Jesu ganz begeistert, beseelte sie nur mehr ein Gedanke: alle Jene, die am Punkt waren zu sterben, für Jenen zu gewinnen, den sie liebte. Der Verfasser ihrer Lebensgeschichte sagt: „Elisabeth trat nicht allein vertrauensvoll vor Gott, sondern sie riß auch ihre Gefährten mit, und zeigte ihnen jene erbarmungsvollen Arme, die ihnen offen stehen.“ So ging von Einem zum Andern und sprach zu Jedem das passendste Wort, um ihn zu trösten, zu ermutigen und zu Gott zu erheben. Alle Verurteilten waren bald tief bewegt; Elisabeth erschien ihnen in dieser schrecklichen Stunde gleichsam beleuchtet vom dreifachen Abglanz des göttlichen Meisters; denn gegenüber diesen gebrochenen Herzen schaute man in ihr eine himmlische Ruhe, eine anziehende Sanftmut und den Mut einer Heiligen. „Man begehrt von uns nichts“, sprach sie, „als das Verlassen unseres armseligen Lebens; bringen wir Gott dieses geringe Opfer.“
Sie war die Letzte, welche den Todesstreich empfing. Da die Wüteriche der Revolution die Prinzessin nicht öfter als einmal hinrichten konnten, so hatten sie wenigstens zur Vergrößerung ihrer Pein beschlossen, sie vor ihrem eigenen Tod früher 23 Male den Tod sehen und gleichsam fühlen zu lassen. Endlich war an ihr die Reihe; sie stand ruhig von ihrem Sitz auf, und als ihr der Scharfrichter die Hand zum Besteigen des Schafotts reichte, bedeutete sie ihm, daß sie stark genug sei, um dasselbe allein zu besteigen. Als ihr Halstuch hinab fiel, sah man um ihren Hals ein Schnürchen mit der Medaille der unbefleckten Empfängnis. Der Scharfrichter wollte es ihr wegnehmen, sie aber sprach da ihr letztes Wort: „Im Namen Ihrer Mutter, mein Herr, bedecken Sie mich!“
Nach der Hinrichtung bemerkte man unter allen Anwesenden eine sonst nie dagewesene Rührung. Alle Erzählungen aus dieser Zeit stimmen auch darüber überein, daß in Augenblicke, als die Prinzessin Elisabeth den Todesstreich empfing, sich am ganzen Platz ein Rosenduft verbreitete. Die Schwester der Prinzessin, Maria Klotilde von Savoyen, die vom Papst Pius VII. als ehrwürdig erklärt worden, wußte nichts von diesen traurigen Begebenheiten. Eines Tages nun trat ihr frommer Gemahl mit nassen Augen und dem Kruzifix in der Hand in ihr Zimmer und sagte ihr nur: „Es heißt ein großes Opfer bringen.“ Mit diesen Worten hatte sie Alles verstanden; sie erhob mit einem wunderlieblichen Ausdruck ihre Augen zum Himmel, beherrschte ihren tiefen Schmerz und sprach: „Das Opfer ist gebracht!“ Nie äußerte sie eine Klage über die Mörder ihrer Schwester, und verlangte nichts Anderes als eine Abschrift des Gebetes zum herzen Jesu, welches die Prinzessin Elisabeth verfaßt hatte. Dieses Gebet bewahrte sie von da an als eine kostbare Reliquie, denn die sanfte Märtyrerin, die sie beweinte, hatte ihre ganze Seele hinein gelegt. –
aus: Franz Hattler SJ, Großes Herz-Jesu-Buch für die christliche Familie, 1897, S. 689 – S. 691