Maria Retzbach im grünen Tal Wallfahrtsort

Eine Prozession christgläubiger Katholiken zu einem Gnadenort der Muttergottes Maria

Der wallfahrtsort Maria Retzbach im grünenTal: die Muttergottes mit dem Jesuskind ist oberhalb der Wallfahrtskirche

Maria Retzbach im grünen Tal – Wallfahrtsort in Franken

Der Marktflecken Retzbach, drei Stunden unterhalb der alten Bischofs- und Kreis-Hauptstadt Würzburg am Main gelegen, kommt schon bei den fränkischen Schriftstellern im IX. Jahrhundert vor und scheint bereits damals ein nicht unbedeutender Ort gewesen zu sein. Er liegt an dem Bach „Retz“, von dem er seinen Namen hat, und während der größere Teil längs dem Bach in dem sogenannten grünen Tal zwischen zwei Bergen hinein gebaut ist, haben dagegen jene Häuser, welche am Main und auf den Berganhöhen stehen, eine reizende Lage und eine schöne Aussicht auf den genannten Fluss und die vorüber ziehende Eisenbahn. Die Einwohner, beiläufig 11000 Seelen, alle katholischer Religion, leben von Ackerbau, Weinbau und zum Teil auch unterstützt von der weit und breit bekannten Wallfahrt „Maria Retzbach im grünen Tal.“

Die Pfarrei wurde in den frühesten Zeiten schon durch das Kloster Neustadt am Main, welches zu Retzbach, vielleicht durch Schenkungen der heiligen Gertraud (Schwester des Kaisers Karl des Großen), begütert gewesen, versehen; desgleichen auch die schon frühe durch Wunder bekannt gewesene Mutter-Gottes-Kapelle.

Diese Wallfahrtskapelle nämlich steht außerhalb des Ortes ganz frei am linken Ufer der Retz, und man kann vom Dorf aus auf zwei Wegen zu derselben gelangen. Um die Kapelle herum war früher der Kirchhof, der mit einer Mauer umgeben ist. Ehe man in die Kapelle kommt, sieht man am Weg rechts in einer kleinen Kapelle den Ölberg und mehr rückwärts den neuen Kirchhof. In die Kapelle führen eine Haupttüre und zwei Seitentüren. Die Kapelle misst 102 Schuh in der Länge bis zum Chor und 49 Schuh in der Breite. Die Kirche erlitt seit ihrem Entstehen schon verschiedene Anbauungen, Vergrößerungen und Reparaturen, und teilt sich ihrer Bauart nach in 2 Abteilungen, nämlich in den Chor und in das Schiff der Kirche. Offenbar ist der Chor älter als das Langhaus und möchte heute noch die ursprüngliche sogenannte Ritterkapelle sein, deren Erbauung, wenn nicht ganz in das X. Jahrhundert, doch bestimmt in das XI. fällt. Das Erbauungsjahr läßt sich nicht zuverlässig bestimmen; im Jahr 1229 wurde ihr schon ein Ablass verliehen.

Einer durch Tradition fortgepflanzten, selbst hin und wieder aufgeschriebenen Sage zufolge, verdankt diese Wallfahrts-Kirche gewissen Rittern der umliegenden Gegend, namentlich den sehr nahe, ja in Retzbach früher selbst sesshaften Herren von Thüngen, deren Wappen fast bis auf die neueste Zeit in gemalten Glasscheiben in den Kirchenfenstern des Chores ersichtlich gewesen. Die Ritter der Umgegend sollen nämlich einmal in dem sogenannten grünen Tal von Retzstadt nach Retzbach zu (in jenen Zeiten, in denen fast Alles noch Wald gewesen und solcher bis beinahe an den Main hingegangen) gejagt haben und einem Hasen, den der Pfeil schon einmal getroffen, aber nicht getötet hatte, nachgeeilt sein und an dem Platz, wo jetzt die Kapelle steht, den Flüchtling in ein Loch haben kriechen sehen, worauf daselbst aus Neugierde nachgegraben wurde. Nach langen, etwa sechs Schuh tiefem Graben habe man nun das steinerne, 4 ½ Schuh hohe, später wundertätige Mutter-Gottes-Bild gefunden, worauf sämtliche Ritter, dieser Sonderbarkeit wegen, darin eine Andeutung Gottes und Mariens erkennend, der Mutter Gottes zu Ehren eine Kapelle zu errichten Anstalt getroffen und auch alsbald in der Tat erbaut hätten.

Nach einer anderen frommen Sage soll die Entstehung dieser Kirche und der Wallfahrt zu ihr folgenden Ursprungs sein. Zwischen Retzbach und Thüngersheim auf einem Berg stand in früheren Zeiten eine Burg, „Rabensburg“ genannt. In den alten Zeiten der Raubritter nun seien die Bewohner dieser Burg einmal von solchen Raubrittern überfallen worden und hätten fliehen müssen. Da habe denn die fromme Burgfrau beim Herannahen der Raubritter in ihrer Angst und Furcht Gott gelobt: wenn sie sicher entkomme, so wolle sie an dem Ort, wo sie zum ersten Mal der Gefahr entronnen sicher ruhen könne, eine Kapelle erbauen lassen. Nun sei sie auf ihrer Flucht über die Berge an den Ort gekommen,wo jetzt die Wallfahrts-Kirche steht und habe hier zum ersten Mal von ihrer Angst und Anstrengung ausgeruht. Als sie dann, um in Dankbarkeit ihr Gelübde zu erfüllen, die Kapelle erbauen ließ, habe man beim Graben der Fundamente das wundertätige Mutter-Gottes-Bild gefunden, dessen Verehrung viele fromme Gläubige von allen Seiten herbei gezogen habe, und wodurch sofort die Wallfahrten zu dieser Kirche entstanden seien.

Das Mutter-Gottes-Bild ist schön gearbeitet und stellt die unbefleckte Empfängnis Mariens, das Jesus-Kind auf dem linken Arm haltend, vor. Das Bild ist aus einem Stück (Sandstein) und hatte auch schon einen Anstrich, an dem rechten Backen des Gesichtes ist eine kleine Schramme (Ritz) ersichtlich, die beim Ausgraben des Bildes durch eine Hacke demselben zugekommen sein soll. Wie lange das Bild als ein wundertätiges bekannt ist, läßt sich nicht genau bestimmen; aber schon im Jahre 1336 gab der Bischof Otto von Würzburg zu, daß bei der Wallfahrts-Kapelle ein Kloster des heiligen Benedikt – später Propstei – errichtet werden dürfe, und sagt in der Urkunde ausdrücklich, daß die Kapelle ihrer Wunder wegen, die daselbst geschahen, häufig besucht werde.

Es wäre zu weitläufig, alle Wunder aufzuzählen, die an diesem Gnadenort auf Mariens Fürbitte geschehen und selbst auf Verlangen an die geistliche Regierung berichtet worden sind; aber so viel ist gewiß, daß diese Kirche schon von den ältesten Zeiten her von hohen und niederen Personen besucht wurde, nicht allein vom In-, sondern auch dem Ausland, die dann jedesmal zur Verschönerung der Kirche und Abhaltung des Gottesdienstes ihr Scherflein beitrugen und zugleich als Mitglieder der dortigen marianischen Bruderschaft sich einschreiben ließen.

Dem Hochaltar, der zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit, der seligsten Jungfrau Maria, der heiligen Katharina und Barbara geweiht ist, steht zur Linken der Gnadenaltar mit dem hoch verehrten Bild der Mutter des Herrn und zur Rechten der St. Anna-Altar. Diese drei Choraltäre sind durch eine Kommunikanten-Bank eingeschlossen… Von den zwei Seitenaltären, die weiter unten links und rechts im Langhaus stehen, jedoch durch eine zweite Kommunikanten-Bank noch vom Volk abgeschlossen sind, heißt der auf der Evangelien-Seite stehende der St. Johannes Altar und stellt die Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers vor, während der auf der rechten Seite stehende die heilige Familie darstellt und auch nur geradezu Josephs-Altar genannt wird; auf derselben Seite, außerhalb der Kommunikanten-Bank, ist der Vierzehnheiligen-Altar, in der Nähe von diesem die Kanzel.

Der schon erwähnte Ölberg, der, wenn man in die Kirche geht, zur rechten Seite vor derselben liegt, wurde im Jahre 1660 zu bauen angefangen und 1661 vollendet. An dem Platz stand früher ein Häuschen, in welchem Jemand wohnte, der in der Kapelle das Ave-Maria-Läuten besorgte. Die steinernen Figuren des Ölberges, als: Jesus, Jakobus, Johannes und Petrus, sind in Lebensgröße kunstvoll gearbeitet.

Um die Verehrung Mariens mehr und mehr zu befördern und zu verbreiten, bildete sich in dieser Wallfahrtskirche schon im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts eine sogenannte marianische Bruderschaft. Die Andacht, besonders zu dem wundertätigen Marienbild, fing zu wachsen an, und es traten, wie die alten Bruderschafts-Bücher nachweisen, geistliche und weltliche, hohe und niedere Personen, selbst Bischöfe der genannten Bruderschaft bei. Sie wurde von mehreren Bischöfen bestätigt und wurden sowohl die Mitglieder der Bruderschaft als überhaupt alle die Mutter-Gottes-Kapelle besuchenden Christen mit reichlichen Ablässen beschenkt, darunter auch besonders von Frankens berühmtestem Fürstbischof Julius bei Ausrottung der bereits eingerissenen Irrlehre Luthers und bei Verbesserung der Kirchenzucht.

… Das Hauptfest daselbst ist das Fest Mariä Namen, Sonntag nach Mariä Geburt, obwohl an allen Marienfesten und Sonntagen, besonders im Sommer hindurch, sich zahlreiche Wallfahrer einfinden.
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 2361 – Sp. 2365

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