Kunstgriffe um Irrtümer zu verbreiten

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Der Katechismus über den Modernismus

nach der Enzyklika Pascendi Dominici gregis des hl. Pius X.

Pius X. in weißer Papstkleidung sitzt auf dem päpstlichen Stuhl, die Arme auf den Stuhllehnen, im Gesicht ist ein leichtes Lächeln zu sehen

Enzyklika über den Modernismus – Zweiter Teil

§ 3. Kunstgriffe der Modernisten, ihre Irrtümer zu verbreiten

284. Sind die Modernisten eifrig bestrebt, ihr verderbliches System zu verbreiten?

„Möchten sie doch weniger Eifer und Sorge auf die Verbreitung desselben verwenden! Aber ihre Emsigkeit ist so groß, ihre Arbeit so unermüdlich, daß es einem weh tut, so große Kräfte missbraucht zu sehen zum Verderben der Kirche, während sie, richtig angewandt, vom größten Vorteil sein könnten.“

285. Welche Kunstgriffe wenden die Modernisten an?

„Die Kunstgriffe, die sie anwenden, um die Geister irre zu führen, sind zweifacher Art: zuerst suchen sie hinweg zu räumen, was ihnen im Wege steht, und dann raffen sie mit größtem Eifer zusammen und wenden mit unverdrossener Geduld alles an, was ihnen nützen kann.“

1. Negative Mittel

286. Welche Hindernisse suchen die Modernisten zu entfernen?

„Drei Dinge sind es besonders, welche sie ihrem Vorhaben entgegen wissen: die scholastische Methode der Philosophie, die Autorität und Tradition der Väter, das kirchliche Lehramt. Gegen diese richtet sich ihr heißester Kampf.“

287. Warum bekämpfen sie die scholastische Philosophie?

„Die scholastische Philosophie und Theologie verhöhnen sie allgemein und strafen sie mit Verachtung. Ob sie das aus Unwissenheit tun oder aus Furcht, oder besser aus beiden Gründen zugleich, das ist sicher: die Neuerungssucht ist immer mit dem Hass gegen die scholastische Methode verbunden; es gibt kein sichereres Anzeichen dafür, daß jemand anfange, zu modernistischen Lehren sich hinzuneigen, als wenn er anfängt, die scholastische Methode zu verabscheuen.“

288. Welch ernste Warnung können wir deshalb den Modernisten entgegen halten?

„Mögen die Modernisten und ihre Gönner der Verurteilung gedenken, welche Pius IX. über folgenden Satz ausgesprochen hat (Syllabus, Satz 13): ‚Methoden und Prinzipien, nach denen die alten scholastischen Lehrer die Theologie betrieben haben, passen keineswegs zu den Bedürfnissen unserer Zeiten noch zum Fortschritt der Wissenschaften’“

289. Was tun die Modernisten gegen das genannte zweite Hindernis?

„Sie bemühen sich mit größter Schlauheit Bedeutung und Wesen der Tradition zu verdrehen, um so alles Gewicht ihr zu nehmen.“

290. Welches Gesetz haben die Konzilien hinsichtlich der Tradition aufgestellt?

„Für Katholiken wird aber immer die Autorität des zweiten Nicänischen Konzils feststehen, welches diejenigen verurteilt, ‚die es wagen … nach dem Vorgehen verworfener Häretiker die kirchlichen Überlieferungen zu verachten und irgend eine Neuerung auszudenken … oder verkehrt und listig etwas auszusinnen, um irgend einen Teil der rechtmäßigen Überlieferungen der katholischen Kirche zu zerstören.‘ Es wird feststehen das Bekenntnis des vierten Konzils von Konstantinopel: ‚Wir bekennen also, daß wir die Regeln beobachten und bewahren, welche der heiligen, katholischen und apostolischen Kirche sowohl von den heiligen und gefeierten Aposteln als von den allgemeinen und besonderen Konzilien der Rechtgläubigen, oder auch von jedem gottbegnadeten Vater und Lehrer überliefert worden sind.’“

291. Ist nicht die Hochachtung der Tradition auch in der Professio fidei ausgesprochen?

„Darum wollten auch die Päpste Pius IV. und desgleichen Pius IX. im Glaubensbekenntnis folgendes beigefügt wissen: ‚Ich nehme fest an und umfasse die apostolischen und kirchlichen Traditionen, sowie die übrigen Beobachtungen und Vorschriften derselben Kirche.’“

292. Wie verfahren die Modernisten mit den Kirchenvätern?

„Nicht anders als über die Überlieferung urteilen die Modernisten von den heiligen Kirchenvätern. Mit höchster Kühnheit stellen sie dieselben dem Volk als sehr verehrungswürdig hin, in kritischen und historischen Fragen aber klagen sie dieselben der größten Unwissenheit an, die nur mit der Zeit, in der sie gelebt haben, entschuldigt werden kann.“

293. Welch drittes Hindernis wollen die Modernisten noch beseitigen?

„Endlich versuchen sie mit allem Eifer die Autorität des kirchlichen Lehramtes selbst zu verkleinern und zu schwächen, indem sie einerseits dessen Ursprung, Wesen und Rechte ruchloser Weise entstellen und andererseits die Verleumdungen der Gegner gegen dieselbe frei wiederholen.“

294. Sind gegen dieses Verfahren nicht schon früher Verurteilungen erlassen?

„Von der Herde der Modernisten gilt, was Unser Vorgänger mit tiefstem Schmerz geschrieben: ‚Um die mystische Braut Christi, die das wahre Licht ist, der Verachtung und dem Hass bloß zu stellen, haben die Söhne der Finsternis sich gewöhnt, sie öffentlich mit wahnwitziger Verleumdung anzugreifen und, nachdem sie Bedeutung und Kraft der Tatsachen und Worte verdreht, nennen sie dieselbe eine Freundin der Finsternis, eine Förderin der Unwissenheit, eine Feindin des Lichtes und des Fortschrittes der Wissenschaften.’“ (Motu proprio ‚Ut mysticam‘ vom 14. März 1891)

295. Wie verhalten sich die Modernisten gegen jene Katholiken, die die Kirche verteidigen?

„Da dem so ist, Ehrwürdige Brüder, ist es nicht zu verwundern, wenn die Modernisten jene Katholiken, die entschieden für die Kirche streiten, mit größtem Übelwollen und Hass behandeln. Es gibt keine Art von Beleidigungen, womit sie diese nicht überhäufen; besonders aber werfen sie ihnen Unwissenheit und Hartnäckigkeit vor.“

296. Wenn der Katholik, der die Kirche verteidigt, ein Gelehrter ist, wie behandeln sie ihn dann?

„Wenn sie die Gelehrsamkeit und Schlagfertigkeit der Verteidiger fürchten, dann suchen sie die Wirksamkeit derselben durch verabredetes Stillschweigen zu schwächen.“

297. Haben sie ein gleiches Benehmen ihren eigenen Leuten gegenüber?

„Diese Behandlung der Katholiken ist um so gehässiger, als sie alle, die mit ihnen übereinstimmen, zu gleicher Zeit ganz maßlos mit unablässigen Lobsprüchen überhäufen; ihre Bücher, die ganz von Neuerungen strotzen, nehmen sie mit großem Beifall und mit Bewunderung auf.“

298. Wonach bemessen sie die Gelehrsamkeit eines Autors?

„Je kühner jemand das Alte umstürzt, die Überlieferung und das kirchliche Lehramt verwirft, desto gelehrter nennen sie ihn.“

299. Ist ein Modernist von der Kirche verurteilt, haben sie dann den Mut ihn zu unterstützen?

„Endlich – und das muss jeder Gute verabscheuen – wenn die Kirche einen mit ihrer Verurteilung getroffen hat, dann lobt ihn die ganze Schar öffentlich und reichlich und verehrt ihn beinahe als einen Märtyrer der Wahrheit.“

300. Wie lassen sich die Jüngeren durch all den Lärm der Modernisten verwirren?

„Durch all diesen Lärm der Lobeserhebungen und der Beschimpfungen werden die Geister der Jüngeren betroffen und verwirrt, und damit sie einerseits nicht unwissend genannt, andererseits aber als weise angesehen werden, erklären sie sich oft, unter dem inneren Drang der Neugierde und des Stolzes, für besiegt und ergeben sich dem Modernismus.“

2 Positive Mittel

301. „Was versuchen sie nicht alles, um die Zahl ihrer Anhänger zu vergrößern?“

„An den Priesterseminarien, an den Universitäten lauern sie auf Lehrstühle, die sie allmählich in Lehrstühle des Verderbens umwandeln. Ihre Lehren, obwohl vielleicht versteckter Weise, sie in den Kirchen auf der Kanzel vor; offener reden sie in Versammlungen; bei sozialen Vereinigungen bringen sie dieselben an und rühmen sie. Bücher, Zeitungen und Artikel veröffentlichen sie unter ihrem eigenen oder fremden Namen. Ein und derselbe Schriftsteller bedient sich mehrerer Namen, um Unvorsichtige durch Vorspiegelung einer großen Anzahl von Autoren zu täuschen. Kurz, in Tätigkeit, Reden und Schriften versuchen sie alles, so daß man glauben möchte, sie seien in fieberhafter Aufregung.“

302. „Welches ist das Ergebnis von alledem?“

„Wir beweinen, daß eine große Anzahl junger Leute, welche große Hoffnung erweckten und zum Nutzen der Kirche vieles tun könnten, vom guten Weg abgekommen sind.“

303. Welch anderes Schauspiel betrübt uns seitens gewisser Katholiken, die noch nicht ganz Modernisten sind?

„Wir empfinden es auch schmerzlich, daß viele, die zwar noch nicht so weit gekommen sind, dennoch gleichsam von verdorbener Luft angesteckt, allzu frei denken, sprechen und schreiben, wie es Katholiken nicht ansteht. Solche finden sich in den Reihen der Laien und auch unter der Zahl der Priester; nicht einmal in den religiösen Genossenschaften fehlen solche, wo man es doch am wenigstens erwarten sollte.“

304. Wie behandeln diese Katholiken die biblischen Fragen und die Geschichte?

„Die biblischen Fragen behandeln sie nach den Regeln der Modernisten. Schreiben sie Geschichte, dann bringen sie, unter dem Schein wahrer Berichte, mit sichtlichem Vergnügen und großem Fleiß alles an das Licht, was der Kirche einen Makel beilegen kann.“

305. Wie verfahren sie mit den frommen Volksüberlieferungen und den altehrwürdigen Reliquien?

„Fromme Volksüberlieferungen suchen sie, von einem gewissen Vorurteil geführt, mit aller Gewalt zu zerstören. Altehrwürdige Reliquien verachten sie.“

306. Was bringt sie denn zum Bruch mit den alten Überlieferungen?

„Sie sind von dem eitlen Wunsch getragen, daß die Welt von ihnen reden möge; sie erkennen aber, daß dies nicht der Fall sein wird, wenn sie nur das nachsagen, was schon immer und von allen gesagt worden ist.“

307. Haben sie dabei nicht vielleicht ganz gute Absichten?

„Dabei reden sie sich vielleicht ein, Gott und der Kirche einen Dienst zu leisten; tatsächlich aber fehlen sie hierdurch sehr schwer, nicht nur durch ihr Bestreben, sondern mehr noch durch die Gesinnung, von der sie geleitet werden, und weil sie den Versuchen der Modernisten eine sehr hilfreiche Hand bieten.“ –
aus: J.B. Lemius Obl. M. J., Der Modernismus Sr. H. Papst Pius X. Pascendi dominici gregis, 1908 S. 83 – S. 89

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