Heiligenkalender
15. November
Der heilige Leopold Markgraf von Österreich
Im Mai 1106 standen die neu vermählten Brautleute, Leopold von Österreich und die schöne Agnes, Kaiser Heinrich`s IV. Tochter, unter einem hohen Bogenfenster des neuen Schlosses auf dem Leopoldsberg bei Wien und beratschlagten, wo sie ein Kloster bauen wollten, damit dort fromme Mönche in ihrem und der Untertanen Namen Tag und Nacht Gott in Psalmen anbeten und preisen möchten; denn die vielen Berufsarbeiten gestatteten ihnen nicht, diesen Herzenswunsch selbst zu erfüllen. Plötzlich faßte ein Windstoß den feinen Kopfschleier der Gemahlin und trug ihn weit fort. Alles Suchen war umsonst. Nach dreiundzwanzig Tagen, als Leopold im Walde an der Bonau jagte, schlugen seine Hunde vor einer Holunderstaude gewaltig an. Der Markgraf sprengte hinzu, fand den Schleier seiner Agnes an der Staude so unversehrt, wie er ihr Haupt geziert hatte, und erkannte hierin einen Wink, daß er an dieser Stelle das beabsichtigte Kloster bauen solle. In demselben Jahr noch legte er den Grundstein zu dem heute noch berühmten Stift Kloster-Neuburg.
Leopold, der Sohn des Markgrafen Leopold III., wurde 1073 zu Melk geboren und erhielt zuerst von seiner heiligmäßigen Mutter Itta, dann von dem hoch verehrten Bischof Altmann von Passau und von den Benediktinern daselbst, bei denen er so gerne bei Tag und bei Nacht das Lob Gottes im Chor mitsang, eine ausgezeichnete Erziehung. In seinem majestätischen Körper lebte ein reicher Geist und ein edles Herz. Wohl geübt im ritterlichen Waffenspiel und in den Wissenschaften, kannte er nur einen Ehrgeiz, wahrhaft gottesfürchtig, stets mäßig, demütig und keusch zu sein. Kein unschönes Wort entweihte seinen Mund und keine Lüge seine Seele. Fleißig las er die heilige Schrift und liebte das betrachtende Gebet.
Nach dem Tode seines Vaters 1096 übernahm er die Regierung Österreichs mit dem einzigen Wunsch, das zeitliche und geistige Wohl seiner Untertanen mit treuester Sorge zu pflegen und zu fördern. Als den sichersten Weg und das wirksamste Mittel zu diesem schönen Ziel erkannte sein hoher Geist die lebendige Gottesfurcht und die fleißige Übung der katholischen Religion. Deshalb sparte er keine Kosten, dem Volk gelehrte und fromme Priester zu geben, um dasselbe in den göttlichen Glaubens-Wahrheiten und Sittenlehren zu unterrichten; deshalb verwendete er große Summen, um neue Kirchen zu bauen, alte auszuschmücken, die würdige Feier des Gottesdienstes zu heben und auf diese Weise die Herzen der Gläubigen zu veredeln.
Um diesem Werke einen dauerhaften Bestand zu geben, bestrebte er sich mit der größten Opferwilligkeit, die Klöster zu vermehren und die Wirksamkeit der schon bestehenden zu unterstützen; denn er wußte die große Bedeutung derselben nicht bloß für das religiöse Leben, sondern auch für die Wissenschaften und die edlenKünste aus eigener Erfahrung zu schätzen. Er stiftete das Kloster zum heiligen Kreuz, das Kloster in Sattelbach, erweiterte großartig das Kloster Neuburg und erwarb sich den Ehrenplatz unter den Wohltätern der Stifter Seitenstetten, Herzogenburg, St. Florian, St. Peter in Salzburg, St. Niklas bei Passau u.s.w. Alle diese Häuser wurden blühende Pflanzschulen ebenso gelehrter als seeleneifriger Priester, unter deren Pflege er den Wohlstand seines geliebten Volkes mit Herzensfreude gedeihen sah. Die Priester ehrte er stets mit besonderer Auszeichnung, und wehe dem Untertan, der diesen Gesalbten des Herrn und Stellvertretern Jesu nicht die gebührende Ehrfurcht erwies.
Er selbst und seine fromme Gattin gaben dem ganzen Lande das schönste Beispiel einer christlichen Familie. Jede Nacht standen sie auf zum gemeinsamen Gebet; jeden Morgen knieten sie voll Andacht beim heiligen Messopfer, bei jedem feierlichen Gottesdienst waren sie gegenwärtig; ihre Kinder waren Muster der Frömmigkeit, des Gehorsams, der Bescheidenheit, der Herablassung zu den Niedrigen und Armen. In seinem Palast herrschte reinliche Einfachheit und makellose Sittlichkeit bis zum letzten Diener herab.
Alle Untertanen, der einfache Tagelöhner und die arme Stallmagd hatten freien Zutritt zum Fürsten, ihre Anliegen und Bitte vorzutragen und durften der Hilfe gewiß sein. Den Armen war er ein Vater, den Witwen und Waisen ein Tröster, die Kranken besuchte er selbst in ihren Kammern. Selbst den Verbrechern, die er mit ganz unparteiischer Gerechtigkeit strafte, milderte er die Strenge der Züchtigung durch die Liebe, mit der er für ihre aufrichtige Besserung besorgt war.
In die Zeit seiner Regierung fielen die ersten Kreuzzüge: das teure Grab Jesu in Jerusalem sollte aus der Gewalt der Türken zurück erobert werden. Der Ruf zu diesem heiligen Kampf ergriff wundersam Österreichs Markgrafen. Die Raubsucht der ungarischen Nachbarn erlaubte ihm nicht, dem Drang seines Herzens zu folgen und sein Ritterschwert für die heilige Sache zu schwingen; dafür bewirtete er das durchziehende Heer des Herzogs Gottfried von Bouillon gastlich und vermehrte es mit dreihundert wackeren Reitern, die er selbst besoldete. Als später Kaiser Heinrich IV. feierlich einen Kreuzzug gelobte und einen „Gottesfrieden“ von vier Jahren verkündete, war Leopold unter den Ersten, der seine Fahne entfaltete und sich das geweihte Schwert zur persönlichen Teilnahme umgürtete. Aber der Kaiser hielt nicht Wort und vereitelte das schöne Unternehmen.
Volle zwanzig Jahre hindurch hatte Leopold seinem Volk die Wohltat des Friedens bewahrt und es zum glücklichsten und gesegnetsten der deutschen Lande gemacht, als die Ungarn aus Neid und Gier nach seinem Wohlstand in die Ostmark einfielen. Von der Not gedrungen griff der friedliebende Fürst zum Schwert und bewies durch seine Heldengröße, daß er nicht bloß Frömmigkeit und Barmherzigkeit zu üben, sondern auch auf dem Schlachtfeld zu siegen wisse. Zweimal schlug er den Feind, verfolgte ihn in sein eigenes Land bis Eisenburg und zerstörte diese Stadt zur ernsten Warnung, daß die Ungarn sein Volk und Land im Frieden lassen möchten.
Inzwischen war Kaiser Heinrich V. gestorben und die Reichsfürsten boten dem Markgrafen von Österreich die deutsche Krone an. Aber Leopold verbat sich auf den Knien und unter Tränen die angetragene Würde.
Reich an Tugenden und Verdiensten starb er am 15. November 1136. Papst Innozenz VIII. ehrte sein Andenken in der Heiligsprechungs-Urkunde 1485 mit den herrlichsten Worten: „Vierzig Jahre hat Leopold Österreich regiert und zwar zu jenen Zeiten, da Jedermann in Deutschland in Schrecken versetzt durch blutige Kriege, durch Mord und Brand und durch Verwüstungen zitterte; er aber regierte sehr milde, gerecht und menschenfreundlich. Und während Andere vom Blute trieften, bewahrte er das ihm anvertraute Österreich in gottgefälligem Frieden.“ Seitdem wird er als Landespatron verehrt.
O mögen des hl. Leopold`s Tugenden Österreichs Fürsten und Völker als kostbares Erbe beglücken! –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 850 -S. 852