Das Herz des Katholiken (2)
Die einfachsten Wahrheiten der Religion vergessen?
Es geht manchen Katholiken heutzutage gerade so, wie den zwei Pilgern nach Emmaus; es rinnt ihr Gedächtnis stark, daß sie selbst die einfachsten Wahrheiten der Religion vergessen, und dann verlegen sie sich auf das „Meinen“. So z. B. war es vom Propheten ja ganz deutlich voraus gesagt, der Messias müsse leiden und sterben und zwar nicht aus eigener Schuld, sondern um zu büßen für das, was die ganze Welt verbrochen hat. Denn gebüßt muss werden, so oder so; wo bliebe sonst die Gerechtigkeit Gottes? Die beiden Jünger hatten nun doch selber gesehen, wie unschuldig Christus gelitten und für andere gebüßt hat. Statt aber zu sagen, „daran erkennen wir den wahren Messias“, reden sie närrisches Zeug mit einander: Wer aber haben gemeint, er werde die Fremden aus dem Lande jagen, und die Juden frei machen von dem Joche der Ausländer; stattdessen ist er aber gestorben und jetzt schon der dritte Tag u.s.w.
Gerade so reden manche Katholiken: Ja, wir haben gemeint, weil die katholische Kirche die wahre ist, müsse Christus auch jeden Katholiken vor Zorn, Haß und bösen Willen der Unchristen beschützen, und jetzt?? – Solchen muss man in`s Gesicht sagen: O ihr närrischen und glaubensfaulen Herzen! Musste denn nicht Christus leiden? Muss denn nicht der Katholik büßen und zwar um so gewisser, um so strenger, je gnadenreicher und von Gott bevorzugter er vor den Irrgläubigen ist. Wer mehr bekommt, von dem fordert man auch mehr, beim Büßen wie beim Lohngeben.
Es hat Zeiten gegeben, wo in ganz Europa das Christentum den Staatsgesetzen als Richtschnur gedient hat; damals wurde das Volk auch christlich regiert. Wenn da und dort Einer unchristlich regiert hat, so ist das seine eigene Erfindung gewesen; das Christentum hat daran keine Schuld, und hat manchen Staatslenker dafür scharf in Zucht genommen. Da haben nun in manchen Ländern seit Jahren einige oder viele Brauseköpfe gemeint, es würde gleich besser werden, wenn man einmal statt christlich und katholisch lieber wollte religionslos oder liberal regieren. Und so haben sie richtig neue Gesetze gedrechselt, die ganz nach dem Herzenswunsch dieser Neumodisten ausgefallen sind. So zum Beispiel haben sie den ungeheuer gescheiten Einfall gehabt zu sagen: „Das Reich hat allerlei Religionsgenossen; also – also! Muss das Reich ohne Religion regiert werden, das Staatsgesetz muss religionslos sein.“ – Das kommt mir gerade so vor, als wenn ein grundblöder Dorfschullehrer sagen wollte: „Ich hab` in meiner Schule allerlei Talente, gute, ausgezeichnete, mittelmäßige, schlechte; also! Lasse ich sie gleich alle miteinander ohne Unterricht.“ –
Nach ihrem Grundsatz haben sie nun auch das Regieren probiert und aufgeführt, und so werden jetzt vielfach die Völker liberal oder gar konfessionslos gemeistert. Aber entweder ist die Sache in ungeschickte Hände geraten, oder die Sache war ursprünglich schon faul, oder es ist beides zugleich, kurz und gut, die Probe des Regierens ist überall schlimm ausgefallen. Das öffentliche Vertrauen sinkt, die Steuerlast wächst, die Staatsschulden schwellen an, die Verbrechen mehren sich, die Jugend wird ausgelassener, die Klagen allgemeiner, nur den Juden geht es gut.
Das alles, ihr lieben Leute dort oben am Eispol, das alles ist zur heilsamen Buße. Christus und seine Religion habt ihr hinausgestoßen; so verkostet es jetzt einmal, was es ist, und was ihr habt ohne Christus! Selbstgekocht, und schmeckt doch nicht gut. Ich kann nicht sagen: „Wünsch` besten Appetit zum Sauerkraut“, denn leider müssen auch wir Katholiken, die gar keinen Appetit nach dem Liberalismus haben, von seiner Kocherei essen, und schmeckt uns natürlich noch schlechter, als ihm.
Versteht du jetzt, lieber Leser! Was so ungefähr Gott will, wenn er die Katholiken so stark mit Schneeballen bewerfen läßt? Es ist die Zuchtrute des Vaters, der die Kinder wieder in Ordnung bringen und die Ausläufer heim treiben will. Tut das katholische Volk wieder, wie es sich geziemt, so wirft der Herr die Rute wieder weg und ist freundlich, wie klarer Himmel bei Sonnenaufgang! –
aus: P. Franz Ser. Hattler, SJ, Christkatholisches Hausbrod für Jedermann, der gut leben und fröhlich sterben will, Bd. II, 1892, S. 149 – S. 152