Duns Scotus Beweis der Immaculata

Maria die Unbefleckte sschwebt auf den Halbmond stehend in hellem Licht, zwei Engel mit Schwertern und gekreuzter Klingen halten die Schlange zurück vor der Lilie, das Sinnbild der Keuschheit und Unbeflecktheit

Fest Mariä Unbefleckte Empfängnis

Duns Scotus Beweis der Unbefleckten Empfängnis Marias

Die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis besteht aber darin, daß Maria bei ihrem Eintritt in die Welt, wo jede andere Menschenseele von der Erbsünde befleckt und besudelt wird, durch ein besonderes Privileg Gottes unberührt und makellos geblieben ist. Sehen wir uns also nach den Gründen um, auf deren Beweiskraft hin wir diese Lehre glauben, und zwar gern und freudig glauben…

Diese Lehre ist so alt wie jede andere Glaubenslehre, so alt wie das ganze Apostolische Glaubensbekenntnis. Sie ist eben eine Tatsache. Eine Tatsache aber kann wahr sein, ohne daß man sie kennt und weiß. Maria wäre also ohne Makel der Erbsünde empfangen, auch wenn wir gar nichts davon wüßten. Aber dem ist nicht so, zu aller Zeit haben die Christen diese Lehre gekannt und geglaubt: der heilige Apostel Andreas hat sie schon am Kreuz gepredigt. Die Verkündigung dieser Glaubenslehre im Jahre 1854 hat darum der Unbefleckten Empfängnis gar nichts Neues beigefügt als die feierliche Erklärung, daß derjenige, der von nun an diese Lehre nicht glaube und anerkennen, aufhöre, katholisch zu sein.

Von den Beweisen aber für die Unbefleckte Empfängnis ist keiner so schlagend und überzeugend als jener, den schon der alte Doktor Subtilis, Duns Scotus, ins Feld geführt…Von den vielen Beweisen war aber keiner so schlagend als der: Potuit, Decuit, Ergo fecit, Gott hat es gekonnt, es hat sich für ihn geziemt, also hat er´s auch getan. Daher sei dieser Beweis auch hier für die Unbefleckte Empfängnis geltend gemacht.

Beweis 1: Potuit

Deus potuit, Gott hat es gekonnt, nämlich Maria von der Erbsünde ausnehmen. Die Erbsünde ist allein vom Willen Gottes abhängig; er hat sie über alle Nachkommen Adams wie einen großen Fluch verhängt; diese alte Schuld ist ein Gesetz, das Gott für alle Menschen bis ins letzte Geschlecht hinunter erlassen hat. Nun kann doch schon jeder weltliche Fürst von seinem eigenen Gesetz, auch wenn es die Todesstrafe verhängt, dispensieren und diese oder jene Ausnahme machen. Wer also hätte Gott daran hindern können, wenn er zugunsten seines Sohnes dessen künftige Mutter vom Gesetz der Erbsünde ausnehmen wollte? Niemand…

Es hat also Duns Scotus ganz recht: Deus potuit, Gott konnte Maria von der Erbsünde ausnehmen.

Beweis 2: Decuit

Deum decuit, Gott hat es geziemt, Maria von der Erbsünde auszunehmen. Als die heilige Dreifaltigkeit den Ratschluß faßte daß Gott Sohn – Mensch werden und die Menschen erlösen sollte, hat Gott natürlich auch schon an die Mutter gedacht, durch welche er Mensch werden sollte; denn Gott denkt nicht eins nach dem andern, sondern alles zusammen auf einmal; als Mutter seines Sohnes aber hat er Maria ausgedacht. Maria also wurde nicht empfangen, um von Gott erst zur Mutter Gottes bestimmt zu werden, sondern sie wurde schon als die von Gott vorher bestimmte Mutter Gottes empfangen. Wo Tertullian, jener beredte, aber unglückliche Christenadvokat aus Afrika, der außerhalb der heiligen Kirche, für die er doch so lange, so mutig und so geistesmächtig gekämpft, gestorben ist, auf den Ratschlag Gottes zu sprechen kommt: Lasset uns den Menschen machen nach unserem Ebenbild und Gleichnis! – da hält er auf einmal inne und meint, Gott habe dabei noch an einen Höheren gedacht, als an den ersten Erdenmann, von dem er voraus sah, daß er ihn, unsern Herrgott, so geschwind als möglich beleidigen werde; er meint, Gott habe dabei an den Sohn Gottes als Mensch, an Christus, gedacht: recogita totum illi Deum occupatum et deditum, stelle dir unseren Herrgott vor, – ganz und gar jenem Gebilde obliegend und hingegeben, quodcunque limus exprimebatur, zu welchem der Lehm von Gottes Hand umgestaltet wurde, – an wen wurde da von Gott gedacht? – Christus cogitabatur homo futurus, an den Sohn Gottes, der Mensch werden wird, an Christus wurde gedacht.

Und wahrlich, bei Gott gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft, alles ist vor seinem allumfassenden Auge Gegenwart. Darum stand vor seinem Blick neben dem ersten Adam, dem Sünder, auch schon der zweite Adam, der Erlöser. Nun kann aber selbst Gott nicht an seinen Sohn als Mensch denken, ohne daß ihm dabei zugleich auch jene in den Sinn kommt, durch die er es werden soll und werden wird. Es ist also auch das wahr: damals, als Gott den Entschluss gefaßt, den Menschen zu schaffen, also in der tiefsten Tiefe der Ewigkeit, ward auch schon an Maria als an die künftige Mutter Gottes gedacht. –

Vielleicht ist es verständlicher, wie es der gelehrte Jesuit Salmeron sagt: Die Gottesmutterschaft Marias war, daß ich so sage, schon die Begleiterin und Schaffnerin (comes et administra) ihrer Empfängnis. Was aber ist verehrungswürdiger als die Mutterschaft, wodurch Maria wahrhaft Mutter Gottes heißt und ist? Willst du also die Reinheit und Würde der unbefleckten Gottesmutter wissen, so schaue über den Abstand der Zeit zwischen Marias Empfängnis und ihrer Mutterschaft Gottes hinweg. Denn wenn auch ihre Empfängnis um fünfzehn Jahre ihrer Mutterschaft vruas ging, so ist diese doch im Gedanken Gottes und im Vorauswissen der Geheimnisse die Begleiterin ihrer Empfängnis, so daß man an Marias Empfängnis gar nicht denken kann, ohne an ihre Mutterwürde zu denken. Denn Maria wurde nicht empfangen, um erst zur Mutter Gottes berufen zu werden, sondern sie wurde schon als die von Gott berufene Mutter Gottes empfangen. Es begleitete also die Mutterschaft der Gottesgebärerin ihre Empfängnis, um jede Verwandtschaft, jede Berührung mit der Sünde schon im voraus abzuwenden. Aber nicht bloß als Begleiterin stand die Mutterschaft der Empfängnis Marais zur Seite, sondern auch als administra, als Schaffnerin, denn die Wurzel, aus der alle Gnaden und Vorzüge Marias hervor keimten, ist die Mutterschaft Gottes. Bei der Empfängnis Marias aber ist die Gnade der Natur zuvor gekommen, damit sie als die des Sohnes Gottes würdige Mutter empfangen würde. So der Jesuit Salmeron.

Um es also kurz zusammen zu fassen, was da in langen Worten auseinander steht, so war es an dem Tage der Empfängnis Marais vor unserem Herrgott völlig eins und dasselbe, ob man sagte: heute ist Maria empfangen, oder: heute ist die Mutter Gottes empfangen. Nun verträgt sich doch aber die Muttergottes-Würde nicht mit der Sünde; wer mag auch nur so etwas für möglich halten, daß nämlich mit Zulassung Gottes die höchste Gnade sich mit der Sünde zur selben Zeit in einer Seele zusammen finde? Nein, die Sache ist so, wie Sankt Anselm sagt: Es geziemte sich, daß jene Jungfrau, der Gott Vater seinen eingeborenen Sohn zum Sohne gab, um ihn mit ihr gemeinschaftlich zu besitzen, in solcher Reinheit erstrahlte, daß außer Gott eine größere sich nicht denken läßt. Daher hat Duns Scotus abermals recht, wenn er sagt: Deum decuit, für Gott ziemte es sich, Maria von der Erbsünde auszunehmen.

Beweis 3: Ergo fecit

Seien wir also außer Sorge, Gott Vater hat schon auch so viel Schicklichkeit gehabt, dafür zu sorgen, daß die Wohnung, worin Gott Sohn Mensch geworden, worin er Leib und Seele angenommen, daß Maria vom Satan nicht berührt, von der Sünde nicht besudelt wurde.

Dazu kommt: Maria war verheißen und voraus gesagt als diejenige, die der höllischen Schlange den Kopf zertreten werde: Ich will Feindschaft setzen, sprach Gott strafend zur Schlange, zwischen dir und dem Weibe usw. Damit ist aber unverträglich, daß Maria jemals selbst unter der Botmäßigkeit und Gewalt des Satans gestanden hätte und ihm durch die Sünde verwandt gewesen wäre.

Die heidnischen Athener stellten ihre hochverehrte Schutzgöttin Pallas Athene in Harnisch und Waffenrüstung dar, den Fuß auf eine Schlange gesetzt, um sie als Siegerin zu kennzeichnen. Denn bei den Naturkundigen galt es als ausgemachte Sache, daß, wenn es einer Frau gelinge, einer Schlange auf den Kopf zu treten, ehe die Schlange steche, der Kopf der Schlange berste, daß aber, wenn es der Schlange gelinge, der Frau in den Fuß zu stechen, ehe diese ihr auf den Kopf trete, die Frau am Schlangengift sterbe. Den Heiden war es unerträglich, daß ihre Göttin Pallas Athene sich jemals könne von einer Schlange überlisten und in den Fuß stechen lasse. Daher haben sie dieselbe stets als Siegerin, den Fuß auf die Schlange gesetzt, dargestellt.

Von Maria hat es aber Gott selbst voraus gesagt, daß sie der Schlange den Kopf zertreten und ihrem Biß zuvorkommen werde. Wir würden also hinter den Heiden zurückstehen, wenn wir für möglich hielten, Gott habe zugelassen, daß die Schlange mit ihrem Biß auch nur einen Augenblick Maria verwundet habe: nein, nein, Gott hat es geziemt, sie von der Erbsünde auszunehmen.

Noch mehr: Maria gilt als das lebendige Buch, in das Gott sein ewiges Wort geschrieben. Denn so heißt der Sohn Gottes: das Wort des Vaters, weil er dessen vollkommenes Ebenbild und ewiger Abglanz ist. Dieses sein ewiges Wort hat er aber in Maria wie in ein Buch hinein geschrieben: Im Anfang war das Wort usw. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Maria ist also ein kostbares, goldenes Buch mit dem heiligsten Inhalt, den je ein Buch enthalten. Wird nun aber Gott Vater zugeben, daß dieses Buch befleckt und besudelt werde? –

… Daher können wir fest behaupten: Ergo fecit, also hat er`s getan, also hat er Maria von der Erbsünde ausgenommen! –
aus: Philipp Hammer, Marien-Predigten, 1909, S. 8 – S. 13

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