Maria die Glorreiche Reinheit und Liebe

Maria als Himmelskönigin steht auf einer Wolke, eine Krone auf ihrem Haupt, eine Lilie in der Hand, die Hände über der Brust gekreuzt, hinter ihr eine helle Lichtkuppel wie im Petersdom

Maria die Glorreiche an Reinheit und Liebe

Das ist ja aber der Liebe zum göttlichen Erlöser eigen, daß ihr läuternde, verklärende Kraft innewohnt, die, wenn nicht den Leib, so doch die Seele, die Gedanken, Wünsche und Begierden vor dem geistigen Tode, vor geistiger Fäulnis und Verwesung schützt. Darum sollte es unsere stete Sorge sein, daß unser Herz, gleich dem Herzen der Gottesmutter, ein Glutofen werde, worin die Liebe zum Heiland in Sehnsucht und Heimweh zum Himmel brennt, worin unsere Seele, unser ganzes Menschenwesen von den Schlacken irdischer Lust gereinigt wird, daß es ein Scheiterhaufen werde, auf dem unser Ich, der alte Adam mit den Überresten der Erbsünde, mit der dreifachen bösen Lust als Brandopfer Gott dargebracht, zu Asche verglüht, und nichts übrig bleibt als der Ausruf: „Examinatum est igne cor meum, im Feuer wurde mein Herz erprobt, et non inventa est in me iniquitas, und Missetat wurde nicht gefunden in mir“. Die christliche Dichterin (Gräfin Ida Hahn-Hahn) hat schon recht, wenn sie singt:

Wer da will die Liebe kennen,
Muss auf innerm Scheiterhaufen
Starken Muts das Ich verbrennen
Und den Schmerz in Tränen taufen;
Muss den ganzen Wust der Welterlösung
Frischweg in die Flamme legen,
So dass nichts sich hemmend stellt
Vor der Gnade vollen Segen.

Wo sind denn aber die Herzen, die in solcher Liebe dem göttlichen Erlöser entgegenschlagen oder vielmehr entgegen brennen? Ach, diejenigen, die sich mit den irdischen Gütern genügen lassen, sie haben keine wahre Liebe; nur jene besitzen sie, welche sich sehnen, die Erde zu verlassen und zu Christus zu kommen. Daher müssen wir uns das schöne Wort des hl. Augustin wohl gesagt sein lassen: „Qui non gemit peregrinus, wer sich auf Erden nicht als Fremdling fühlt, und wie die Taube nach dem Erlöser seufzt, non gaudebit civis, wird nicht eingehen in die Freude des Herrn, noch erhalten in der Stadt Gottes das Bürgerrecht!“

Ohne Liebe aber, die zum Himmel, zum göttlichen Erlöser zieht, muss das Herz in sich verderben, muss im Sündenelend sterben. Das ist gerade der Fluch, der jene trifft, die unseren Herrn nicht lieben. Der hl. Paulus gerät in Entrüstung bei dem Gedanken, daß es solche Menschen geben könne, die Christus nicht lieben, und macht seiner Entrüstung Luft durch den Ausspruch: „Wenn jemand nicht lieb hat unsern Herrn Jesus Christus, anathema sit, er sei verflucht!“ Daher tut es not, die glorreiche Gottesmutter um Liebe zu ihrem göttlichen Sohn zu bitten, und also zu ihr zu beten:

Du, o Mutter schöner Liebe,
Frei von Schuld und vom Verderben!
Du, o Mutter schöner Liebe,
Die nicht braucht` sich selbst zu sterben,
Die dem Himmel zugekehrt,
Wie die goldne Sonnenwende,
Die durch Schatten ungestört
Blüht von Anfang bis zu Ende:
Alle unsre armen Herzen,
Die in Liebesdurst verschmachten,
Aber, unbelehrt durch Schmerzen,
Nicht sich selbst zum Opfer brachten –
Ach, verlaß` die Armen nie,
Wolle zum Altar sie ziehen,
Daß im Heiligtume sie
Wie ein Weihrauchkorn verglühen!

Aber Maria musste nicht bloß der Sterblichkeit entkleidet, sondern auch mit Unsterblichkeit bekleidet werden, und das bewirkte ihre jungfräuliche Reinheit.

Ihre jungfräuliche Reinigkeit bewirkte ihre Unsterblichkeit

Der heilige Leib der Gottesmutter, sagt Bossuet, durfte nicht im Grabe bleiben. Was ihn aber vor Verwesung schützte, war die Jungfräulichkeit: sie zog eine himmlische Kraft in ihn hinein, die ihn nicht bloß vor Fäulnis bewahrte, sondern es ihm auch möglich machte, vor der Zeit aufzuerstehen. Was das erste angeht, so ist die Jungfräulichkeit gleichsam ein himmlischer Balsam, der den Leib der seligsten Jungfrau vor Verwesung bewahrt hat. Ihr göttlicher Sohn, der es für keinen Raub hielt, Gott gleich zu sein, hat zwar Knechtsgestalt angenommen und ist den Menschen gleich geworden, aber die Sünde ausgenommen; er hat die menschliche Natur, einen Leib angenommen, aber nicht den Leib der Begierlichkeit, nicht das Fleisch der Sünde. Diesen Leib aber, jungfräulich, rein, heilig, wie er des Sohnes Gottes würdig war, konnte ihm nur eine reine, makellose, jungfräuliche Mutter geben. Maria, also, aus welcher er seinen Leib genommen, musste ihm an Geist und Leib, daß ich so sage, ebenbürtig, an Reinheit und Heiligkeit möglichst ähnlich sein. Diese Wahrheit nun vorausgesetzt, wird man leicht begreifen, daß man von der jungfräulichen Reinheit der Gottesmutter nicht auf gewöhnliche Weise denken darf, nein, um von ihr eine richtige Vorstellung sich zu bilden, muss man wissen, daß sie in der Mutter des Herrn eine vollkommene integritas, eine vollkommene Unversehrtheit des Geistes und Leibes hervorgebracht… –
aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, Bd. 3, 1897, S. 102 – S. 105

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