Der wunderbare Name Marias

Maria, die zukünftige Mutter Gottes, sitzt auf der rechten Seite am Eingang des Hauses vor einem Lesetisch und schaut auf den Engel Gabriel, der links kniet und sie begrüßt mit einem Segenszeichen; er verkündet ihr den Ratschluss Gottes

Die Muttergottes in Lourdes

Die wunderbare Frau mit Namen Maria die Unbefleckte Empfängnis

Die heilige Bernadette kniet an der Grotte von Lourdes und schaut auf Maria, die Muttergottes, in oben die der Wandhöhle als Statue zu sehen ist

I. Der Morgen des 25. März 1858

Nach dem Entschwinden der himmlischen Visionen war die kleine Bernadette, wie sich denken läßt, in tiefe Betrübnis verfallen. Wird sie wohl wieder kommen, die unbeschreiblich schöne Dame? Dieser Gedanke erfüllte natürlich ihre ganze Seele.
Noch immer hatte die wunderbare Frau ihren Namen nicht gesagt; war sie denn auch wirklich die Königin des Himmels, die allerseligste Jungfrau Maria, die Mutter des göttlichen Kindes, welches die Welt erlöste? Ein Schleier des Geheimnisses umhüllte noch immer diese große Hauptfrage und niemand wußte eine sichere Antwort, so allgemein man es auch glaubte. Es war wieder Nacht geworden wie vorher, der Glanz des Himmels, welcher die Erde erleuchtet hatte, war wieder entschwunden, und auch Bernadette, die begnadigte, sah jetzt nichts mehr als die gewöhnlichen nun Schnee bedeckten Ufer am Gavefluss, den öden und rauhen Felsen Massabielle mit seiner Höhle und den grauen Wolkenhimmel, der sich darüber hinzog. Eine stille Hoffnung auf Wiedersehen lebte jedoch immerhin in ihrem Herzen fort.

Sie ging noch verschiedene Male zu der Gnadenstätte und betete dort, wie auch viele andere Leute, doch ohne den inneren Ruf zu vernehmen, der sie sonst dazu aufgefordert hatte. Kein überirdischer Lichtglanz zeigte sich mehr und sie hörte sich nicht wieder beim Namen rufen von der unbeschreiblich sanften und süßen Stimme, die mit ihrem himmlischen Wohlklang sonst ihr Herz entzückt hatte.

Aber es nahte jetzt das Fest „Mariä Verkündigung“, der Gedenktag jener großen himmlischen Erscheinung, als einst der Bote des Herrn in strahlendem Himmelsglanz vor der demütigen Jungfrau in Nazareth erschien und sie als die Königin der Frauen, als die „gnadenvolle und gesegnete“, „mit welcher der Herr ist“, begrüßte. Beachten wir wohl diese bedeutungsvollen Worte des englischen Grußes, so werden wir auch das Folgende, was jetzt zu erzählen ist, in seiner wundervollen Bedeutung um so besser verstehen.

An diesem Festtag, am 25. März 1858 in der Morgenfrühe, hörte Bernadette plötzlich wieder die geheimnisvolle Stimme in ihrem Innern, welche sie unwiderstehlich zum Gnadenort hinzog. Sie eilte sogleich voll heiliger Freude dahin, ihr Herz sagte ihr, sie werde die himmlische Frau jetzt wiedersehen, und ihr Angesicht strahlte voll seliger Hoffnung. Man sah sie auf der Straße vorüber gehen und einer rief es dem andern zu: „Seht da, Bernadette geht zur Grotte!“ In einem Augenblick war es bekannt, aus allen Häusern strömten die Leute und zu gleicher Zeit, als Bernadette an der Grotte anlangte, hatten sie auch schon sich eingefunden. Auch sonst war bereits wieder eine große Volksmenge an dem Festtag zusammen geströmt, worüber Bernadette sich nicht wenig verwunderte. Gar viele mochten sich vielleicht ebenfalls durch einen inneren Ruf herbei gezogen gefühlt haben.

Auch das Wetter war wieder wunderschön, der Schnee war weggeschmolzen und kein Wölkchen stand am tiefblauen Himmel. Soeben stieg auch die Sonne, die Königin der Gestirne, über den noch Schnee bedeckten Bergeshöhen empor und vergoldete sie mit ihrem Strahlenschimmer.
Unter der Menge der Anwesenden bemerkte man auch viele der wunderbar Geheilten, wie Louis Bouriette, den Steinhauer, Blaisette Soupenne, August Bordes, der früher lahm war, die taub gewesene Witwe Crozat, Benedikta Cazeaux, eine vom Fieber erstandene Frau, und andere mehr. Das Morgen-Offizium der Kirche lautete aber an diesem Tage wie folgt:

„Dann öffnen sich der Blinden Augen, der Tauben Ohren tun sich auf; dann springt wie ein Hirsch der Lahme … denn in der Wüste brechen Gewässer hervor und Ströme in der Einöde.“

Diese prophetischen Worte mochten sich wohl auch auf die leiblich Geheilten zurück beziehen, welche als Zeugen an diesem Tag anwesend waren; aber es lag diesmal noch eine ganz besondere Bedeutung darin, ein geistiger Sinn, welcher auf das bevorstehende erstaunliche Ereignis hinwies. Denn an diesem Tag, der den Mittelpunkt der Lourdes-Geschichte bildet, sollte das hohe Geheimnis der unbefleckten Empfängnis sichtbar der Welt erscheinen. Es war der „versiegelte Brunnen“, welcher in der Wüste des Zeitalters sich erschloß, und in dessen Lebensströmen die geistig Blinden, Tauben, Lahmen, denen die Religion erstarb, wieder Gnade und heil finden sollten.

II. Die „unbefleckte Empfängnis“

Als nun Bernadette sich nieder kniete, siehe, da zeigte sich gleich wieder der überirdische Widerschein auf ihrem Antlitz; ihre Gesichtsfarbe wurde weiß und glänzend, ihre Züge und ganze Gestalt verklärten und hoben sich in der Ekstase , ihre Augen waren mit Entzücken in die Höhe gerichtet und sie sah wieder die himmlische Frau in ihrem wunderbaren Strahlenglanz, das vollkommene Bild der Schönheit und Liebe, wofür es auf Erden keinen Vergleich gibt.
Bernadette hatte vom Pfarrherrn von Lourdes die gemessene Weisung erhalten, bei etwaigem Wiedererscheinen der überirdischen Frau die Frage nach ihrem Namen zu wiederholen. Sie redete also im pfarramtlichen Auftrag und im Namen der Kirche, als sie jetzt nochmals diese so wichtige Frage wiederholte:
„O meine Dame“, sagte sie, „haben Sie doch die Güte, mir zu sagen, wer Sie sind und wie Sie heißen?“
Die Schönheit der wunderbaren Frau schien noch strahlenden und ihr freundliches Lächeln, womit sie dem Kind antwortete, noch sanfter und milder, doch eine andere Antwort erteilte sie nicht.
Es war aber der Tag und die zeit, wo das kirchliche Offizium, welches jetzt gebetet wurde, in folgenden Worten sich fortsetzte:

„Heilige Jungfräulichkeit, mit welchen Worten ich dich erheben soll, weiß ich nicht; den welchen die Himmel nicht fassen können, den hast du in deinem Schoße umschlossen.“

Bernadette wagte es nochmals zu bitten: „Meine Dame, (Madame), wollen Sie mir nicht sagen, wer Sie sind?“

Wiederum erschien die Jungfrau noch schöner und von Liebe strahlender, wie als ob sie in himmlischer Glückseligkeit sich noch mehr verklärte. Sie antwortete aber wieder nicht und lächelte nur wieder, lange fortgesetzt, in einer unbeschreiblichen, himmlischen Weise.
Die Antwort gaben aber die Gebete und Gesänge der Kirche an diesem Tag, welche also lauteten:

„Freuet euch mit mir alle, die ihr den Herrn liebet! Denn von meiner Kindheit an war ich dem Allerhöchsten wohlgefällig, und aus meinem Schoße ging der Gottmensch hervor. Es werden mich selig preisen alle Geschlechter. Denn Gott hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd, und aus meinem mütterlichen Schoße wird der Gottmensch geboren.“

Bernadette, welche die in der Ferne schallenden Loblieder der Kirche nicht vernahm, bat nunmehr mit kindlichem Vertrauen und Mut zum dritten Mal: „O meine Dame, ich bitte, sagen Sie mir doch Ihren Namen, Sie müssen mir sagen, wer Sie sind!“
Da verklärte sich die Jungfrau in einem noch höheren Grad von himmlischer Glorie, wie in unaussprechlicher Wonne verloren; sie verharrte jedoch in ihrem freundlichen Schweigen und Lächeln.
Die Kirche grüßte sie aber jetzt im fortgesetzten Gebet mit ihrem Namen, in Wiederholung jener hohen FreudenBotschaft, welche an diesem Tag in allen katholischen Kirchen des Landes widerhallte, mit dem Gruß des Engels:

„Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern!“

Bernadette erblickte die Erscheinung immer im weißen Strahlengewand mit der himmelblauen Schleife, den Rosenkranz mit dem goldenen Kreuz in den andächtig gefalteten Händen haltend, wie ein himmlisches Bild von verklärter Demut und Gottesliebe. So möchte sie selbst wohl in die Betrachtung und Anbetung der göttlichen Dreieinigkeit versenkt sein, gerade wie das Kind in den Wunderanblick ihrer im Abglanz der Gottheit strahlenden Schönheit.

Nun aber, als Bernadette die bittende Stimme zum vierten Mal erhob, wendete sie den Blick nach oben, öffnete sie die gefalteten Hände und ließ den Rosenkranz am rechten Arme herab gleiten. Dann erhob sie Hände und Arme, senkte sie wieder zur Erde und erhob sie wieder, ihr empor gerichtetes Antlitz wurde unbeweglich, glänzender und strahlender als je, das Auge ganz in unergründliche Wonnen versenkt, und mit einem unbeschreiblichen Blick nach oben, voll unendlicher Dankbarkeit, Liebe und Anbetung, sprach sie das hohe Wort ihres Namens:

„Ich bin die unbefleckte Empfängnis!“

Im gleichen Moment war die himmlische Vision ganz plötzlich den Augen des Hirtenkind entschwunden, ohne den gewöhnlichen freundlichen Blick und Abschiedsgruß. Bernadette aber behielt in der Folge das himmelschöne und erhabene Bild, wie sie es eben geschaut, mit besonderer Treue und Lebendigkeit in ihrer Seele zurück, so daß die bildenden Künstler, welche es späterhin wieder zu geben suchten, best möglichst dazu in den Stand gesetzt waren.
Die Seherin fand sich nun plötzlich wieder dem Himmel entrückt in der gewöhnlichen Umgebung der frommen Menge und der kahlen Felsen. Nur aber die Wunderquelle murmelte jetzt, als freundliches Himmelszeichen, sanft und lieblich ihr zur Seite und ihre kristallklaren Wellen fielen mit hellem Geplätscher in den Wasserbehälter der braven Steinbrecher.
Voll dankbarer Freude schlug Bernadette nun eiligst den Rückweg zur Stadt ein, um den Pfarrherrn von der erhaltenen Antwort in Kenntnis zu setzen. Unterwegs wiederholte sie in einem fort die beiden Worte „unbefleckte Empfängnis“, damit sie ihr gar nicht aus dem Sinn kämen: denn sie waren ihr in ihrer Unwissenheit vorher noch nicht bekannt. (*)

Das kirchliche Offizium enthielt aber noch die herrliche Lobeshymne, welche an diesem Tage in den Kirchen und Klöstern der ganzen katholischen Welt angestimmt wurde:

„O gloriosa virginum,
Sublimis inter sidera!“

„O du glorreiche der Jungfrauen,
Erhabene unter den Sternen etc. etc.“

(*) Bernadette, die ohne Schule auf dem Land und im Pyrenäen-Gebirge ganz einsam aufwuchs, hatte zu dieser Zeit noch kaum einige Kenntnis oder Übung in der richtigen französischen Sprache. Zu ihrer Heimat, im Lande Bearn, wird noch heute auf dem Land eine besondere, dem benachbarten Spanischen ähnliche Mundart gesprochen, worin auch Maria mit ihr redete. „Suy l`immaculada cunceptiun“, so lauteten daher die ursprünglichen Worte, wie sie Bernadette vernahm. –
aus: Anselm Schott, Die Wunder von Lourdes, 1899, S. 167 – S. 172

siehe auch den Beitrag: Was bedeutet unbefleckte Empfängnis?

Ave Maria mit Szenen aus dem Film „Das Lied der Bernadette“

Bildquellen

  • the-annunciation-1125149_1920: pixabay

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