Die Leiden des Papstes Bonifaz VIII

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

Die Statthalter Jesu Christi regieren die Welt

Papst Bonifaz VIII. steht, in schlichter Kleidung, und hält ein Buch in Hand; er trägt einen langen Bart und schaut ernst und konzentriert

Erneute Auflehnung gegen Papst Bonifaz VIII.

Am Schluss, fast möchten wir sagen mit dem letzten Dezember des Jahres 1300 war die europäische Welt eine andere geworden. Von da an begann von neuem die Auflehnung gegen den Heiligen Stuhl. Ein Geist des Widerspruchs fuhr in viele Fürsten, der ihnen nicht zum Heil diente. Jetzt pflanzte der König Philipp von Frankreich abermals die Fahne der Empörung auf. Daß er keine Ursache dazu hatte, ergibt sich aus dem, was wir bisher erzählten. (siehe den Beitrag: Papst Bonifaz VIII.) Gerade ihm und seinem Land hatte Papst Bonifaz die größte Liebe erwiesen. Alle seine Vorgänger haben ihre schönste Aufgabe darin gesehen, den christlichen Völkern die Segnungen des Friedens zu erhalten und die Kriege zu verhüten. Auch Bonifaz bot als Friedensfürst alles auf, die zwischen England und Frankreich seit langem bestehenden Feindseligkeiten gänzlich beizulegen. Der Streit des französischen Königs gegen den Papst brach aber aufs neue aus und diesmal heftiger als je zuvor. Ein Gesandter des heiligen Vaters wurde sogar eingekerkert. Der König war so erbittert, daß er dem päpstlichen Gesandten wegen Hochverrates den Prozeß machen ließ. Bonifaz war nun gezwungen, ein längeres Schreiben nach Frankreich zu schicken, worin er den König mahnte, doch dem Statthalter Jesu Christi zu gehorchen, der in väterlicher Liebe zu ihm rede. Der König möge eingedenk sein der heiligen Taufe, seiner Pflichten und seiner Stellung zum Oberhaupt der Christenheit. Der Papst erklärte, daß die geistliche Gewalt doch höher stehe als die weltliche. Das Gleiche hatten ja seine Vorgänger in ähnlichen Verhältnissen auch gesagt. Doch Philipp konnte eine solche Sprache nicht mehr ertragen. Er verbrannte das schreiben des heiligen Vaters und schickte einen Brief nach Rom, der seine grobe Rachsucht offenbarte: „Philipp, durch Gottes Gnade König von Frankreich, an Bonifaz, den sogenannten Papst! Möge deine Einfältigkeit wissen, daß ich in zeitlichen Dingen niemand unterworfen bin. Als König kann ich auch die geistlichen Stellen vergeben und die Früchte davon nehmen. Ämter, die ich verleihe oder verliehen habe, sind rechtmäßig verliehen, und ich beschütze deren Inhaber gegen jedermann. Wer anders denkt, muss wahnsinnig sein.“ So schrieb der übermütige König an den Vater der Christenheit.
Um im Kampf mit Rom das französische Volk auf seine Seite zu bringen, rief der König im April des Jahres 1302 die Volksvertretung zusammen. Der arglistige Kanzler Flotte hielt dort eine Rede, worin er der Versammlung vorlog, daß der Papst den König absetzen und Frankreich selbst regieren wollte. Es ist tief zu beklagen, daß die Bischöfe diese Lügen anhörten und sie zu widerlegen nicht den Mut hatten.

In dieser Bedrängnis der Kirche berief Bonifaz im Oktober des nämlichen Jahres eine Kirchenversammlung nach Rom. König Philipp verbot den Bischöfen seines Landes, dahin zu gehen und zog die Güter derer ein, welche dem heiligen Vater gehorchen zu müssen glaubten. Aber trotz des königlichen Verbotes erschienen mehr als vierzig französische Bischöfe und Äbte in Rom. In einem Brief setzte Bonifaz die Beziehungen zwischen der päpstlichen und königlichen Gewalt auseinander. Er sagt, daß Jesu Christo alle Menschen Gehorsam schuldig sind. Da der Papst Christi Stellvertreter ist, so ist ihm jeder Mensch unterworfen. Doch anerkennt die Kirche, daß die weltliche Gewalt in rein weltlichen Dingen unabhängig ist. Die Richtigkeit einer solchen Lehre gibt der gesunde Menschenverstand von selbst ein.

Im Juni des Jahres 1303 nahm der Kampf gegen Rom eine verabscheuungswürdige Wendung. Papst Bonifaz war damals bereits ein Greis von sechsundachtzig Jahren. Selbst ein so ehrwürdiges Alter schonte der König Philipp nicht. Er beschloß den Tod des heiligen Vaters, der in seiner Vaterstadt Anagni von den Vorgängen in Frankreich Kunde erhielt. Am 7. Dezember des Jahres 1303 standen Nogaret und Colonna, zwei Freunde Philipps und Gegner des Papstes, mit dreihundert Reitern und einigen Haufen Fußgängern vor den Toren der Stadt Anagni, welche ihnen durch Bestechung gewonnene Einwohner öffneten. Es dauerte nicht lange, so hatten die meisten von der Umgebung des Papstes und auch die Kardinäle bis auf zwei die Flucht ergriffen. Nur Bonifaz blieb standhaft, wie es sich für einen Nachfolger des Apostelfürsten geziemt. Umgeben von wenigen Geistlichen und von zitternden Dienern erwartete der heilige Vater die kommenden Dinge, ließ sich die päpstlichen Kleider anlegen und kniete vor dem Altar seiner Hauskapelle nieder. Der ehrwürdige Greis wurde wurde vor hier weggeführt und in das Gefängnis geworfen, wo man ihn drei Tage ohne Nahrung ließ. Allein bald äußerte sich die fromme Gesinnung der Einwohner von Anagni. Sie erholten sich von dem ersten betäubenden Schrecken. Der Ärger stieg zur grimmigen Erbitterung bei der Kunde von der Misshandlung des heiligen Vaters, der aus ihrer Stadt gebürtig war. Am dritten Tag brach das dumpfe Murren in laute Empörung aus.

„Zu den Waffen!“ scholl es durch die Gassen der Stadt; „Hoch lebe der Papst!“ „Tod den Verrätern!“ Die ganze Bevölkerung erhob sich. Die feige Rotte aus Frankreich suchte ihr Heil in der Flucht. Die Türen des Kerkers wurden geöffnet, der greise Papst erhielt seine Freiheit wieder. Sobald die Römer erfuhren, was in Anagni vorgegangen, schickten sie Truppen dahin und führten den geliebten Oberhirten im Triumph heim. Allein die Kraft des päpstlichen Dulders war zu Ende. Bonifaz starb an einem Fieber und infolge der erlittenen Misshandlungen. Seine letzte Stunde erwartete er mit der größten Ruhe und Ergebung. Nach der Gewohnheit der römischen Päpste sprach er vor seinem Hinscheiden noch mit feierlicher Stimme in Gegenwart mehrerer Kardinäle das apostolische Glaubensbekenntnis. Hierauf übergab er am 11. Oktober des Jahres 1303, dreißig Tage nach jener Misshandlung in Anagni, im neunten Jahre seiner ruhmvollen Regierung, im siebenundachtzigsten Jahre seines Lebens seine Seele in die Hand Gottes, dessen Stelle er auf Erden vertreten hatte, wieder zurück.

Der ehrwürdige, hohepriesterliche Greis wurde von seinen Gegnern noch im Grabe geschmäht. Man streute überallhin aus, daß Bonifaz vor seinem Tode wahnsinnig geworden sei und sich selbst in diesem Zustand verflucht und noch arg verstümmelt habe. Papst Bonifaz wurde wie viele seiner Vorgänger in der Peterskirche begraben. 302 Jahre nach seinem Tod, am 9. Oktober des Jahres 1605, musste seine irdische Ruhestätte verändert werden, weil die Kirche des heiligen Petrus umgebaut wurde. Bei Gelegenheit der Übertragung seiner Gebeine in den Vatikan befahl PapstPius V., den Sarg dieses Papstes zu öffnen. Wie war man überrascht, als man den Leib des ehrwürdigen Papstes vollkommen erhalten fand. An keiner Stelle des Körpers fand man eine Spur von eigener Verstümmelung. Zeuge dieser Tatsache war eine große Volksmenge. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 513 – S. 516

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