Die Gebote der göttlichen Tugenden – Der Glaube
Erstes Kapitel
Die Tugend des Glaubens
Erster Artikel:
Begriff und Notwendigkeit des Glaubens
I. Begriff
Der Glaube ist eine übernatürliche Tugend, die uns befähigt, mit Hilfe der göttlichen Gnade auf die Autorität Gottes hin alles fest für wahr zu halten, was Gott geoffenbart hat.
Aus der Autorität Gottes ergibt sich die schwere Pflicht, wenigstens implicite alles zu glauben, was Gott geoffenbart hat, sowie einen Glaubensakt zu erwecken, sobald jemandem eine geoffenbarte Wahrheit hinreichend zu glauben vorgestellt ist. Ebenso muss man auch öfters während des Lebens einen Glaubensakt erwecken. Es genügt aber, wenn dies geschieht durch Betätigung des Glaubens z. B. durch Gebet, Anhörung der heiligen Messe usw. – Wegen besonderer Umstände kann man auch außerdem manchmal einen Glaubensakt erwecken müssen, z. B. wenn man seinen Glauben verleugnet hat oder wenn man eine Versuchung nicht anders überwinden kann.
II. Notwendigkeit
bestimmter Glaubenskenntnisse.
1. Necessitate medii muss jeder, der zum Vernunft-Gebrauch gelangt ist, wissen und glauben, daß es einen Gott gibt und daß derselbe das Gute und Böse vergilt; wahrscheinlich muss man auch die Trinität und Inkarnation kennen und glauben.
Praktisch muss man der sicheren Meinung folgen. Deshalb darf man niemandem, den man noch hinreichend unterrichten kann, die Taufe oder das Bußsakrament spenden, wenn er keine Kenntnis von der Trinität oder der Inkarnation hat. – Zweifelt man bei einem Beichtkind, ob es die nötigen Kenntnisse besitze, so wird es sich unter den jetzigen Verhältnissen gewöhnlich empfehlen, daß ihm der Beichtvater im Beichtstuhl die nötige Belehrung gibt. – Beichten, die in Unkenntnis der Trinität oder Inkarnation abgelegt sind, müssen praktisch nicht wiederholt werden. – Könnte man aber einen Sterbenden nicht mehr unterweisen, so könnte man ihn auch taufen bzw. absolvieren, wenn er nur glaubt, daß es einen Gott gibt, der das Gute belohnt und das Böse bestraft. Die Taufe kann in solchen Verhältnissen absolut gespendet werden, wenn die Absicht des Sterbenden, die Taufe zu empfangen, unzweifelhaft feststeht; dies dürfte bei einer solcher Unkenntnis selten zutreffen. Absolviert aber soll ein solcher nur bedingungsweise werden (si capax es.) – Idioten, welche nicht einmal die beiden Hauptwahrheiten auffassen können, sind den Kindern gleich zu achten.
2. Necessitate praecepti ist man verpflichtet, zu wissen bzw. zu glauben: das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die zehn Gebote, die Gebote der Kirche, die allen notwendigen Sakramente (Taufe, Buße, Kommunion), sowie die übrigen Sakramente, wenn man sie empfangen will oder muss.
Die Kenntnis fast all dieser Wahrheiten wird unter schwerer Sünde verlangt; einige mehr nebensächliche Dinge (z. B. Begräbnis Christi) muss man nur unter leichter Sünde wissen. – Es besteht aber keine Pflicht, diese Wahrheiten auswendig aufsagen zu können. – Einen Pönitenten, der diese Wahrheiten nicht kennt, darf man nur absolvieren, wenn er ernstlich verspricht, sich darin unterweisen zu lassen, z. B. durch fleißige Anhörung der Predigt. –
Genauere Kenntnis seines Glaubens ist für jenen nötig, der ohne diese Kenntnis in Gefahr kommt, seinen Glauben zu verlieren. Dies gilt besonders unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen; deshalb kann man leicht sündigen, wenn man die Katechismus-Wahrheiten nicht kennt.
Zweiter Artikel:
Bekenntnis und Verleugnung des Glaubens
I. Bekenntnis
des Glaubens kann durch göttliches oder kirchliches Gebot gefordert sein.
1. Durch göttliches Gebot ist man zum öffentlichen Bekenntnis des Glaubens verpflichtet, wenn Schweigen oder ausreden eine Verleugnung des Glaubens in sich schließen würde oder eine Verachtung der Religion oder ein Unrecht gegen Gott oder ein Ärgernis für den Nächsten (vgl. can. 1325 § 1).
Man muss daher seinen Glauben selbst mit Lebensgefahr bekennen, wenn man in Glaubens-Sachen von der Obrigkeit über seinen Glauben gefragt wird. Wenn aber das Gesetz derartige Fragen verbietet, darf man unter Berufung auf diesen Umstand die Antwort verweigern. – Auf Fragen von Privatpersonen kann man schweigen oder eine ausweichende Antwort geben, wenn dies keiner Glaubens-Verleugnung gleich kommt, noch den Anschein erweckt, als ob man in seinem Glauben unbeständig sei oder sich dessen schäme.
Öffentliches Eintreten für den Glauben ist nötig, wenn man dadurch Verspottung und Verschmähung desselben verhindern kann. Flucht zur zeit der Verfolgung ist an sich erlaubt. Ist aber die Gegenwart der Seelenhirten im Interesse der Gläubigen nötig, dann dürfen erstere nicht fliehen.
2. Das positive Kirchengesetz verlangt außerdem noch in manchen Fällen die Ablegung eines öffentlichen Glaubens-Bekenntnisses.
II. Verleugnung des Glaubens
ist niemals erlaubt und zwar weder eine direkte noch eine indirekte.
1. Direkt wird der Glaube verleugnet durch Worte, Zeichen, Handlungen, die ihrer Natur nach eine Leugnung des wahren Glaubens oder ein Bekenntnis des falschen Glaubens enthalten.
Direkt verleugnet seinen Glauben, wer sagt, er sei kein Katholik, oder er sei Protestant, ebenso wer Götzenopfer darbringt, oder wer am Abendmahl der Protestanten teilnimmt, oder wer sich wiedertaufen läßt. – Keine Verleugnung des Glaubens aber ist es, wenn ein Priester leugnet, daß er Priester sei.
2. Indirekt wird der Glaube verleugnet durch Handlungen und Unterlassungen, die nicht an sich, wohl aber durch die tatsächlichen Umstände eine Verleugnung des Glaubens in sich schließen.
Indirekt verleugnet seinen Glauben, wer auf eine Frage nach dem Glauben schweigt, während ein anderer antwortet, er sei nicht katholisch oder unter den Anwesenden sei kein Katholik. – Dasselbe gilt, wenn jemand dafür sorgt, daß man als Dissident in die Staatsregister eingetragen wird, und man schweigt absichtlich dazu. Eine indirekte Verleugnung des Glaubens ist es auch, wenn man häufig den Gottesdienst Andersgläubiger besucht, nie aber den katholischen, so daß andere meinen müssen, man sei vom Glauben abgefallen. – Manche Autoren sehen auch im Tragen von Freimaurer-Abzeichen und im Gruß nach Art der Freimaurer eine Verleugnung des Glaubens, manche Autorenaber lassen dies nicht gelten und halten es in gewissen Fällen für erlaubt.
3. Keine Verleugnung des Glaubens ist die Verheimlichung desselben; sie ist erlaubt.
So ist es einem Katholiken erlaubt, Freitags Fleisch zu essen, um nicht als Katholik erkannt zu werden und so großen Unannehmlichkeiten zu entgehen. Dasselbe gilt von der Unterlassung des Kreuzzeichens oder des Tischgebetes. Auch Unterlassung des Kniens vor dem Allerheiligsten ist an sich keine Verleugnung des Glaubens, oft aber eine Sünde gegen die Gottesverehrung. Eine Verleugnung des Glaubens aber wäre es, wenn man auf eine Aufforderung hin an verbotenen Tagen Fleisch essen würde usw., um so seine Verachtung gegen denselben zu zeigen. –
aus: Heribert Jone OMCap, Katholische Moraltheologie, 1931, S. 87 – S. 94