Die Bekehrung soll man ja nicht aufschieben
Der heil. Raimund hörte nicht auf bis in sein hohes Alter, an der Bekehrung der Ungläubigen und Sünder zu arbeiten. Eine große Zahl solcher Unglücklichen schenkte seinen eindringlichen, herzlichen Worten Gehör und sie öffneten die Augen dem Licht der Wahrheit, verließen ihre verkehrten, gottlosen Wege und retteten durch Reue und Buße ihre unsterbliche Seele. Der König Jakob von Aragonien aber widerstand lange den heilsamen Ermahnungen seines heiligen Beichtvaters; er verschob von einem Tag zum anderen seine Bekehrung; immer schwankte er hin und her; heute versprach er Besserung, morgen brach er sein Wort wieder. Endlich verließ ihn der Heilige und nun erst gingen ihm die Augen auf; jetzt erst zerriß er die Bande des Lasters und versöhnte sich mit Gott. Diese Gnade hatte er gewiß dem Gebet des Heiligen zu verdanken. Wie viele aber, welche diesen König in seinem sündhaften Leben nachahmen, erlangen diese Gnade nicht. Sie leben jahrelang in der Sünde; sie fühlen keine Ruhe; immer mahnt sie ihr Gewissen, die Sünde zu verlassen: Gott läßt Furcht, Schrecken, Angst, Leiden, Trübsale über sie kommen; sie machen die besten Vorsätze; aber kaum ist das Übel, das sie getroffen, vorbei, fallen sie in die alten Sünden und vergessen wieder alle Vorsätze. Und so sündigen sie fort und verschieben die Buße bis auf den Augenblick des Todes. Aber nun verläßt sie Gott, den sie schon lange zuerst verlassen. Sie wollen sich bekehren, aber sie haben keine Kraft mehr dazu, und so geht an ihnen das Wort des Herrn in Erfüllung: „Dann wird man mich rufen, aber ich werde nicht hören; frühe wird man aufstehen, aber mich nicht finden; darum daß sie die Zucht gehaßt, und die Furcht des Herrn nicht nicht erwählt haben, nicht gehorchten meinem Rat, und alle meine Strafreden lästerten.“ (Sprichw. 1,28)
O christliche Seele, bedenke doch immer die Worte: „Zögere nicht, dich zum Herrn zu bekehren und verschiebe es nicht von einem Tag zum anderen: denn schnell kommt sein Zorn, und am Tage der Rache wird er dich verderben.“ (Sirach 5,8) Bist du in einer schweren Sünde, eile, eile so schnell, sobald als möglich dich mit Gott durch Reue, durch eine aufrichtige Beichte zu versöhnen; verschiebe die Bekehrung nicht; denn du weißt ja nicht den Tag, noch die Stunde, wann der Herr kommt; du weißt ja nicht, ob das Maß deiner Gnaden nicht schon ganz ausgeleert ist; ob nicht vielleicht heute die letzte Gnade dir geboten und morgen keine Zeit der Gnade mehr für dich sein wird, sondern nur mehr eine Zeit des Gerichtes und der Verdammnis.“
Gebet.
O gütigster, barmherzigster Gott, hilf gnädig, daß ich in keine schere Sünde falle; sollte aber dieses schreckliche Unglück mich treffen, dann laß es nicht zu, daß ich die Bekehrung verschiebe und so ewig zu Grunde gehe; hilf mir, daß ich mich sogleich vom Fall erhebe und durch Reue und Buße dein Kind wieder werde. Amen. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 1, 1904, S. 130