Der Kampf gegen die Geister der Finsternis
8. Mai
Induite vos armturam Dei, ut possitis stare adversus insidias diabolis. Quoniam non est nobis colluctatio adversus carnem et sanguinem, sed adversus principes et potestates, adversus mundi rectores tenebrarum harum, contra spiritualia nequitiae in caelestibus.
„Ziehet an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnet gegen die listigen Angriffe des Teufels. Denn wir haben nicht zu kämpfen wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürsten und Gewaltigen, wider die Gebieter der Finsternis dieser Welt, wider die geistigen Kräfte der Bosheit in den Himmelsgegenden.“ (Ephes. VI., 11,12)
1. Erwäge, daß Luzifer, wenn er auch sein ganzes höllisches Heer, das doch so zahlreich ist, wider dich in den Kampf führt, dich dennoch niemals mit Gewalt besiegen kann: „Widerstehet dem Teufel, und er wird vor euch fliehen.“ (Jak. 4, 7)
Wenn du wider ihn streitest, wird er sich nicht bloß entfernen, sondern er wird vor dir fliehen: so groß ist der Schrecken, den du ihm einflößest! Denke nur, er sei dem Krokodil zu vergleichen, das vor dem flieht, der es verfolgt, und den verfolgt, der vor ihm flieht.
Es kann dich also nur durch Nachstellungen, durch listige Anfälle besiegen, indem er durch Trug und Lüge dich überredet, daß du ihm deine Beistimmung, deine Einwilligung gewährst. Darum sagt der Apostel: „Ziehet an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnet gegen die listigen Angriffe des Teufels“; er sagt nicht: gegen die Macht, gegen den Gewaltangriff, sondern: gegen die listigen Angriffe des Teufels.
Wer sieht aber nicht, daß du eben aus diesem Grund dich noch viel schleuniger bewaffnen und rüsten musst? Könnte der böse Feind durch Gewalt dich überwinden, und dich, trotz alles Widersträubens von deiner Seite, von jenem hohen Stand der Unschuld und der Rechtschaffenheit, worauf du dich befindest, hinabstürzen, so wäre dies für dich ein geringeres Übel; darin besteht das wahre Unheil, daß er seinen Zweck durch hinterlistige Nachstellungen, durch Verführung, durch Anreizung und Verlockung erreicht, indem er es dahin zu bringen weiß, daß du dich selbst hinabstürzest: „Stürze dich da hinab“.(Matth. 4, 6) So kommt es dann, daß dir dein Fall zur Schuld gerechnet werden muss.
Indessen ist es richtig: diese seine listigen Angriffe sind so schwer, daß man sie beinahe Gewalt heißen kann; und darum sagt der Apostel, du sollst dich bewaffnen.
Willst du dich überzeugen, ob sie wirklich schwer sind? Sieh, es verlangt der Apostel von dir nicht einmal, daß du einen herrlichen Sieg über sie erringst; sondern es genügt ihm schon, daß du nicht besiegt werdest: „Ziehet an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Angriffe des Teufels!“
Das Gebet gegen die Nachstellungen Satans
2. Erwäge, worin denn vorzüglich die Nachstellungen des bösen Feindes bestehen, damit du nicht etwa irrest, indem du dich auf nicht ganz rechte Weise bewaffnest.
Diese Nachstellungen sind zahllos: „Viel sind die Nachstellungen des Hinterlistigen“ (Ekkl. 11, 31); alle aber kommen zuletzt auf eine hinaus: daß er sich nämlich aus einem Feind heuchlerisch zum Freund umgestaltet. Denn nie tritt er mit offener Stirn vor dich hin, und stellt die Sünde als Sünde dar; wohl aber führt er dir sie vor unter der gleißnerischen Hülle der Lust oder des Gewinns oder endlich der Ehre.
Sieht er dich zum Genuss geneigt, so versteckt er die Sünde unter der Hülle der Lust: sieht er dich nach Gewinn lüstern, so versteckt er sie unter der Hülle des Vorteiles: sieht er dich nach Ruhm und äußerem Glanz begierig, so versteckt er sie unter der Hülle der Ehre. Er gestattet nicht, daß du je die Sünde in ihrer Blöße sehest, weil er sehr gut weiß, daß du sie dann verabscheuen würdest.
Und wenn er gewahrt, daß du dich offen zu einem tugendhaften Streben bekennst; was tut er dann? „Um die Verstellung voll zu machen“ (Is. 32, 6), führt er dir die Sünde vor – als ein tugendhaftes Werk. Dies aber ist gerade das größte Übel; denn dann verwandelt sich der Böse in einen lichtstrahlenden Engel: „Er nimmt den Schein von einem Engel des Lichtes an“ (2. Kor. 11, 14); und in diesem Falle eben ist es auch im höchsten Grade schwierig, ihn recht zu erkennen: „Wer wird die äußere Gestalt seiner Umkleidung aufdecken?“ (Job. 41, 4)
Dann also hast du das Laster am allermeisten zu fürchten, wann du es für Tugend ansiehst, und das für Aufrichtigkeit hältst, was üble Nachrede, das für Seelenstärke, was Frechheit, das für weise Besonnenheit, was Leidenschaft ist. Wenn du in diesem Zustand nicht bei Zeiten zur rechten Einsicht kommst, bist du verloren; denn als das erste Heilmittel gegen jedes Laster galt stets, daß man es als Laster erkannte.
3. Erwäge, daß, dies alles vorausgesetzt, die vorzüglichste Waffe, mit welcher du dich rüsten sollst, das Gebet sein muss. Denn das Gebet ist das Mittel, das am allermeisten uns Licht verschafft, um den Trug und die Nachstellungen zu entdecken: „In allen diesen Dingen flehe zu dem Höchsten, daß er deinen Pfad in der Wahrheit leite.“ (Ekkl. 37, 19)
Nach dem Gebet aber hast du beständig der Übung aller Tugenden dich zu befleißen: denn dadurch kommt zu dem Licht noch die Erfahrung, und es verbindet sich damit eine gewisse Fertigkeit und erworbene Leichtigkeit, an viele Gegenmittel zu denken, welche heilsam und nützlich werden können: „Ein in vielen Dingen erfahrener Mann wird Vieles denken.“ (Ekkl. 34, 9)
Siehe also hier deine Waffenrüstung. Es wird jedoch von ihr mehr hervorgehoben, daß sie Gottes Sache, als daß sie dein Eigentum ist: „Ziehet an die Waffenrüstung Gottes!“ Denn obgleich es deine Pflicht ist, dich mit eigener Hand damit zu bekleiden: „Ziehet an die Waffenrüstung Gottes!“ – so hast du sie nichtsdestotrotz weniger von Gott.
Hüte dich darum wohl, stolz darauf zu sein. Hörst du nicht, daß sie einem Kleid ähnlich ist? „Ziehet an!“ sagt der Apostel. So kann dich also Gott derselben berauben, wann er will.
Weißt du übrigens, warum diese rege Übung der Tugenden Waffenrüstung genannt wird? Weil sie zugleich schmückt und zugleich schützt.
Die bösen Geister
4. Erwäge nun, etwas tiefer in das Einzelne und Besondere eingehend, die vorzüglichsten Eigenschaften deiner höllischen Feinde, damit du dann um so mehr erkennst, wie dringend notwendig es ist, daß du allezeit zur Verteidigung bereit stehest.
Fürs Erste sind sie keine sichtbaren Feinde, wie einst die Ägypter, später die Ammoniter und die Amorrhäer waren: „Wir haben nicht zu kämpfen gegen Fleisch und Blut“; sondern sie sind unsichtbare Feinde.
Was weiter? Sie sind bloße Geister, an denen durchaus nichts Körperliches haftet. Wisse daher, daß sie alles durchdringen: sie dringen ein in die Augen, sie dringen ein in die Ohren, sie dringen ein in das Gedächtnis, sie dringen ein in die Einbildungskraft, sie dringen ein in den Verstand, sie dringen ein in den Willen; überall schleichen sie sich ein, um dir Nachstellungen zu bereiten.
Noch mehr: sie bilden unter sich ganz geordnete Scharen, und (um von anderen zu schweigen) namentlich zwei: die Fürsten und die Gewaltigen. Denn du musst wissen, daß die Engel, welche wegen ihrer Empörung gegen Gott vom Himmel herabfielen, allen daselbst bestehenden Reihen und Ordnungen angehörten; und so bewahren sie auch noch in der Verdammnis die gleichen Rangstufen, die gleiche Unterordnung, die gleiche Oberleitung, obwohl dies alles nur auf das Böse, das ihr letzter Zweck ist, gerichtet erscheint.
Und warum bewahren sie diese Ordnung? Weil sie sonst nur einen bunten Haufen, aber kein Heer zu bilden vermöchten, und so minder geeignet zum heißen Kampf wären. Am Ende der Welt, wann der Krieg und der Kampf beendet sein wird, wird auch diese Ordnung aufhören und bloß das grausige Entsetzen übrig bleiben; denn die Ordnung kann wohl auf kurze Zeit in der Hölle bestehen, aber sie kann dort niemals wohnen: „Keine Ordnung, sondern ewiges Entsetzen wohnt darin.“ (Job. 10, 22)
Wenn sie aber noch die Ordnung ihrer früheren Rangstufen beibehalten, so behalten sie doch nicht in gleicher Weise auch deren Namen bei, sondern bloß jene, welche ihrem Laut nach sowohl Gutes als Böses bedeuten können. – Solche Namen sind nun die Fürsten und die Gewaltigen; und darum hat auch der Apostel keine anderen als diese, hier in seine Rede gezogen.
Die Fürsten unter den bösen Engel sind jene, welche die Haupturheber und Hauptbeförderer des Bösen sind; die Gewaltigen dagegen heißen jene, welche am meisten Kraft und Macht haben, dasselbe nach Verdienst zu bestrafen.
Der Name Engel und der Name Erzengel, welcher so viel bedeutet als Bote oder Überbringer von Botschaften (wobei den Engeln die geringeren, den Erzengeln aber die wichtigeren Botschaften zugeteilt werden), steht wohl den bösen Geistern noch zu, aber bloß mit einem bezeichnenden Beisatz als: Satansengel, der Engel des Abgrundes, der Hölle oder der Finsternis.
Der Name Seraphim bedeutet ein Herz, das von Liebe zu Gott ganz entflammt ist; dieser kommt natürlich dem nicht zu, der Gott haßt.
Der Name Cherubim drückt einen Verstand aus, der schauend in Gott sich vertieft; und auch dieser Name gebührt dem nicht zu, der Gott nicht sieht.
Der Name Thronen bezeichnet den hehren Sitz der Herrlichkeit Gottes; und dieser Name eignet sich für jene nicht, welche wie ein Schemel unter Gottes Füßen liegen: „Bis ich deine Feinde dir zum Fußschemel legen werde.“ (Ps. 109, 2)
Der Name Kräfte (oder Starke) drückt die Kraft aus Gott, die Beständigkeit, die Entschlossenheit aus. Dieser Name aber kann selbstverständlich nicht dem zukommen, der zu keiner Tat des Mutes und der Kraft, sondern bloß zum Trug und zur Täuschung fähig ist.
Den Namen der Herrschaften hat wohl bisweilen einer oder der andere ihnen zusprechen wollen, aber gewiß nicht im eigentlichen Sinn des Wortes; denn der Besitz der Herrschaft bringt eine Art von Freiheit mit sich, welche jenen Unseligen nicht zukommen kann, die, gleich Sklaven, mit gewaltigen Banden in die Tiefen der Hölle hinabgezogen (2. Petr. 2, 4) und dort unten zu Ketten und zu ewigen Fesseln verdammt sind. Darum hat der Apostel, statt sie einfach Herrschaften oder Herrschende zu nennen, sie hier viel lieber die Gebieter der Finsternis dieser Welt, das heißt, der Weltmenschen genannt, jener Menschen nämlich, welche nach den Grundsätzen der Welt, nach den Gelüsten und Begierden der Welt leben.
Und warum heißen sie deren Gebieter? Weil sie dieselben wenden und treiben, wie es ihnen gefällt, ohne einen Widerspruch oder einen Widerstand zu treffen. Männlich widerstehen ihnen nur jene, welche der Welt den Rücken gekehrt haben.
Die Waffen der bösen Geister
5. Nachdem du so die mannigfache Zusammensetzung des Heeres gesehen, wirf auch einen Blick auf die Waffen, womit diese bösen Geister ausgerüstet sind.
Was siehst du also da für Waffen? Alles, was die feinste Bosheit ersinnen kann: „Die geistigen Kräfte der Bosheit“. Das bedeutet der Ausdruck: geistige Kräfte der Bosheit: gleichsam den höchstverfeinerten Auszug (den wir im gemeinen Leben Geist zu nennen pflegen) aller Bosheit, die ausgesuchteste Schlechtigkeit, die verschmitzteste Tücke, weil kaum sich etwas denken läßt, was im Anzetteln von Täuschung und Trug ihnen gleich käme.
Zuletzt betrachte auch noch den höchst vorteilhaften Platz, von welchem aus sie kämpfen; denn dies geschieht von der Höhe herab: „In den Himmelsgegenden“. Sie befinden sich über dir, und somit sehen sie dich überall, stellen sie dir von allen Seiten nach, greifen sie dich immer während an, so daß du dich fast nicht vor ihnen schützen kannst. Du triffst sie in den Übungen des betrachtenden Gebetes, du triffst sie in der Beichte, du triffst sie im Empfang des heiligen Altarssakramentes, kurz, du triffst sogar in den heiligen Werken, „in den Himmelsgegenden“.
Und glaubst du dann nicht, daß, wenn man dies alles in Erwägung zieht, eine starke Bewaffnung sehr notwendig ist?
6. Erwäge, daß du bei dem, was bisher gesagt worden ist, vielmehr erschrecken und kaum glauben wirst, daß du einem Heere von so boshaften Feinden widerstehen kannst. Aber fasse Mut! Denn nicht ohne Grund sagte der Apostel, daß alle ihre Herrschaft nur in der Finsternis Bestand hat: „Wider die Gebieter der Finsternis dieser Welt“. Sobald sie an das Licht kommen, ist ihre Herrschaft verschwunden.
Darin also besteht das Rettungsmittel, daß du durch eine vollkommene Enthüllung deines Gewissens sie alle an das Licht zu bringen bemüht bist. Unterlässest du dieses, dann wehe dir! – du bist so viel als verloren.
Es ist also notwendig, daß du dich waffnest mit dem Gebet, wie ich am Anfang dir erklärt habe: und es ist eben so notwendig, daß du dich waffnest mit der Übung der Tugenden. Aber was nützen dir die Waffen, wenn du in der Finsternis den Feind nicht erkennst, oder wenn du, durch seine Kleidung getäuscht, durch seine Stimme hintergangen, ihn für einen Freund hältst?
Hoffst du etwa, daß es dir jemals vollkommen gelingen werde, ihn mit deiner eigenen Einsicht genau kennen zu lernen und zu unterscheiden, – unterstützt durch die Erleuchtung, welche Gott im Gebet dir gewährt, oder durch die Erfahrung und durch die Gewandtheit, welche du in der Übung der Tugenden dir erwirbst? Du täuschest dich sehr! Denn Gott will, daß du niemals, seiest du auch noch so vollkommen, ganz auf dich selbst allein bauest; sondern daß du den Gehorsam übest, daß du die Demut übest, indem du einem anderen Menschen deine Schwachheiten offenbarest, wie Christus der Herr selbst einst die eigene Schwachheit seinen Jüngern offenbarte, und zwar so unwissenden, so unerfahrenen Jüngern, da er sich nicht schämte, im Garten zu ihnen zu sprechen: „Betrübt ist meine Seele bis zum Tode.“ (Mark. 14, 34)
Und weißt du nicht, daß alle, auch sogar die ältesten Feldherren es nie unter ihrer Würde hielten, einen Kriegsrat zu halten und auch die Meinung der Jüngsten zu hören und nach Maßgabe der Umstände zu befolgen? Das gerade ist es nun, was du in unserem Fall zu tun hast. Sage nicht, der geistliche Vater sei ein gewöhnlicher Mensch: denn gerade dann scheut der böse Geist noch mehr, daß du demselben seine arglistigen Anschläge, sein schlimmes Treiben, seine Verführungen aufdeckest, und er flieht dann um so schleuniger. Wie dem immer sei: der böse Feind ist gleich der Schlange: er liebt das Dunkel und die Finsternis. Willst du, daß er so schnell als möglich weiche? – so enthülle ihn nur! Wenn du ihn enthüllst, wirst du nicht nötig haben, ihm nachzueilen und ihn zu verfolgen: „Du wirst ihn nicht verfolgen“ (Ekkl. 27, 19); denn er selbst wird zuerst vor dir fliehen. –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. II, S. 258 – S. 265