F. X. Weninger SJ, Ostern im Himmel
XXII. Schluss und Entschluss: Der Himmel ist das Reich der Freude
Er, der da ist, er spricht: „Ich komme bald!“ –
Die Braut verlangt und seufzt nach seinem Namen,
Nach seinem Reich, nach seiner Allgewalt,
Nach seinem Antlitz -, Komm, Herr Jesu, Amen.
Und nun, fromme Seele! Die du alles betrachtet, was ich vom Himmel bisher gesagt, kannst du noch sagen und klagen, dass der Mensch nur wenig vom Himmel wisse, und dass es schwer sei, die Freuden des Himmels zu betrachten? –
Wenn du nur eben das erwägst, was ich in diesen Blättern mir vom Himmel gedacht, musst du nicht bekennen, dass, wenn dem so wäre, Jahrtausende wie Sekunden schwinden und die Himmelsfreude in alle Ewigkeit nie altern, sondern sich stets in neuen, unnennbaren Wonnen verjüngen würden? –
Indes, ein großer Zweifel könnte sich in dir erheben, und du könntest frage: Aber ist der Himmel auch wirklich so, wie du ihn beschrieben? Ich antworte: So nicht, und doch so; – aber unendlich seliger. –
Was ich hier gesagt, ist so wie ich es gesagt, der Anordnung nach nur das Gebilde gläubiger Phantasie und der sich daran reihende Erguss eines gottliebenden Herzens, das die Sehnsucht seines Verlangens im Himmel ersättigt zu sehen hofft und wünscht.
Die Auffassung dieser Freuden ist selbst gewählt und folgt dem Ritus, mit welchem die Kirche, unsere Mutter, Ostern auf Erden feiert. –
Das Wie dieser Freuden ist uns hienieden verborgen, da gilt das Wort des Weltapostels: „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr gehört und kein Menschenherz geahnt, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.“ –
Allein das Was, d. h. die Gattung der Freude, ist keine so völlig undurchdringliche. Da gilt das andere Wort desselben Apostels: „Wir sehen es bereits, was einst kommen soll, doch dunkel noch, und nur wie in einem Spiegel.“ –
Im Himmel ist alle wahre Freude
Dort ist alle wahre Freude – denn der Himmel ist das Reich der Freude. Was immer ich aber in diesem Buch von den verschiedenen Freuden des Himmels betrachtet habe, ist wahre Freude, denn es ist Freude in Gott und wegen Gott; somit ist dieselbe auch im Himmel, nur unendlich seliger, als ich dieselbe beschrieben habe.
Dass aber jede dieser Freuden, die ich betrachte, ihrem Wesen nach im Himmel sei, erhellt auch noch aus einem anderen Grund. Jede dieser Freuden gründet sich auf das Fundament des heiligen Glaubens. Keine andere, als nur eine gläubige Seele konnte es so ahnen, so betrachten und von den Freuden des Himmels so reden, wie ich es getan. Nun denn, der Glaube geht einst in das Schauen über, in den wirklichen Besitz dessen, was uns nur der Glaube hoffen und lieben lehrt.
Alleluja! der Himmel ist so, wie ich ihn mir gedacht; und doch, Alleluja! er ist nicht so, denn er ist noch unendlich beseligender!
Allein angenommen, dass der Himmel nur so sei, wie ich denselben hier beschrieben, und was die gläubige Phantasie des Lesers sich noch dazu dachte oder denken könnte; ist es nicht genug und übergenug, um mit aller Entschlossenheit unseres freien und mit dem Beistand der Gnade Gottes gleichsam allmächtigen und unbesiegbaren Willens auszurufen: Koste es, was es wolle, den Himmel muss ich einstens haben, – den lass ich mir nicht rauben! Und nicht nur dies, sondern – koste es, was es wolle, so will ich von nun an dafür leben, dafür sorgen, dass ich den möglichst höchsten Grad der Glorie im Himmel für mich sicher stelle! –
Wie wichtig ist die Betrachtung über den Himmel
Nie und nimmer wird unser Herz der Versuchung von Lauigkeit weichen, solange die Erinnerung an die kommenden Freuden seliger Ewigkeit, wie ich dieselbe so eben betrachtet, in ihrer lichtvollen Größe vor unserem Geistesauge stehen. –
Der gottselige Eusebius Nieremberg zieht in dieser Beziehung eine sehr wichtige Parallele, wenn er zum Beweis dafür, welchen Einfluss die Betrachtung über die Freuden des Himmels auf unseren Willen üben sollte, auf das Beispiel Cyrus des Großen hinweist, und auf die Art und Weise, mit der er seine Krieger zum Kampf begeisterte.
Als nämlich Cyrus daran dachte, die Meder zu besiegen, da befahl er seinen Leuten, an einem bestimmten Tage zu ihm zu kommen und eine Axt mitzubringen. – Darauf ließ er sie an diesem Tage einen Wald umhauen, wobei ihnen die Arbeit sehr hart und beschwerlich fiel. – Des anderen Tages nach vollbrachtem Werk lud er sie zu einem großen Gastmahl ein. Als sie nun höchst vergnügt beisammen saßen, da fragte er sie, welcher Tag ihnen besser gefiele, der gestrige oder der heutige. Die Antwort war bald gegeben. Alle schrien auf, der Tag des Gastmahls sei es. –
Da legte ihnen Cyrus die Bedeutung dieser zwei Tage aus, in dem er bemerkte, dass, wenn sie die Meder siegesmutig angriffen und besiegten, die Mühe kurz, aber der Gewinn des Erfolges überschwänglich groß an Vergnügungen und Reichtümern sein werde. – So entflammte Cyrus seine Perser zum Kampf und überwand die Meder. –
Wenn nun der bloße Gedanke an die Möglichkeit eines großen Gewinnes bei noch ganz ungewissem Erfolg diese Krieger so mutig und entschlossen machte, Mühen und Gefahren zu bestehen, die bei weitem größer sind, als jene, welche ein eifriges christliches Leben von uns verlangt, was sollten wir nicht zu tun bereit sein, um uns zu entschließen, so zu leben, dass wir gewiss das Himmelreich gewinnen und an uns reißen?!
Vergleichen wir nun oft den Jubel des himmlischen Gastmahles mit den geringen Entsagungen dieses Lebens; die Größe des himmlischen Reiches mit der Geringfügigkeit unserer Dienstleistungen; die Freude in der Gemeinschaft Jesu, Mariä und aller Heiligen, und besonders die Seligkeit unserer wesentlichen Bereinigung mit Gott, – und alle unsere Arbeiten werden uns Feste, unsere Anstrengungen Ruhe und unsere irdische Glückseligkeit, die uns sonst oft den Himmel vergessen macht, nur Elend und Armseligkeit dünken. –
Was sind die Reichtümer und Ehren dieser Welt im Vergleich zum Himmel?
Oder was sind die Reichtümer der Erde, die überdies so ungewiss, trügerisch und voll der Sorgen und Gefahren sind, verglichen mit den unermesslichen und nie sich mindernden Schätzen des Himmels? –
Was ist all die Ehre dieser Welt, die an und für sich nur eitler Dunst ist, verglichen mit jenen Ehren, die dort auf uns warten, wo Gott selbst uns vor allen Engeln und Heiligen in seiner Glorie verherrlicht? –
Was sind alle Vergnügungen der Welt, die nur zu oft uns das größte Gut des Lebens, die Gesundheit, rauben und schwächen, und doch das Herz nie beruhigen, sondern nur vielmehr die Leere alles Irdischen mit Bitterkeit fühlen lassen, verglichen mit jenen Freuden, mit welchen der Himmel uns einst überflutet und in welchen wir jene Ruhe und jene seligen Freuden finden, für welche wir erschaffen sind? –
Was ist unser ganzes Leben auf Erden im Vergleich mit jenem Leben, das allein nur diesen Namen verdient, weil es unsterblich ist? –
Wenn wir an unseren Körper denken – was ist all seine Schönheit und Auszeichnung auf Erden, verglichen mit seiner Schönheit und seiner Verherrlichung nach der seligen Auferstehung von den Toten? –
Wir sind jetzt nur Fäulnis, Schmutz, Unsauberkeit, Krankheit, Beschwerde, Verwesung und endlich eine Speise der Würmer; – dann hingegen sind wir, auch dem Körper nach, Licht, Glanz, Reinheit, Schönheit, Unzerstörbarkeit, Unsterblichkeit. –
Ja freilich wohl, welch ein Unterschied zwischen einer verfaulenden Leiche im Sarg, und zwischen dem in Licht und Seligkeit strahlenden Körper auf seinem Himmelsthron! –
Was ist all unsere Erkenntnis auf Erden und unsere irdische Vollkommenheit im Vergleich mit jener Erkenntnis im Himmel, wo wir in Gott einst alles erkennen und mit Seinem heiligsten Willen vollkommen eins sind? –
Kein Zweifel, weder die Güter noch die Übel der Welt sollten uns daran hindern, aus allen unseren Kräften, kost es, was es wolle, nach dem Besitz des Himmels zu trachten, um die Krone des ewigen Lebens uns sicher zu erringen. –
Bei dem Beginn des Krieges, den der römische Senat im Cajus Gracchus führte, bestimmte der Konsul Opimius, dass derjenige, welcher das Haupt des Cajus Gracchus überbrächte, so viel Gold zur Belohnung erhalten sollte, als das Haupt schwer sei. –
Man sah dies als eine große Belohnung an, und es war ein mächtiger Antrieb für viele, den Preis zu gewinnen. – Und Stimulejus ruhte in der Tat nicht, bis er den Preis gewonnen hatte.
Christen! Brüder! Wenn ein Mann für so wenig Geld sein Leben selbst mutig der Gefahr aussetzte bei der Gewissheit, dass er doch selbst sein Haupt gewiss bald in das Grab legen müsse, was sollten wir nicht bereit sein, für die Krone des Himmels zu tun, die nie mehr von unserem Haupt genommen werden soll? –
Ja wohl, wäre es auch der geringste Lohn, so ist er doch, weil er ewig ist, unvergleichlich; mithin unendlich mehr als jeder noch so große, irdische Lohn; und dennoch denken so wenige daran, den Kaufpreis seliger Unsterblichkeit zu gewinnen, tun so wenig dafür, anstatt wie Stimulejus getan, lieber daran zu denken, den Gewinn ewiger Vergeltung so viel als möglich zu vermehren. –
Trachten wir danach, unsere Verdienste für den Himmel zu vermehren
Stimulejus füllte den Kopf des Cajus Gracchus ganz mit Blei an. Tun wir etwas Ähnliches. Es soll uns nicht genug sein, selig zu werden, sondern trachten wir, durch die Sehnsucht nach dem Himmel unsere Verdienste besonders durch die Reinheit der guten Meinung zu vermehren, und überhaupt dahin, dass wir so viele gute Werke als möglich und diese möglichst vollkommen verrichten.
Es ist dazu nicht nötig, dass wir gerade äußerlich große und auffallende Dinge tun, sondern dass wir unsere täglichen Werke in reinster Meinung aus Liebe zu Gott so vollkommen als möglich verrichten. –
Staunen wir, dass wir noch eine Aufmunterung brauchen, wirklich so zu leben. – Wer würde erst viel Zuredens bedürfen, dass er für ein Glas Wasser oder einen Strohhalm ein Königreich kaufe, oder ein Körbchen Hobelspäne mit einem anderen voll Gold und Edelsteine vertausche? Und würde wohl ein Hungriger vielen Zuspruch bedürfen, dass er, anstatt an einer Apfelschale zu nagen, dieselbe wegwerfe und sich an einen mit kostbaren Speisen besetzten Tisch hinsetze? –
Mehr sind alle irdischen Opfer nicht, die wir durch unser Tugendleben zu tragen haben, im Vergleich mit den ewigen Gütern. Fürwahr, jeder sollte wie David fühlen und bekennen: „Ich habe mein Herz zur Erfüllung Deiner Gebote geneigt, denn ich habe der ewigen Jahre gedacht.“ –
Unser Wille ist wie eine Waage, und das unermessliche Gewicht der verheißenen Himmelsfreuden sollte von selbst aus zu diesem unumstößlichen Entschluss neigen: „Ich lebe und sorge für meine selige Ewigkeit, und halte, o Gott! Deine Gebote, und erfülle, so vollkommen ich nur immer kann, Deinen heiligsten Willen, – koste es mich auch die größte Beschwerde; sollte ich selbst wie Simon der Stylite zeitlebens auf einer Säule stehen; fasten wie der heilige Pachomius; wachen wie der heilige Augustinus; arm und verlassen sein wie der heilige Franziskus; Verfolgungen leiden wie der heilige Ignatius; was ist das alles gegen den Gewinn jener Freuden, die meiner im Himmel warten?“ –
Was die Weltleute für irdischen Ruhm und Gewinn imstande sind
Dazu muntert mich nicht nur das Beispiel der Heiligen auf, sondern das der Weltleute selbst. Was sind diese nicht zu tun imstande gewesen bloß für einen irdischen Ruhm und Gewinn? –
Das Beispiel, das ich soeben von jenem Römer anführte, ist nicht das einzige. Die Geschichte ist voll von ähnlichen Beispielen eines staunenswerten Heroismus, aus bloß menschlichen, irdischen, winzigen und vergänglichen Beweggründen. Weil der König Saul verkündigen ließ, dass, wer Goliath überwände, seine Tochter zur Ehe bekäme, stellte sich David sogleich mit der Schleuder dem Riesen gegenüber, und überwand ihn. –
Weil David seinem Kriegsherrn verkündigen ließ, dass wer immer es wagen würde, die Jebusäer, die furchtbarsten Feinde des Volkes Gottes, anzugreifen, den Oberbefehl in seiner Armee erhalten sollte, stand Joab sogleich auf und nahm keinen Anstand, selbst sein Leben der größten Gefahr auszusetzen, und sich durch Lanzen und Schwerter den Weg zu dieser Ehrenstelle zu bahnen.
Was tat nicht Jesbaham, um das Königtum Davids in Sicherheit zu stellen? – Er, ein Mann, erschlug in seinem Grimm achthundert Mann mit eigener Hand. – Auf gleiche Weise, aus gleicher Ursache kämpfte Eleazar, der Ahohite, gegen eine Überzahl von Feinden, schlug sie vor sich nieder, bis sein Arm an dem Schwert erstarrte.
Wenn diese Männer für das Königreich eines anderen mit solch einem unbeugsamen Heldenmut gekämpft, warum sollten wir nicht für den Besitz des Himmelreiches, für uns selbst, mit freudigem Mut selbst unser Leben hinopfern; denn was ist dieses Leben im Vergleich mit dem Himmel!
Als David dürstete und sich nach einem Trunk frischen Wassers aus der Zisterne von Bethlehem sehnte, da erklommen drei seiner Helden die Mauern der Stadt und brachten ihm das Wasser. –
Konnten diese drei Männer ihr Leben auf das Spiel stellen, um David einen Labtrunk zu verschaffen; was sollten wir nicht zu tun bereit sein, um aus den Freudenquellen des Paradieses das Wasser jener Wonnen zu schöpfen, die allein nur unsere nach Gott dürstende Seele zu erquicken und zu ersättigen imstande sind.
Semma gleichfalls, um ein Linsenfeld zu schützen, kämpfte allein gegen eine ganze Kriegsschar; was sollten wohl wir für einen Kampf zu bestehen bereit sein für die Wahrung der Gefilde des Paradieses und die kostbare Frucht der Seligkeit? –
Mit Recht verwunderte sich schon Seneka über die Selbstverleugnung, Opferwilligkeit, Ausdauer und den Todesmut wahrer Soldaten. – Wäre es nicht ewiger Vorwurf und ewige Schmach für uns, wenn irdische Krieger uns durch ihren Heldensinn zu Schanden machen würden? –
Doch ich möchte sagen, mehr noch beschämt uns die rastlose Tätigkeit der gesamten Masse der Menschenkinder. – Was tun diese Tag und Nacht, an jedem Ort, zu jeder Zeit, um auf jede Weise Gewinn zu machen und denselben in Sicherheit zu stellen? –
Großer Gott! Wie beschämend für uns. Thomas von Kempis hatte recht, wenn er sagte: „Würden wir nur den zehnten Teil dessen, was wir für die Vergnügen dieses Lebens tun, für Gott und den Himmel arbeiten und leiden, wir alle würden große Heilige sein.“ –
Durch wiederholte Betrachtung der Freuden im Himmel die Lauigkeit überwinden
Ja, die ernste, oft wiederholte Betrachtung der kommenden Freuden des Himmels und unsere Verherrlichung in Gott ist mächtig genug, jedes auch noch so träge Herz mit Eifer zu beleben, und jeden auch noch so schwachen Willen zu kräftigen und zur siegreichen Selbstüberwindung zu ermuntern, um dem Antrieb des heiligen Geistes aus ganzem Herzen und aus allen Kräften zu folgen. –
Dies ist‘ s, was der Herr dem Propheten Ezechiel in jener Vision von den vier beflügelten Geschöpfen angedeutet. Jedes derselben, wenngleich von ganz verschiedener Natur, eilte mit Blitzesschnelle vor sich hin, so wie der Geist Gottes es antrieb. – Was gab denselben diese bewunderungswürdige Übereinstimmung und Schnelligkeit? – Der Prophet gibt uns Aufschluss, indem er sagt: „Das Firmament und der Thron des Himmels war über denselben.“
Brüder! Gewiss, wenn der Himmel unsere Sehnsucht, unser Gedanke und unser Verlangen ist, dann werden wir, wenngleich Menschen, den Engeln gleichen und werden das Fleisch unter die Herrschaft des Geistes beugen. Diese Stimmung wird uns erheben über den Staub der Erde, auf dass wir, wenn wir einst nach Art der Tiere nur nach unten geblickt, und nur gesucht, was hienieden ist, nun mit der Gewalt des Adlers uns hoch über alle bloß irdischen Gelüste erschwingen und zur Sonne der Gerechtigkeit mit festem, sicherem Blick das Auge heften, und den Einsprechungen des heiligen Geistes mit der Schnelligkeit des Windes folgen werden.
Was die Martyrer bewegte, die Peinen zu ersehnen
Fromme Seele! höre, was der heilige Vincentius, der Martyrer, zu Dacian sagte, und mit welcher Geduld und Freude der Gedanke an den Himmel ihn in Mitte seiner Peinen und Marter erfüllte.
Als man ihn auf die Folterbank spannte, da fragte ihn der Tyrann mit Hohn und Spott, wo er nun sei und wie er sich befinde. Der Heilige antwortete lächelnd, indem er zum Himmel aufblickte: „Ich bin hoch in den Lüften, von wo aus ich nun dich und deine Marter verachte.“ Als man ihm dafür mit größeren Peinen drohte, antwortete er mit derselben Ruhe und Fröhlichkeit: „Wahrlich, deine Drohung, weit entfernt mich zu erschrecken, erfreut mich im Gegenteil; denn mehr für den Himmel leiden, das ist es eben, was meine Seele verlangt.“ –
Als man ihm darauf mit Zangen das Fleisch von den Gebeinen riss, und die Wunden mit Fackeln brannte, da rief er frohlockend aus: „Umsonst mühst du dich ab, Dacian! Denn du kannst keine Martern ersinnen, die ich nicht freudig für den Himmel zu leiden entschlossen bin.“ –
So durfte nicht nur Vincentius bekennen; sondern für jedes, vom lebendigen Glauben an die nahenden Himmelsfreuden durchdrungenes Menschenherz ist jede Pein und Marter und jedes Opfer, das man zur Vermehrung der ewigen Freuden überstanden und dargebracht hat, wahre Erquickung des Geistes.
Dies beweist auch wunderkräftig das herrliche Beispiel des Martyrers Carl Spinola aus der Gesellschaft Jesu in Japan. –
Er wurde in einen weit gedehnten Feuerkreis gestellt; denn die Japanesen pflegten die Martyrer nicht gleich zu töten, sondern sie vorerst zu peinigen. Sie wollten ihn in Mitte dieses Feuerkreises an eine Säule anbinden, doch Carl Spinola versicherte, dies sei unnötig, denn der Blick zum Himmel sei übergenügend, ihn festzuhalten.
Und so war es. Diese Heiden umgaben von Ferne den Feuerkreis und blickten auf den Martyrer, damit er nicht aus dem Feuer entkäme. Er aber blieb in Mitte des Feuers ohne Stricke fest an der Säule und blickte unverrückt zum Himmel. So stand Spinola wie unbeweglich da durch volle zwei Stunden, bis seine siegreiche Seele, durch den Brand des Feuers von den Banden des Leibes entledigt, dahin sich erschwang, wohin sein Geistesauge unverwandt geblickt, um dort in Gott, seinem letzten Ziel und Ende, für ewig Ruhe zu finden. –
Welch eine Veränderung in so wenigen Stunden! Eine Minute vorher noch in solchen Peinen, verbrannt im Feuer; – und eine Minute hierauf, umleuchtet mit Glorie und ganz durchströmt von Freuden, versenkt in Gottes Seligkeit und Liebe. –
Mit welchem Jubel empfing nicht die unabsehbare Schar der Seligen, die auf ihn in seinem Marterkampf geblickt, seine gebenedeite Seele, um derselben ewig ihre eigene Seligkeit mitzuteilen! –
Der Gedanke an dieses mit jeder Sekunde näher kommende unendliche Freudenmeer war es, der ihn so unbeweglich festhielt. – Dieser Gedanke war wie kühlender Tau, der sich in die ihn umgebenden Gluten senkte, und der ihm seine Peinen so teuer und kostbar machte, dass er sie auch mit keiner Freude der Welt je vertauscht hätte. Dieser Gedanke war es, der die verzehrende Hitze der Flammen abkühlte, wie einst der Engel Gottes den drei Jünglingen im Feuerofen zu Babylon getan hat.
Ja, welch süßer, alle Peinen verscheuchender Gedanke: Noch zwei Stunden, – noch eine Stunde, – noch eine Viertelstunde, – und ich bin in den endlosen Freuden des Himmels! – Welch kühlender Trost für die Seele, während der Leib die Qualen des Feuers empfindet! –
Darum Christen, Brüder! Lasset uns in Mitte des Feuers der Leidenschaft, die ihre Glühhitze um uns verbreitet, getrost und hoffnungsvoll zum Himmel aufblicken, und wir werden ausharren und überwinden; und das mit um so mehr Trost und Jubel, je härter der Kampf gewesen, und je heftiger uns der Brand der Leidenschaft durchglühte. –
Koste es, was es wolle, in den Himmel zu gelangen
Koste es, was es wolle, sollte ich auch zeitlebens erblinden; öffnen muss ich einst meine Augen im Licht des Himmels und schauen die Güter des Herrn im Land der Lebendigen. –
Koste es mich auch mein Gehör: – ich opfere es willig dem Herrn; aber hören muss ich einst die himmlischen Chöre und in mein Herz aufnehmen die Zauberfluten himmlischer Harmonie.
Sollte ich auch schweigen müssen mein ganzes Leben lang: – gerne tue ich e; aber öffnen muss ich einst meinen Mund und einstimmen in den Hochgesang der Heiligen vor dem Throne des Lammes, und mitsingen den Dankgesang der Erlösung, und hallen soll auch meine Stimme in Donnerchor des himmlischen Alleluja!
Sollte ich auch lahm und bewegungslos bleiben mein ganzes Leben lang; – sei es! – ich opfere Gott den Gebrauch aller meiner Sinne auf; – doch atmen muss ich einst den Duft himmlischer Würze; und erstrahlen soll und muss einst dieser mein Leib; besitzen muss er den Glanz, die Leichtigkeit, Geistigkeit und Wonne der Verklärten! –
Sollte ich auch entsagen müssen jeder gesellschaftlichen Freude auf dieser Welt; – eingehen will und muss ich einst in die selige Gemeinschaft aller Engel und Heiligen.
Sei es, dass mich um der Gerechtigkeit willen alle Welt verfolge und hasse; – erquicken soll und muss mich einst dafür die Liebe aller Auserwählten des Himmels!
Koste es, was es wolle; sollte ich selbst die Peinen aller Martyrer leiden; – sehen muss ich dich einst, o Maria, Mutter Jesu und meine Mutter! Sehen muss ich dich in deiner Glorie – dich im Himmel umfangen als dein gerettetes Kind; dir danken, wie es mein Herz verlangt, und teilen für ewig die Freuden deiner Seligkeit und Liebe! –
Koste es, was es wolle; sollte ich selbst durch die Peinen der Hölle hindurch; – sehen muss ich Dich einst, O Jesu! In Deiner Glorie, Dich umfangen als eine durch Dein Blut erkaufte und gerettete Seele, und Dir danken für das Heil meiner Ewigkeit, in Anmutungen des Herzens an Deinem Herzen, wie nur der Himmel allein dafür mir Worte verleihen kann, und geben muss ich Dir vor Deinem himmlischen Vater und allen Engeln und Heiligen die Ehre, die Dir gebührt, und eingehen auf ewig in Deine Seligkeit und Liebe!
Koste es, was es wolle, o mein Gott und mein Alles! Kommen muss ich einst zu Dir, o Schöpfer meines Daseins! muss Dich sehen von Angesicht zu Angesicht, o mein Gott und mein Vater! Warum hättest Du mir ein Herz gegeben, das in Nichts Ruhe findet, als in Dir, wenn ich Dich nicht völlig und für ewig besitzen sollte? –
O mein Gott und meine Liebe! Wenn ich Dich nicht sehen und lieben, wenn ich Dich, o Leben meines Lebens! Nicht besitzen und genießen dürfte, würdest Du mir dann auch die Güter und Freuden der ganzen Welt schenken, so wollte ich doch lieber zurückkehren in das Nichts, aus dem mich Deine Allmacht und Güte gerufen; denn wie könnte mein Herz im Besitz aller erschaffenen Dinge sich erfreuen, ohne im Verlangen sich zu verzehren, mit Dir als meinem letzten Ziel und Ende vereinigt zu werden? –
Du, der Du Nieren und Herzen erforschst, Du weißt es, dass ich Dich liebe, und unendlich mehr liebe als mich selbst, wie könnte ich dann leben und mich glücklich fühlen, ohne mich mit Dir zu vereinigen?
Koste es, was es wolle; anbeten muss ich Dich einst mit jener Huldigung, die Dir gebührt; ich muss Dir danken für Deine große Glorie, und für die Offenbarung und Verherrlichung jeder Deiner unendlichen Vollkommenheiten in der Ordnung der Natur und der Gnade. – Preisen muss ich Dich ewiglich mit allen Cherubim und Seraphim durch Jesum Christum, und ersetzen, so viel an mir ist, die Gleichgültigkeit und den Undank so vieler Deiner vernünftigen Geschöpfe, die von Dir abgewichen sind und Dich beleidigt haben. Werden muss eins mit Dir durch Jesum Christum, wie Er mit Dir und dem heiligen Geist eins ist, und lebt und herrscht in Ewigkeit. –
Ich, aus mir, bin nicht stark genug, in den Himmel zu gelangen
Anstimmen muss ich vor Dir das Alleluja einer geretteten Seele als Dein ewig verherrlichtes Ebenbild. Sollte dagegen sich auch das Fleisch und die ganze Welt und Hölle stellen; überwinden muss ich durch Dich, mit David voll des Vertrauens bekennend: „In meinem Gott übersteig‘ ich die Mauer!“ –
Ich, aus mir, bin allerdings schwach; doch mit Deinem Beistand, allmächtiger Gott und Schöpfer! Bin ich stark genug, – ja unüberwindlich. – Ich vertraue auf Dich, o mein Gott, und meine Hoffnung von Jugend auf. –
Du, der Du mich aus Nichts für Dich erschaffen hast, Du bist mächtig genug, mich zu schirmen und zu retten. Du bist die unendliche Macht, Du wirst mich stärken im Kampf.
Ich, aus mir, bin blind, und erkenne nur zu oft den Weg des Heiles nicht klar genug; doch ich hoffe auf Dich, o Gott! Du bist die unendliche Weisheit; Du wirst mich erleuchten, und auf den rechten Weg leiten. –
Ich, aus mir, bin unentschlossen und wankelmütig; doch ich hoffe auf Dich, Du bist die unendlich Treue, Du wirst mich nicht verlassen. –
Ich, aus mir, bin ein Sünder und habe Dich beleidigt; doch ich hoffe auf Dich, mein Gott! Du bist die unendliche Barmherzigkeit: – in Deine Vaterarme werfe ich mich. Du wirst hinwegnehmen von meiner Seele jede Makel der Sünde.
Ich, aus mir, bin lau, kalt und unvollkommen; doch ich hoffe auf Dich, o mein Gott! Du bist die unendliche Heiligkeit; Du wirst den Durst nach Gerechtigkeit und Heiligkeit des Lebens in mir vermehren, wie DU in den herzen so vieler vor mir die Flamme dieses Eifers entzündet hast.
Ich, aus mir, bin unaufrichtig und zwischen Dir und den Geschöpfen geteilt; doch ich hoffe auf Dich, o Gott! Du bist die ewige Wahrheit; Du wirst mich kräftigen, dass ich in Wahrheit bekenne: O mein Gott! Dein bin ich! –
Ich, aus mir, bin gebunden von den Banden der Anhänglichkeit an so viele erschaffene Dinge; doch ich hoffe auf Dich, mein Gott! Du bist die unendliche Schönheit und die unendliche Seligkeit. Du wirst die Einsprechungen Deines Geistes in mir vermehren, und wirst durch Deine Einsprechungen und meinen Umgang mit Dir im Gebet mich mehr und mehr den Vorgeschmack himmlischer Wonne durch Deine fühlbare Nähe und deinen Besitz und Genuss im innerlichen Leben kosten lassen, und die Sehnsucht nach Dir wird endlich jedes dieser Bande ungeordneter Anhänglichkeit an das, was Du nicht bist, siegreich zerreißen.
Ich, aus mir, bin noch zu voll von mir selbst, ich liebe mich selbst zu viel und Dich, o Gott! zu wenig; doch ich hoffe auf Dich, o mein Gott und meine Liebe! Du, o wesentliche Liebe! Du wirst durch den Zug Deiner Vereinigung mit mir auf Erden mich trennen von mir selbst, auf dass ich lebe in Dir, und mich selbst nur liebe in Dir und Dich in mir. –
Ja, ich aus mir bin Nichts! Du bist Alles! Ich bin tot: – Du bist das Leben! – Ich hoffe auf Dich, o mein Gott und Schöpfer! Du wirst mir den Geist der Demut geben, auf dass ich nichts anderes verlange, als zu erkennen und zu erfüllen Deinen heiligsten Willen, zu Deiner größeren Ehre und zur Verherrlichung Deines heiligsten Namens.
So soll an mir Dein Wort sich erfüllen: „Weil er auf mich gehofft, werde Ich ihn befreien und glorreich verherrlichen.“ Dieses Wort sei in meinem erkaltenden Herzen und auf meinen sterbenden Lippen in der Stunde des Todes: „Ich habe auf Dich, o Gott, gehofft; ich werde nicht zu Schanden werden!“ – In diesem Bekenntnis soll sich einst auflösen mein Herz, und dieses Vertrauen auf Dich, o Gott! Öffnet mir einst, so hoffe ich, die Pforte des Himmels.
Wie schnell die Zeit vergeht, wie nahe der Himmel ist
Um so lebendiger und einflussreicher wird diese Stimmung des Herzens, wenn wir bedenken, wie nahe der Himmel ist; wie schnell die Zeit heranzieht, wo wir sie wirklich genießen sollen, diese unaussprechlich großen Freuden. – Denn wie schnell zieht ein Jahr vorüber! – Und es gibt der Jahre nur so wenige im menschlichen Leben! – Wie ungewiss ist überdies die Dauer desselben, und nur wie einem vorüberziehenden Schatten gleich unsere Pilgerfahrt auf Erden! –
Die heilige Theresia hatte recht, wenn ihr, so oft die Stunde schlug, das Herz bei dem Gedanken frohlockte: „Gott Lob und Dank! so bin ich denn wieder eine Stunde dem Himmel näher!“
„Und Er sagte zu mir“, schreibt der heilige Johannes, „die Zeit ist da. Wer gerecht ist, der werde noch gerechter, und wer heilig ist, der werde noch heiliger.“ (Ap. 22, 10)
Ja, Brüder! lasset uns öfter an den Himmel denken, als wir es bisher getan; lasset uns allen Ernstes an die endlosen, himmlischen Freuden denken, um mehr für den Himmel zu tun und zu leiden, als wir bisher getan; damit wir denselben sicher gewinnen und zugleich den möglichst höchsten Grad der Verherrlichung in demselben erringen. –
„Sieh, ich komme bald, und Mein Lohn mit Mir, um jedem zu vergelten nach seinen Werken.“ –
Ja wohl! Ihr Heiligen Gottes! wie oft und ernstlich habt ihr an den Himmel gedacht; darum habt ihr auch so viel für denselben getan, und darum ist nun auch euer Anteil an dem Jubel ewiger Osterfreude so überschwänglich groß!
Wir folgen diesem eurem Beispiel in der ganzen Kraft unseres durch die Betrachtung des Himmels gestärkten Willens, belebt von der ganzen Weihe des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! –
Wir folgen euch mit jener Entschiedenheit, die da der Charakterzug eures Lebens gewesen; und wir sagen mit eurem Mut und Gottvertrauen: In den Himmel – kann, und – will, und – muss ich kommen.
Bittet für uns, ihr Heiligen Gottes; ihr unsere teuersten Mitbrüder! dass wir ernstlich und entschieden den Weg zum Himmel wandeln, wie ihr es getan durch Heiligkeit und wahre Selbstverleugnung, damit wir uns bald und für ewig eurer Gemeinschaft im Himmel erfreuen! Ihr seid schon dort; wir wünschen euch Glück! – Doch vergesst unser nicht; – wir kommen bald!
„Und Jesus sandte Seinen Engel, diese Dinge zu bezeugen in seinen Kirchen. … Und der Geist und die Braut sprach: Komm! … Und der da dürstet, möge kommen; und der da will, möge schöpfen umsonst vom Wasser des Lebens.“ (Apok. 22, 16-17)
Schlussgedanken von P. Weninger
Das ist‘ s, was ich getan. –
Angetrieben durch das Verlangen meines Herzens nahte ich mich betrachtend dem Brunnen des Lebens in stiller Beschauung, und trank nach der Fülle meines Willens von den Wassern himmlischer Wonne. Ich dachte vom Himmel und sprach vom Himmel, erleuchtet, so hoffe ich, vom Geist Gottes. Mein Verlangen, Gott zu erkennen, zu lieben, zu besitzen, zu genießen, befähigte mich zu tun, was ich tat; und mein Herz kostete überschwänglichen Trost und unnennbare Freude in Erwägung so hoher und glorreicher Dinge. Bedacht, meine Brüder in Christo zu ermuntern, einen Blick auf die noch verborgenen himmlischen Güter zu werfen, wurde mein Geistesauge selbst gestärkt und erweitert, überfluteten Ströme himmlischen Lichtes, ausgehend vom Thron der Gnade, meinen eigenen Geist.
Ja wohl! an den Himmel zu denken, von ihm zu reden, ist ein glorreiches Thema und erquickt das Herz in einer Weise, wie kein Mensch und kein Engel es je auszusprechen imstande ist. –
Ich übergab dir somit, fromme Seele! meine Gedanken über die Freuden des Himmels, damit du die deinigen daran reihst und das Verlangen in dir kräftigst, den Himmel siegreich zu erkämpfen.
Das wichtigste, diesen Zweck zu erreichen, ist der gute Gebrauch jeder Erleuchtung des heiligen Geistes; denn die Heiligung unseres Lebens durch die treueste Vollziehung des erkannten göttlichen Willens ist und bleibt der einzige Weg und das einzige Mittel, den Himmel durch Glaube, Hoffnung und Liebe einst wirklich zu erlangen.
Zum Schluss sage ich mit der Braut in der geheimen Offenbarung: „Komm, Herr Jesu! komm! Amen!“ –
aus: F. X: Weninger SJ, Ostern im Himmel, Betrachtungen über die Freuden des Himmels, 1865, S. 214 – S. 240
Anmerkung: Die Überschriften sind hinzugefügt.
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