Heiligenkalender
29. Mai
Der heilige Knabe Cyrillus von Cäsarea Märtyrer
Die Tugend in der Jugend ist unstreitig die lieblichste und die vor Gott wohlgefälligste; sie wird oft, wie heilige Schrift bezeugt (Weish. 4), von der göttlichen Vorsehung mit der besonderen Gnade eines frühzeitigen Todes ausgezeichnet, damit der fromme, zarte Jüngling nicht länger mit ansehen müsse die Schlechtigkeiten und Ärgernisse dieser Welt, damit nicht etwa das Böse verkehre seinen Sinn oder Täuschung umstricke seinen Geist. Diese besondere Gnade Gottes bewundert mit Freude heute die Kirche an dem zwölfjährigen Knaben Cyrillus.
Er war der Sohn heidnischer Eltern, und geboren zu Cäsarea in Kappadozien, wo unter der Leitung des hl. Fermilian eine treffliche Christengemeinde blühte. Das unschuldige Kindesherz des Cyrillus fand das lebhafteste Wohlgefallen an dem feierlichen Gottesdienst der Christen; er stahl sich mit dürstender Begierde in ihre religiösen Versammlungen, hörte das Wort Gottes mit gespannter Aufmerksamkeit an und behielt es wie ein Heiligtum im Herzen. Als seine Vater, dem der Knabe wegen seiner rosigen Schönheit und seines lebhaften Geistes, sowie wegen seiner kindlichen Offenheit und gewinnenden Ehrfurcht sehr lieb war, eine auffallende Zartheit des Gewissens, eine große Vorliebe für den Gott der Christen und zum Gebet und zugleich einen tiefen Abscheu vor der Verehrung der Staatsgötter an ihm bemerkte, schöpfte er Verdacht, derselbe möchte von den Christen zu ihrem Glauben verführt worden sein. Zu Rede gestellt, bekannte Cyrill herzhaft seinen Glauben an Christus und zog sich dadurch harte Drohungen, Vorwürfe und Misshandlungen zu. Je härter und grausamer der Vater wurde, desto geduldiger und standhafter ertrug der Sohn die Schläge, hoch erfreut um Jesu willen Verfolgung zu leiden. Eines Tages verlangte der Vater drohend, daß er ihn zum Opfer in den Tempel begleite; Cyrill lehnte diesen Befehl ebenso ehrfurchtsvoll als entschieden ab. Da fiel der Vater in wildem Zorn über den zarten Knaben her, misshandelte ihn mit Faustschlägen und Fußtritten, und warf ihn zum Haus hinaus mit Verwünschungen und mit dem Schwur, daß er ihn enterbe und von allen Ansprüchen ausschließe.
Cyrill duldete diese fürchterliche Grausamkeit wie ein geduldiges Lämmlein und opferte in heißem Gebet seine Schmerzen dem gekreuzigten Jesus auf. Verwaist und obdachlos aß er das Brot des Mitleids, aber er aß es nicht mit Tränen, sondern mit Dank gegen Gott, den himmlischen Vater, der ihn mit süßen Tröstungen näher an sein Herz zog. Dieser Vorfall machte großes Aufsehen und Gerede in der Stadt: die Heiden schimpften über den ungeratenen Buben, die Christen bewunderten die Glaubensstärke und Gottesliebe des frommen Knaben: die Heiden lobten das Verfahren des Vaters, die Christen erwiesen herzliche Liebe dem Sohn.
Der Statthalter von Cäsarea glaubte die Sache genauer untersuchen zu müssen und ließ den Knaben sich vorstellen, heuchelte ihm freundliches Wohlwollen und sprach: „Mein Kind, du hast schwer gesündigt wider unsere Götter, wider den Befehl des Kaisers und wider denGehorsam gegen deinen Vater; aber ich verzeihe dir, weil du verführt worden bist von schlechten Menschen, und auch dein Vater wird dir vergeben, dich wieder in sein Haus aufnehmen und als seinen lieben Sohn anerkennen, wenn du dem abscheulichen Christengott entsagst und unsern Göttern opferst.“ Cyrill entgegnete sanft und würdevoll: „Gerne trage ich diese harten Vorwürfe und den tiefen Schmerz, daß ich aus dem Hause und Herzen des Vaters verstoßen worden bin; denn der allein wahre Gott hat Erbarmen mit mir, und bei Ihm werde ich ein schöneres und größeres Haus finden: gern will ich auf dieser Welt eine arme Waise sein, damit ich im Himmel unverlierbare Reichtümer erlange. Deswegen fürchte ich weder Marter noch Tod, weil jenseits ein besseres Leben auf mich wartet.“
Der Statthalter staunte zwar über die mutvolle Unerschrockenheit dieses Knaben, meinte jedoch daß er schon noch Mittel habe, wirksam genug, die tolle Kühnheit dieses Kindes zu brechen. Mit drohender Miene befahl er, daß Cyrill mit schweren Ketten gebunden, auf den Richtplatz geführt und zu Tode gemartert werde; heimlich aber verordnete er, daß man dem Knaben nur die Marterwerkzeuge in ihrer erschreckenden Gestalt vorstelle, um ihn einzuschüchtern, jedoch jetzt noch nicht anwende.
Cyrill ging fröhlich auf den Richtplatz, schaute mit furchtloser Ruhe die prasselnden Flammen des Scheiterhaufens, die glühenden Zangen, das blanke Schwert, die Folterbank und die dräuenden Geißeln an, ohne das leiseste Zeichen von Furcht zu äußern. Der Statthalter, über diesen Misserfolg seines Planes benachrichtigt, ließ den Cyrill wieder vor sich kommen und herrschte ihn mit drohender Stimme an: „Hast du das Feuer gesehen und das Schwert, durch das du sterben musst, sofern du starrsinnig bleibst? Besinne dich wohl – erhalte dein junges Leben, entschließe dich, zurück zu kehren in dein väterliches Haus und Erbe und zu genießen frohe glückliche Tage.“
Der kleine Held wies die Drohung und die Verheißung des Richters als ein wahnsinniges Geschwätz zurück mit der festen Erklärung: „Du hast mir keine Gnade erwiesen, sondern ein schweres Unrecht zugefügt, daß du mich vom Richtplatz wieder zurück gerufen. Wahrlich dein Feuer und dein Schwert schreckt mich nicht; vielmehr bitte ich dich, sogleich mich die Wohltat deiner Drohung genießen zu lassen, damit ich desto schneller in die liebliche Wohnung meines himmlischen Vaters gelange.“ Beschämt und Wut entbrannt über diese wundervolle Furchtlosigkeit des jungen Bekenners sprach der Statthalter das Todesurteil. Viele der anwesenden Heiden weinten aus Mitleiden mit dem holdseligen Knaben: Cyrill aber sprach in begeisterter Freude zu ihnen: „Warum weint ihr? Ihr sollt euch vielmehr mit mir freuen und frohlockend mich zum Tod begleiten: doch ihr Unglücklichen, ihr wisset nicht, welche selige Heimat mich aufnehmen wird, und ihr versteht es nicht, mit welch` süßer Hoffnung der Christ dem bittersten Tode entgegen geht!“
Hierauf schritt er in aufrechter Haltung, mit fröhlichem Antlitz in Mitte der Henker zur Marter wie zu einem Freudenfest und vollendete das Opfer seines Lebens in glorreicher Standhaftigkeit zur Verherrlichung des wahren Gottes und zur Erbauung der Gläubigen, als Blutzeuge für die Göttlichkeit des Christentums. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 410-411