Heiligenkalender
30. Mai
Heiliger Ferdinand III. König von Leon und Kastilien
Die Tugend ist immer und überall schön, am zarten Knaben, am verborgenen Ordensmann, an dem gelehrten Bischof, an dem tapferen Soldaten; aber am schönsten ist sie, wenn sie wohnt im fürstlichen Palast, und wenn sie herab leuchtet vom königlichen Thron; denn die Luft in den Palästen und auf den Thronen ist wegen des Überflusses an irdischen Gütern und Bequemlichkeiten wegen der Gefahren der Schmeicheleien und wegen des Wohlgefallens der sündhaften Menschennatur an Beiden die ungünstigste für das kräftige Gedeihen der Nachfolge Christi. Darum ist es ein süßer Genuss, zu sehen, was die göttliche Gnade und der gute Wille im Herzen des heiligen Königs Ferdinand erzeugt haben.
Ferdinand (das gotische Wort: Ferdhinhandus, bedeutet „Deine Macht ist groß“) war der Sohn des Königs Alphons IX. von Leon und der frommen Berengaria, Königstochter von Kastilien. Als es sich später herausstellte, daß Berengaria mit ihrem Gemahl im dritten Grad blutsverwandt sei, trennte sie sich auf Befehl des Papstes Innozenz III. von ihm und kehrte in das väterliche Haus zurück. Die Kinder dieser Ehe, zwei Söhne und zwei Töchter, wurden, weil die Ehe nur aus Irrtum ungültig war, für rechtmäßig erklärt, und Ferdinand als der einstige Thronfolger anerkannt. Dieser Prinz entfaltete herrliche Eigenschaften und Tugenden, wie sie selten sich vereinen: kriegerische Tüchtigkeit und Liebe zur Einsamkeit, lebhaftes Interesse für Staatsgeschäfte und tiefe Andacht in Gebet und Betrachtung, Strenge gegen sich selbst und Herzensgüte gegen Alle.
Inzwischen war Berengariar durch den Tod ihres Vaters Königin von Kastilien geworden, entsagte aber dem Thron zu Gunsten ihres Sohnes Ferdinand. Der erst achtzehn Jahre alte König verherrlichte seinen Thron zuerst durch die schönste und erbaulichste Hochschätzung und Zärtlichkeit gegen seine Mutter, und durch kindliche Ehrfurcht gegen seinen böswilligen Vater. Dieser nämlich, durch die Verleumdungen eines Höflings gehetzt, zog mit einem Kriegsheer nach Kastilien gegen seinen Sohn. Ferdinand schauderte vor einem Krieg gegen den Vater, wendete Bitten und Tränen an, um ihn zu besänftigen, konnte aber einen friedlichen Ausgleich erst erreichen, als Gott selbst sichtbar sich ins Mittel legte und dem Höfling mit einer schweren Krankheit sein teuflisches Handwerk legte. Ferdinand in sehr glücklicher, mit zehn Kindern gesegneter Ehe mit Beatrix, der ausgezeichnet weisen und frommen Tochter des deutschen Kaisers Philipp lebend, weihte seine ganze Kraft dem Wohl seines Volkes. Er wählte Männer von erprobter Klugheit und Gerechtigkeit zu seinen Räten, an deren Spitze Rodriguez Ximenes, Erzbischof von Toledo, dreißig Jahre lang ruhmvoll stand; er durchreiste mit großen Anstrengungen das ganze Land, um überall das Recht und die Unschuld gegen den Übermut der Großen zu schützen und wohltätige Einrichtungen zu treffen.
Damals hatte Spanien sehr zu leiden von den Mauren, Anhängern des Mahomed, welche vor fünfhundert Jahren von Nord-Afrika herkommend, einen großen Teil des Landes erobert hatten und die Christen grausam behandelten. Ferdinand`s Herz blutete ob dieser Gräuel. Sieben Jahre nacheinander unternahm er Feldzüge gegen diese Feinde des christlichen Glaubens, und der Himmel segnete seine Waffen so wunderbar, daß er einen großen Teil Spaniens vom Joch der Mauren befreite.
Die Reinheit und Heiligkeit der Absicht, mit der er sein siegreiches Schwert gegen die Feinde Spaniens und des Christentums schwang, hat er mit den schönen Worten ausgesprochen: „O Gott, der Du die Herzen durchforschest, Du weißt, daß ich deine und nicht meine Ehre suche: ich will mir nicht vergängliche Reiche erwerben, sondern die Kenntnis deines Namens ausbreiten.“ Als er sich zum Krieg gegen die Mauren rüstete, und ihm ein Hofrat dabei den Vorschlag machte, er solle zur Deckung dieser Unkosten die Steuern des Volkes erhöhen, wies er diesen Antrag mit Unwillen zurück und sprach: „Bewahre mich der Himmel, daß ich jemals so etwas tue! Die göttliche Vorsehung wird mir auf einem andern Wege zu helfen wissen. Ich fürchte weit mehr die Verwünschungen eines armen Weibleins, als die ganze Kriegsmacht der Mauren.“
Wunderbar segnete Gott seine Feldzüge, und unermesslich groß war die Beute seiner Siege; aber keinen Heller davon behielt er für sich, sondern verwendete Alles, um neue Bistümer einzurichten, Klöster zu stiften, Kirchen zu bauen, die Feierlichkeit des Gottesdienstes zu erhöhen und namentlich den zwei jungen Orden des hl. Franziskus und des hl. Dominikus einen ausgedehnten Wirkungskreis zu eröffnen. Im Krieg zeichnete sich Ferdinand rühmlichst aus durch seine persönliche Tapferkeit, aber noch weit mehr durch den makellosen Glanz seiner Frömmigkeit, wodurch er aus seinen Soldaten gottbegeisterte Helden machte. Er fastete streng, trug beständig ein Bußkleid, betete ganze Nächte, besonders vor den Schlachttagen und verheimlichte in keiner Weise seine kindlich innige Liebe und Verehrung gegen Maria, „die da schön und lieblich, aber auch furchtbar ist wie ein wohl geordnetes Kriegsheer.“
Im Lager war immer an passender Stelle ein schmuckvolles Bildnis der göttlichen Mutter, der gnadenvollen Helferin der Christen, zur öffentlichen Verehrung aufgerichtet, und den Soldaten ließ er es nicht an Ermahnungen fehlen, sich ihrer Fürbitte anzuempfehlen.
Wer diese Pflege der Frömmigkeit unter den Soldaten überdenkt, wird nicht anstehen, den Mauren zu glauben, welche nach der für sie unglücklichen Schlacht bei Xeres, obschon sie den christlichen Truppen siebenfach überlegen waren, bezeugten, daß sie an der Spitze der Christen den hl. Apostel Jakobus, den Schutzpatron Spaniens – auf einem weißen Rosse in glänzender Waffenrüstung kämpfen gesehen haben. Und als der General der Mauren von der Stadt Sevilla, welche von einer doppelten, sehr hohen und dicken Ringmauer mit 166 Streittürmen beschützt und von 100000 Mann verteidigt war, von Ferdinand besiegt, abzog, schaute er von einer Anhöhe noch einmal zurück und rief mit Tränen in den Augen: „Nur ein Heiliger konnte mit so kleiner Mannschaft eine solche Festung bezwingen; nur mit Hilfe des Himmels war es möglich, uns das geliebte Sevilla zu entreißen!“ Ferdinand ehrte seinen herrlichen Sieg dadurch, daß er die Moscheen in christliche Kirchen umwandelte, daß er in den eroberten Ländern Bistümer und Klöster stiftete zur Einführung christlicher Lehre, Sitte und Kultur, daß er die prachtvolle Kathedrale in Toledo, ein Meisterwerk der gotischen Baukunst, erbaute.
Während dieser Siegesfreude reichte Gott dem heiligen König einen überaus bitteren Leidenskelch zu trinken dar, indem Er ihm die geliebte Mutter und bald darauf die zärtlichste Gattin durch den Tod entriß. Aber auch in diesem größten Schmerz bewährte Ferdinand seine christliche Heldengröße, mit der er sich dem unerforschlichen Willen des Allerhöchsten unterwarf.
Sein Eifer, die Gefahr vor den Mauren für immer zu entfernen und die christliche Religion auszubreiten, bewog ihn zu einem Kriegszug nach Afrika. Die Rüstungen waren schon fertig, seine Flotte hatte bereits an der Küste von Marokko einen glänzenden Sieg erfochten, als sich sein längeres Unwohlsein in eine tödliche Wassersucht ausgestaltete. Ganz Spanien seufzte in herber Trauer, nur Ferdinand blieb fröhlich und getröstet. Mit rührender Innigkeit des Glaubens und der Liebe empfing er die heiligen Sterbesakramente, berief die teuren Kinder an sein Krankenbett, segnete sie aus der Fülle des Herzens und gab ihnen die letzten väterlichen Ermahnungen und Lehren. Dann hob er die Augen zum Himmel, betete, die Sterbekerze in der Hand haltend, mit den Priestern die Litanei und befahl ihnen, das Te Deum zu singen, aber er vollendete es hienieden nicht; er starb zu Sevilla am 30. Mai 1252, in seinem 54. Lebens- und 37. Regierungsjahr.
Seine Leiche wurde beigesetzt in der Kathedrale zu Sevilla vor dem Mutter-Gottes-Altar, wo sie jetzt noch in einem kostbaren Sarg ruht. Das Volk gab ihm von der Stunde des Todes an den Namen „Heiliger“, und die Wunder an seinem Grab gestatteten dem Papst Clemens X. vierhundert Jahre später, ihm die kirchliche Verehrung feierlich zuzuerkennen. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 413 – S. 415