Der arme gottselige Priester Bernard

Der arme gottselige Priester Bernard, Verfasser des Gebetes „Memorare“

Im Jahre 1641 am 23. März starb zu Paris ein Mann, den man nur den armen Priester oder Pater Bernard nannte, und der in ganz Frankreich durch sein wunderbares Leben großes Aufsehen machte. Von Vielen wurde er schon bei Lebzeiten für einen heiligen gehalten.

Im Jahre 1588 am 26. Dezember wurde er zu Dijon geboren. Er war der Sohn eines angesehnen Rechtsgelehrten, studierte zu Paris die Rechte und lebte fröhlich und guter Dinge dahin, ohne sich viel um sein Seelenheil zu bekümmern. Wegen seines heiteren Humors sah man ihn in allen fröhlichen Gesellschaften gerne. – Doch der liebe Gott erbarmte sich seiner, und ließ ihn nicht länger den Weg wandeln, der zum ewigen Verderben führt. In einem Gesicht erschien ihm sein Vater, und warnte ihn vor seinem bösen Lebenswandel. – Diese Erscheinung wandelte plötzlich sein Herz um; aus einem lebenslustigen Weltmenschen ward plötzlich ein strenger Büßer. Nieder gebeugt von der Last seiner Sünden warf er sich der gebenedeiten Mutter Gottes in die Arme. Vom tiefsten Reueschmerz ergriffen, beichtete er seine Sünden, fing dann an, mit allem Eifer die Gottesgelehrtheit sich anzueignen und ward zum Priester geweiht. – Eine ungemeine Liebe zu den armen Sündern ergriff sein Herz; ihre Seelen zu retten, koste es, was es wolle, war das Ziel aller seiner Arbeiten, der Inhalt aller seiner Gebete, und der Grund aller seiner Bußwerke. Zu seinem so schönen, Gott wohlgefälligen Werk rief er beständig die allerseligste Jungfrau zu Hilfe. Auf ihre Fürbitte setzte er sein höchstes Vertrauen. Bei jeder Gelegenheit predigte er Buße und Bekehrung; die Armen waren seine Lieblinge; eine Erbschaft von 400000 Franken, welche sein Vater ihm hinterließ, verteilte er sogleich unter die Notleidenden; er selbst wurde arm und bettelte für die Armen. Seine feurigen Predigten wurden mit Begeisterung und großem Erfolg gehört; große Sünder bekehrten sich. Seine übrige Zeit brachte er in Spitälern und in Gefängnissen zu. Diebe, Räuber und Mörder waren seine Gesellschaft; ihre verstockten Herzen das Feld seines Seeleneifers. Um sie zu erweichen, zur Erkenntnis zu bringen, und ihr Herz zur Liebe des Heilandes zu entflammen, bediente er sich der mächtigen Hilfe der allerseligsten Jungfrau. Er selbst flehte zu ihr Tag und Nacht, und suchte auch die armen Sünder zu bewegen, ebenfalls Zutrauen zu ihrem mitleidigsten Mutterherzen zu fassen. Zu dem Ende hatte er ein Gebet verfaßt, welches er tausendfältig abschreiben ließ und allerwärts in ganz Frankreich verbreitete. – Mit diesem Gebet wirkte der arme Priester die erstaunlichsten Wunder der Bekehrung, und ihm schrieb er die Gnaden zu, welche er dadurch von Gott reichlich empfing.

Es lautet aber dies Gebet:

Im lateinischen Original: Memorare

Memorare, o piissima Virgo et Mater Maria,non esse auditum a saeculo quemquam ad tua currentem praesidia et tua implorantem auxilia aut tua petentem suffragia a te derelictum. Ego tali animatus fiducia ad te, Virgo virginum Maria, Mater Jesu Christi con fugio, ad te venio, ad te curro, coram te gemens peccator et tremens assisto: noli, o Domina mundi, noli aeterni Verbi mater, verba mea despicere, sed audi propitia et exaudi me miserum ad te in hac lacrymarum valle clamantem. Adsis mihi, obsecro in omnibus necessitatibus meis, nunc et semper, maxime in hora mortis meae, o clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria! –

In deutscher Übersetzung: Gedenke, o gütigste Jungfrau und Mutter Maria

Gedenke, o gütigste Jungfrau und Mutter Maria, daß es niemals erhört ist worden, daß Jemand, der zu dir seine Zuflucht nahm, deine Beistand anrief, um deine Fürbitte flehte, von dir sei verlassen worden. Durch solches Vertrauen gestärkt, nehme ich meine Zuflucht zu dir, o Maria, Jungfrau der Jungfrauen, Mutter Jesu Christi! Zu dir komme ich, zu dir eile ich, vor dir stehe ich, ein sündiger Mensch, seufzend und zitternd da. Wolle doch nicht, o Herrscherin der Welt, wolle doch nicht, o Mutter des ewigen Wortes, meine Worte verschmähen, sondern höre mich gnädig und erhöre mich Elenden, der ich zu dir in diesem Tal der Tränen rufe! Stehe mir bei, ich bitte dich, in allen meinen Nöten, jetzt und allezeit, besonders in der Stunde meines Todes, o gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria!!

Eines Tages trat der arme Priester Bernard seiner Gewohnheit gemäß in ein dunkles Gefängnis zu einem Verbrecher, der hingerichtet werden sollte, aber von Buße und Bekehrung, von einem Beichtvater nicht reden hören wollte. – Er grüßte den Gefangenen freundlich, umarmt ihn, sucht ihm Vertrauen einzuflößen, droht ihm mit dem Zorn Gottes; allein seine Worte machen keinen Eindruck auf ihn. Der Verbrecher kehrt ihm den Rücken, würdigt ihn nicht einmal eines Blickes und stellt sich taub für Alles, was Bernard ihm sagt. Dieser bittet ihn, er möge doch nur ein kurzes Gebet zur hl. Jungfrau mit ihm sprechen, das er selbst, so beteuerte er ihn, niemals gesprochen, ohne zu erhalten, um was er gebeten. Der Gefangene weigert sich durch ein Zeichen der Verachtung, es zu sprechen. Pater Bernard betet es ihm vor, und spricht es geduldig bis zum Ende, es ist: das Memorare, jenes Gebet, das so vielen schon den Weg zur Bekehrung gebahnt. Doch der verstockte Mensch bewegt nicht seinen Mund, noch seine Zunge.

Da reißt den frommen Priester die Liebe fort, sein Eifer für die Rettung dieser armen Seele entflammt ihn, er zieht ein Papier hervor, auf dem das Memorare geschrieben steht. Er nimmt dasselbe, hält es dem Verbrecher vor die Augen, vor den Mund, und bemüht sich endlich, ihm das geschriebene Gebet in den Mund zu schieben mit den Worten: „Da du es nicht sprechen willst, so iß es.“ Der Verbrecher, der sich wegen seiner Ketten nicht wehren konnte, verspricht nun, um nur frei zu werden, es zu sprechen. Bernard wirft sich mit ihm auf die Knie, beginnt wieder das Gebet, und der Gefangene hat nun kaum die ersten Worte gesprochen, so fühlt er sich gänzlich verändert. Ein Strom von Tränen fließt ihm aus den Augen, er bittet den heiligen Priester, ihm Zeit zu lassen, denn er wolle sich auf seine Beichte vorbereiten, und da er sich in der Bitterkeit seines Herzens an die Verirrungen seines Lebens erinnert, rühren ihn seine Verbrechen und die Größe der göttlichen Barmherzigkeit so sehr, daß er in derselben Stunde vor Schmerz stirbt.

Der arme Priester Bernard, von solch wunderbarer Hilfe der allerseligsten Jungfrau in seinem Seeleneifer noch mehr entflammt, fuhr fort, Armen, Kranken und Verbrechern mit aller Liebe beizustehen. – Er leistete den Preßhaften die niedrigsten und ekelhaftesten Dienste, und verließ sie nicht bis zum letzten Hauch ihres Lebens. Endlich erlag er seinen Mühen. Er hatte eine verstockten Sünder zum Galgen begleitet, und sich dabei so stark angegriffen, daß er ein heftiges Fieber bekam, welches seinem Leben ein Ende machte. Sein Andenken ist noch heute in ganz Frankreich gesegnet, und das schöne Gebet, welches er verfaßt, wird seit seinem Tod von Tausenden und Tausenden gebetet. Vielfach hat man schon erfahren, daß dies Gebet der lieben Frau so angenehm sei, daß man es nie ohne Frucht verrichtet, wenn anders es mit Andacht und Vertrauen gebetet wird. O mögest es auch du, christliche Seele, alle tage beten, absonderlich wenn Versuchung und Anfechtung über dich kommt, wenn Gefahr deiner Seele droht, und du wirst bewahrheitet finden das Wort des großen Papstes Innozenz: „Wem hätte Maria nicht geholfen, nachdem er sie angerufen!“ (Kirchenlexikon. Gaume.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 783 – Sp. 786

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