Das Wunder vom Judenknaben im Glasofen

Zwei Engel sitzen auf einer Wolke, zwischen ihnen ist eine Sonne mit Strahlen

Welch eine überaus barmherzige Frau Maria ist

Das Wunder vom Judenknaben im Feuerofen

Die beiden Geschichtsschreiber Evagrius und Nicephorus erzählen folgende Geschichte, welche auch der berühmte Kardinal Baronius in seine Jahrbücher aufgenommen hat.

Im Jahre 502 nach Chr. Geburt zur Zeit des Kaisers Justinian, geschah es in Konstantinopel, daß ein kleiner Judenknabe mit andern Christenkindern in einer Kirche U. L. Frau auch zum Altar trat, um nach der Kommunion der Erwachsenen die übrig gebliebenen heiligen Partikel des heiligsten Sakramentes zu empfangen, wie es damals der Brauch war. – Da der Judenknabe zu lange in der Kirche verweilte, und zur rechten Zeit nicht nach Hause kam, wollte sein Vater wissen, wo er so lange gewesen? Der Knabe erzählte in kindlicher Einfalt, daß er mit den Christenknaben in der Kirche gewesen und mit ihnen auch eine Hostie genossen habe.

Das war ein Donnerschlag für den Juden, der ein Glasmacher war. Von Wut außer sich, ergreift er den unschuldigen Knaben, schleudert ihn in den vom Feuer glühenden Glasofen und schlägt die Türe zu. Dann entfernt er sich. Die Mutter des Knaben, welche nicht unterwegs war, geht ihr Kind irre, sie sucht, sie ruft nach demselben im Haus und auf den Straßen und findet es nicht. Es wird Abend, das Kind ist noch nicht da. Der Vater aber sagt kein Wort von seiner gräßlichen Tat. – Drei Tage lang sucht die Mutter überall, doch der Knabe kommt nicht wieder. Da setzt sie sich von Leid und Schmerz ergriffen neben dem Glasofen in einen Winkel, und nimmt eine Arbeit vor, um ihren Kummer ein wenig zu vergessen. – Während der Arbeit beklagt sie still ihr Elend und ruft dabei unbewußt den Namen des Knaben. – Da vernimmt sie verwundert die süße Stimme desselben im Ofen. Sie erschrickt und lauscht, und hört die Stimme abermals. Vor Freude bebend reißt sie die Ofentüre auf und sieht nun den Knaben unversehrt im noch glühenden Ofen liegen. Sie zieht ihn sogleich heraus und freudetrunken an ihre Brust. Nachdem sie dem ersten Drang der Mutterliebe Genüge getan, fragt sie den Knaben, wie er in den Ofen gekommen und unversehrt geblieben? Und der Knabe spricht:

„Der Vater hat mich da hinein geworfen; aber kaum war ich darin, als eine schöne Frau, dieselbe, welche in der Kirche, wo ich mit den Kindern das Brot genossen, auf dem Sessel sitzt und ein Kindlein auf dem Schoß hält, mich mit ihrem Mantel bedeckte. Sogleich wich das Feuer zurück; und wenn mich hungerte, kam die Frau und brachte mir Speise.“

Da die Mutter des Knaben weinend und klagend die Straßen der Stadt durchsucht hatte, so konnte die wunderbare Wiederfindung und Erhaltung desselben nicht verborgen bleiben. Die ganze Stadt ward voll davon und auch dem Kaiser kam es zu Ohren. Er ließ Mutter und Kind vor sich kommen und sich das Wunder von ihnen erzählen; darauf übergab er sie dem Patriarchen von Konstantinopel, damit er sie im christlichen Glauben, wonach beide verlangten, unterrichte und zur Taufe vorbereite. –

Er ließ auch den Vater des Kindes suchen und sich vorstellen, und versprach ihm Vergebung seiner gottlosen Tat, wenn er sich Christo, dem Gekreuzigten, ergebe, allein der Jude blieb verstockt; er geht hin, wie ein anderer Judas, und erhängt sich. (Alexander Sperelli, Bischof von Gubbio.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 554 – Sp. 555

Tags: Maria

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