Betrachtung zum Fest des hl Matthias

Betrachtung zum Fest des hl. Matthias

Die Güte und Strenge Gottes

Vide bonitatem et severitatem Dei; in eos quidem, qui ceciderunt, severitatem, in te autem bonitatem Dei, si permanseris in bonitate; alioquin et tu exideris.
„Sieh also die Güte und Strenge Gottes; die Strenge gegen die Gefallenen, die Güte Gottes gegen dich, wenn du in Gutem verharrst; sonst wirst auch du ausgehauen.“ (Röm. 11,22)

1. Betrachte die Güte und Strenge Gottes. Güte bedeutet hier jenes Wohlwollen, womit uns Gott ohne unser Verdienst Wohltaten erweist; Strenge aber jene Schärfe der Gerechtigkeit, welche er in Rücksicht auf unsere Schulden anwendet. Denn man kann Gott nicht geradezu streng nennen, wie man ihn gut nennt, weil er niemals so viel straft, als er könnte, sondern immer Barmherzigkeit untermischt. Streng also nennen wir ihn dann, wenn er mehr Gerechtigkeit als Barmherzigkeit übt. Nach diesem nun siehe die Güte und Strenge Gottes.
Die Betrachtung dieser Güte und dieser Strenge muß die Leiter sein, auf der du dem Feind entfliehen sollst. Versucht er dich nämlich durch Mißtrauen, so steige darauf also gleich aufwärts, indem du erwägst, wie gut der Herr ist auch gegen den, der es nicht verdient: „Siehe die Güte Gottes.“ Versucht dich dagegen der böse Feind durch Vermessenheit, so steige auf dieser Leiter abwärts, indem du betrachtest, wie schrecklich der Herr selbst gegen jene ist, die er herzlich liebrt: „Siehe die Strenge Gottes.“
Durch dieses Auf- und Absteigen wirst du bewirken, daß dich der Feind niemals erreichen kann. Hüte dich aber, still zu stehen und den Fuß festzusetzen, denn darin liegt große Gefahr: „Siehe die Güte, aber zugleich die Strenge Gottes.“

2. Die Strenge Gottes betrachte besonders gegen so viele Andere, die er vom höchsten Gipfel herab in den Abgrund stürzen ließ: „gegen jene, die gefallen sind“; wie Judas, der von der Höhe der Apostelwürde herab gestürzt, oder Saul, Salomon, Origenes und Andere, die dem Herrn früher so nahe waren. Wer sollte nicht zittern! „Der Herr“, ruft der Prophet (Thren. 2,2), „hat sie ohne Erbarmen verworfen.“ Ja wie Viele werden gerade am heutigen Tag von einer hohen Stufe der Heiligkeit oder der Weisheit herab fallen und zur Hölle fahren? Oder kommen nicht Manche schon nach der ersten Sünde dahin?

3. Nun aber betrachte Gottes Güte gegen dich, da er dich nicht bloß nach der ersten, sondern nach so vielen anderen Sündern langmütig übertragen hat. Das kannst du sicher nicht deinem Verdienst zuschreiben, sondern ganz allein seiner Güte.
Aber merke dir wohl, daß du deshalb noch nicht gerettet bist; denn du weißt nicht, ob Gott auch ferner so gütig gegen dich sein wird, wenn du seine Gnade wieder mißbrauchst. Gerettet wirst du sein, wenn du im Guten verharrst, d.h. wenn du immerdar Gottes Güte für dich hast; wenn du, wie jetzt, immer von besonderem wirksamen und überfließenden Beistand unterstützt sein wirst. Aber wer kann dir dafür Bürgschaft leisten? Ist etwa Gott verbunden, bis zum Ende jene Güte gegen dich anzuwenden? Nein, das wäre keine Güte!

4. Betrachte das Verderben, das auf dich wartet, wenn dir Gott diese Güte entzieht, wie er so vielen Anderen getan hat! „Auch du wirst ausgehauen werden.“ Auch du wirst ohne Rücksicht und ohne Erbarmung vom Lebensbaum getrennt und ins ewige Feuer geworfen werden. Was bleibt dir demnach zu tun übrig, als dich beständig dem Herrn zu empfehlen, wie Einer, der zwischen Hoffnung und Furcht schwebt, und dabei immer zu gedenken, daß Gott gütig, aber auch streng ist?

aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. I, S. 131-132

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