Anleitung zur Betrachtung der Passion Christi

Christus hängt, halb nackt und mit einer Dornenkrone "geschmückt", mit ausgebreiteten Armen am Kreuz

Anleitung das bittere Leiden und Sterben Jesu Christi mit Nutzen zu betrachten

Eine Anleitung zur Betrachtung der Passion Christi

„O ihr alle, die ihr vorüber geht am Wege, gebt acht und schaut, ob ein Schmerz gleich sei meinem Schmerz!“ (Klagel. 1,12)

In der heiligen Fastenzeit soll man besonders das bittere Leiden und Sterben Jesu betrachten. Damit du, christliche Seele, dies gern und mit Nutzen tuest, so folgt hier eine kleine Anleitung hierzu.

I. Nutzen der Betrachtung des Leidens Jesu

1) „Es ist außer Zweifel“, sagt Ludwig von Granada, „daß unter allen Andachtsübungen keine sicherer, keine heilsamer, allgemeiner und jedem Stande und Geschlecht angemessener ist, als das Andenken an das Leiden unseres Herrn.“ (Betrachtung über das Leben Jesu. Buch 3, Kap. 1)
„Nützlicher ist es“, sagt Albert der Große, „täglich einiges aus dem Leiden des Herrn zu betrachten, als alle Freitage des Jahres bei Wasser und Brot zu fasten und sich bis aufs Blut zu geißeln.“
2) Die rechte Betrachtung des Leidens Christi ist ganz geeignet, den Menschen besser zu machen. Wer recht bedenkt, daß Jesus so unaussprechliche Schmerzen und einen so gewaltsamen Tod erlitten habe, um uns zu retten, wahrlich, der kann nicht mehr Sünder bleiben; er muss die Sünde als Ursache des Todes Jesu hassen, muss im Innern ein unaufhaltsames Feuer der Liebe sich entzünden fühlen gegen den, welcher alles das aus Liebe zu uns auf sich genommen, muss einen ernsten Vorsatz machen, Jesu nachzufolgen in Demut, Sanftmut, Feindesliebe, Geduld, Gehorsam etc. Diese gewaltige Kraft der Betrachtung des Leidens Jesu haben die Heiligen mächtig an sich erfahren.
3) Die Betrachtung des Leiden Christi verleiht auch ungewöhnliche Stärke im Kampf gegen die Versuchungen. Der hl. Augustinus sagt hierüber schön: „In allen Widerwärtigkeiten habe ich keine Arznei so kräftig gefunden, als das Leiden und die Wunden Christi. In denselben schlafe ich sicher, ruhe ich unerschrocken. Christus ist für uns gestorben. Der Tod hat nichts so Bitteres an sich, das nicht durch den Tod Christi versüßt würde. Meine ganze Hoffnung gründet sich auf den Tod meines Herrn. Sein Tod ist mein Verdienst, meine Zuflucht, mein Heil, mein Leben und meine Auferstehung. Beunruhigt mich ein schändlicher Gedanke, so verberge ich mich in den Wunden Christi. Drückt mich mein Fleisch darnieder, so erhebe ich mich wieder durch die Erinnerung an die Wunden meines Herrn. Stellt mir der Teufel heimlich nach, so fliehe ich zur innigsten Barmherzigkeit meines Herrn. Und der Feind weicht von mir. Bewegt meine Glieder die Unkeuschheit, so wird sie durch wiederholtes Andenken an die Wunden meines Herrn ausgelöscht. Meine ganze Hoffnung und die Gewissheit meines Vertrauens beruht auf dem kostbaren Blut meines Herrn Jesu. In demselben erhole ich mich, wenn mich die Menge meiner Sünden kleinmütig machen und in Verzweiflung stürzen will. Durch dasselbe hoffe ich gänzliche Verzeihung meiner Sünden, und einstens zu Dir, o Gott! zu gelangen.“

II. Art und Weise, das Leiden Jesu recht zu betrachten

1) Betrachte die einzelnen Geheimnisse des bitteren Leidens und Sterbens deines Heilandes nach der Weise, wie du andere Gegenstände der Religion betrachtest.
2) Du kannst das bittere Leiden und Sterben Jesu betrachten nach den Geheimnissen des schmerzreichen Rosenkranzes, oder der heiligen fünf Wunden (siehe den Beitrag: Andacht zu den fünf Wunden Jesu Christi), oder der sieben Worte Jesu am Kreuz, oder der vierzehn Stationen, oder nach der Leidensgeschichte, wie sie die heiligen Evangelisten erzählen. Nimm aber für jede Betrachtung nur wenig Stoff und suche recht tief in jeden einzelnen Umstand des Leidens unseres Herrn einzudringen.
3) Bei Betrachtung des bitteren Leidens Jesu Christi sind, wie der hl. Ludwig von Granada so schön lehrt, besonders sechs Umstände wohl zu beachten, nämlich: Die Größe seiner Schmerzen, die ungeheure Last unserer Sünden, die Wohltat unserer Erlösung, die Erhabenheit der göttlichen Güte, die Fülle der Tugenden, die aus dem Leiden Christi hervor leuchten, und die Zweckmäßigkeit des Mittels, wodurch es Gott gefiel, das Menschengeschlecht zu erlösen.

Diese sechs Umstände sollen wir mit aller Sorgfalt betrachten, da in den sechs verschiedenen Wirkungen derselben der ganze Nutzen des geistlichen Lebens besteht. Die Größe seiner Schmerzen nämlich sollen wir betrachten, damit sie Mitleid in uns errege; die Last unserer Sünden, damit wir dieselben in Zukunft mit Schauder fliehen; die Größe der göttlichen Wohltat, damit wir ohne Unterlaß dafür danken; die Erhabenheit der göttlichen Güte, die aus dem Leiden Christi hervor leuchtet, damit wir zur Liebe entzündet werden; die Fülle der Tugenden Christi, damit wir dieselben nachahmen; die Zweckmäßigkeit endlich, damit wir die göttliche Weisheit bewundern und unser Glaube an dieses wunderbare Geheimnis vermehrt und gestärkt werde.

„Siehe an, o christliche Seele, die Wunden Jesu, des Gekreuzigten, siehe das Blut des Sterbenden, betrachte den Wert des Erlösenden. Er neigt sein Haupt, dich zu küssen; sein Herz steht offen, dich zu lieben; seine Arme sind ausgestreckt, sich zu umfangen; der ganze Leib ist hingegeben, dich zu erlösen. Erwäge, geliebte Seele, dieses große Geheimnis und lege es auf die Waagschale deines Herzens, damit Derjenige tief in dein Herz eingedrückt werde und allzeit in deinem Gemüt eingedrückt bleibe, welcher ganz für dich an das Kreuz ist geheftet worden und am Kreuz für dich gestorben ist.“ (Hl. Augustinus) –
aus: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 138-139

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