Gnadenorte unserer himmlischen Himmelskönigin
Unsere Liebe Frau von Rocamadour in Frankreich
In einiger Entfernung der berühmten Handelsstadt Cahors liegt in einer wilden gebirgigen Einöde der durch ganz Frankreich berühmte Gnadenort U. L. Frau von Rocamadour.
Noch immer bewahrt das katholische Frankreich das Andenken an dieses allgeliebte Heiligtum, noch immer steigen fromme Pilger hinauf zur heiligen Kapelle, noch immer finden dort Betrübte Trost, Unglückliche Hilfe. –
Eine alte Volkssage will wissen, daß der Zöllner Zachäus, den Jesus bekehrt hatte, nach dem Tode des Heilandes und seiner Auffahrt hierher gekommen sei, um in dieser Wildnis zu büßen und zu sterben. Er habe das uralte Gnadenbild mitgebracht und in einer Felsenhöhle aufgestellt. Eine andere Überlieferung aber sagt, daß um das dritte Jahrhundert nach Christi Geburt ein unbekannter Mann dieses Bild hier gebracht habe. Die düstere erhabene Gegend voll zackiger Felsen, die über die enge, tief eingebogene Schlucht hervor ragen, durch welche ein Strom sein Gewässer wälzt, das Tal der Finsternis genannt, entsprach dem Gemüt des Einsiedlers. Schafhirten, welche ihn hier antrafen, und oft von weitem auf den steilen Höhen der wilden Berge herum steigen sahen, nannten ihn Amator rupis (Felsenliebhaber), woraus dann in der Mundart des Volkes der Name Amador oder Amadour (*) wurde.
Das kleine Muttergottes-Bild, ähnlich jenen, welche die Christen des neu bekehrten Galliens in hohlen Eichen zur Verehrung aufstellten, ward bald bekannt und berühmt durch die Wundergaben, welche die Gebete der Pilger auf Fürbitte der Mutter Gottes erlangten. Die Wallfahrer vermehrten sich und bald wurden sie so häufig, daß am Fuß des Felsens, wo das Gnadenbild stand, eine ansehnliche Stadt sich erhob. – Eine Kirche ward über dem Wunderbild gebaut, und zum Schutz des Heiligtums oberhalb des Turmes der Kirche in erstaunlicher Höhe eine Burg hergestellt.
Unter dem heiligen Kaiser Karl dem Großen ward der Wallfahrtsort sehr berühmt. Sein Neffe, der berühmte Ritter Roland, kam im Jahr 778 nach Rocamadour und schenkte der heiligen Jungfrau eine Gabe aus Silber, so schwer als sein mächtiges Schwert, und nach seinem Tode ward dieses Schwert selbst nach Rocamadour gebracht.
Im Jahre 1170 macht König Heinrich II. von England das Gelübde einer Wallfahrt dahin, wenn er von seiner langwierigen Krankheit genesen würde. Er genas wirklich und bestieg nun die Felsenhöhle, um sein Gelübde zu lösen und reiche Geschenke nieder zu legen. Auch der heilige König Ludwig von Frankreich mit seiner frommen Mutter Blanka und seinen drei Brüdern besuchte die Liebe Frau von Rocamadour, um dort zu beten und zu opfern.
Im 14. Jahrhundert war dieser Gnadenort bereits so berühmt, daß zur Zeit des Krieges jeder Pilger ungehindert dahin wallen konnte. Freund und Feind achtete den Pilger, der an seinem Helm oder seinem Pilgerhut das Bild der Muttergottes trug. Ein englischer Soldat, der ergriffen wurde, ward sogleich in Freiheit gesetzt, als er sich als Pilger zur Lieben Frau von Rocamadour zu erkennen gab.
Oft waren es nicht nur einzelne Pilger, sondern die Bewohner ganzer Städte und Provinzen, welche sich in Masse nach Rocamadour begaben. Oft musste man auf freiem Feld Zelte aufschlagen, um die Pilger unterzubringen; das Gedränge war so groß, daß mehrere Personen umkamen. Reiche Stiftungen wurden von Großen und Fürsten des Reiches der Mutter Gottes von Rocamadour gemacht; die Wände des Gotteshauses erglänzten von Votivtafeln von Gold, Perlen und Edelgestein; spanische Prinzessinnen hatten mit eigenen Händen die Stickereien an den Vorhängen verfertigt und vierzehn schwere, silberne Lampen brannten Tag und Nacht vor dem Bild der heiligen Jungfrau. – Im Widerspruch mit dieser Pracht aber stand der Altar, der nur von Holz und das wundertätige Bild selbst, das grob geschnitzt war aus Eichenholz. In der Kuppel der Kapelle, die rings umher von herrlichen Glasmalereien umgeben, bemerkte man eine kleine Glocke ohne Seil, die von selbst zu läuten anfing, wenn es dem „Stern des Meeres“, der heiligen Jungfrau, gefiel, ihre Macht offenbar werden zu lassen an notleidenden Schiffen auf der See, die im Sturm Hilfe bei der Mutter Gottes suchten.
Unter den Votivbildern, welche die Wände der heiligen Kapelle zieren, zeichnen sich besonders zwei durch die Person aus, welche sie darstellen. Der fromme Bischof und treue Diener U. L. Frau Franz Fenelon, ist auf dem einen als kleines Kind in der Wiege vorgestellt und auf dem andern als Jüngling, kniend vor dem Bild U. L. Frau. – Seine fromme Mutter hatte ihn nämlich schon als kleines Kind der Muttergottes von Rocamadour geweiht. –
Da er auf der Hochschule in der nahen Stadt Cahors studierte, stieg er öfters zur heiligen Gnadenstätte hinauf, und hier war es, wo er seine ersten Dichtungen der heiligen Jungfrau weihte. Nahe bei der Kirche war auch das grab seiner lieben Mutter, die bei der Muttergottes ruhen wollte, hier sah man ihn oft knien, weinen und beten.
Viele Jahrhunderte war die Gnadenkapelle von Rocamadour eine Zufluchtsstätte für alle Betrübte und Leidende, da kam das unglücksvolle Jahr 1592. – Die Protestanten, angelockt von den Schätzen, die fromme Herzen der Gottesmutter geopfert, bemächtigten sich der Burg, zerbrachen die Kreuze, verwüsteten die Kirche, verstümmelten die Bilder, schmolzen die Glocken ein und gaben den Leib des heiligen Einsiedlers Amator den Flammen preis. Was die Protestanten noch verschonten, das vernichteten die gottlosen Männer der Revolution im Jahre 1793. Doch die Liebe zur gebenedeiten Jungfrau konnten die Gottlosen nicht aus den Herzen der Gläubigen tilgen. In neuerer Zeit wurde die heilige Kapelle wieder hergestellt, und zahllose Pilger ziehen wieder nach Rocamadour, um dort Hilfe in ihren Anliegen zu finden und nicht vergebens, wie noch folgendes i. J. 1848 am 16. September geschehenes, gerichtlich bezeugtes Wunder beweist.
Eine fromme Jungfrau, siebzehn Jahre alt, befand sich seit mehreren Monaten in einem verzweiflungsvollen Zustand. Eines ihrer eine hatte in Folge eines heftigen Krampfes seine natürliche Lage derart verloren, daß das Knie manchmal die Stirne berührte, einer ihrer Arme war ebenfalls verrenkt und zu keiner Verrichtung mehr tauglich. Sie war blind ,und ihre Zunge brachte kein verständliches Wort hervor: sie war selbst nicht imstande, Nahrung zu sich zu nehmen, nicht einmal einen Tropfen Wasser zu schlucken. In diesem furchtbaren, qualvollen Zustand verlangt sie schriftlich in Folge einer innerlichen Eingebung zu U. L. Frau von Rocamadour gebracht zu werden. Man trägt sie in die heilige Kapelle und setzte sie vor dem Altar nieder; eine große Anzahl Anwesender wurde eingeladen, für die Unglückliche zu beten. Obwohl die Jungfrau seit mehreren Tagen nicht imstande war, etwas zu sich zu nehmen, versucht man gleichwohl, ihr die heilige Kommunion zu reichen, die sie ohne Schwierigkeiten empfängt. Sogleich haften ihre Augen auf dem Gnadenbild, sie schaut, sie betrachtet liebevoll ihre erhabene Wohltäterin, – sie kann sehen. Durch diesen Erfolg ermutigt fordert ein Priester sie auf, den Namen Maria zu sprechen und siehe – mit deutlicher Stimme wiederholt sie: „O Maria, o meine Mutter!“ Im Augenblick rührt sich ihr linker Arm, den sie früher nicht bewegen konnte und gewinnt seine frühere Gelenkigkeit; ihr seit langer Zeit gekrümmtes Bein streckt sich aus. Ein plötzlicher Ausruf bricht aus aller Munde: „Wunder, Wunder!“ Tränen fließen aus aller Augen; man läutet mit allen Glocken und in einem Augenblick ist die Stadt in Bewegung; man rennt, man schreit, staunt, man preist Gott und lobt die Macht und Güte der heiligen Jungfrau. Ein Protokoll wird abgefaßt, bezeugt, unterzeichnet und die Aussage des Arztes dem Protokoll beigefügt. Der Bischof von Cahors untersucht die Tatsache befragt die geheilte Jungfrau und die Zeugen und verkündet dann öffentlich von der Kanzel das erstaunliche Wunder. Voll der Dankbarkeit gegen ihre erhabene Wohltäterin tritt die Jungfrau in den Orden der barmherzigen Schwestern und weiht sich dem Dienst der Kranken. (Schatzkästlein für Marienkinder von Huguet.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 850 – Sp. 853
(*) Amadour, unbekannter Einsiedler; nach andern identisch mit dem hl. Amator, dem Bischof von Auxerre, † 418; nach der traditionellen Legende bald als der Zöllner Zachäus, bald als der Gemahl der hl. Veronika bezeichnet. Frest ehemals 20., jetzt26. August; auch in Lucca wird am 20. August ein hl. Amadour verehrt. – Seit dem 12. Jahrhundert ist das nach ihm benannte Rocamadour (Rupes Amatoris = Roc d`Amadour) als Marienwallfahrt berühmt; 1172 verfaßte ein Mönch eine interessante Sammlung von 127 „Miracles de Notre-Damede Rocamadour“ (hrsg. v. E. Albe, Paris 11907). Noch jetzt kommen zahlreiche Pilger, besonders zum „grand pardon“, alle 40-50 Jahre. Neben der ursprünglichen Liebfrauen-Kapelle erhebt sich die 2schiff. Kollegiatkirche zum hl. Erlöser (erbaut im 13. Jahrhundert, seit 1913 Basilica minor); etwas tiefer liege die Kirche des hl. Amadour sowie 3 andere Kapellen. 1919 wurde auch in Quebec eine Pfarr- und Wallfahrtskirche zu Ehren U.L.F. v. Rocamadour errichtet. (Buchberger, Lexikon, Bd. I, 1930 Sp. 333
Rocamadour