Gnadenorte unserer himmlischen Himmelskönigin
Unsere Liebe Frau von der Freude zu Liesse in Frankreich
Bei der festen Stadt Laon, mehrere Meilen von Paris entfernt, steht die schöne Kirche Unserer Lieben Frau von der Freude, wohin noch immer viele fromme Pilger wandern. Der Ursprung dieser Kirche und Wallfahrt ist wunderbar.
Ungefähr um das Jahr 1134 lockten ungläubige Osmanen in der Stadt Askalon, gegen die die Malteser-Ritter oder Hospitaler ununterbrochen kämpften, weil sie die Erbfeinde der Christen waren, eine Abteilung solcher tapferer Ritter in einen Hinterhalt und nahmen sie nach tapferer Gegenwehr gefangen. Unter den Gefangenen waren drei Brüder aus der Picardie. Der älteste war ein Herr von Arpe, der zweite von Marchois, und der dritte war unbegütert. Als sie von den Wunden geheilt waren, die sie im Kampf für ihre Freiheit bekommen hatten, schickte man sie wegen ihrer Tapferkeit und ihres Adels zum Sultan nach Kairo in Ägypten, der sie anfangs äußerst hart behandelte, und dann auf den Gedanken verfiel, sie für die Lehre des falschen Propheten Mohammed zu gewinnen. Er ließ sie deshalb bei Wasser und Brot einsperren und schickte dann Lehrer seiner falschen Religion zu ihnen, die sie auf alle Weise bereden und zum Abfall vom heiligen Glauben bringen sollten. Da sie nichts vermochten, schickte er auch seine schöne Tochter Ismeria, die in der Lehre des Mohammed sehr unterrichtet war, zu ihnen, damit sie das gleiche versuche. Doch es geschah das Gegenteil. Nach mehreren Gesprächen wurde sie von den treffenden Reden der Ritter überwunden. Besonders wurde sie sehr gerührt, als sie die Ritter so viel Schönes vom Leben Unserer Lieben Frau, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus, erzählen hörte. Sie wünschte ihr Bild zu sehen.
Der älteste von den Brüdern versprach es ihr, ohne dass er bedachte, dass er kein solches Bild besitze, noch erhalten könne. Da er einsah, er könne sein Versprechen unmöglich erfüllen ohne höhere Hilfe, so nahmen die Brüder ihre Zuflucht zu Gott und zur glorreichen Jungfrau. In der folgenden Nacht fand er eine Statue der Mutter Gottes bei sich, ohne zu wissen, woher sie gekommen war, und die man für dieselbe hält, die man heut zu Tage noch in der Kirche Unserer Lieben Frau von der Freude sieht. Die Statue verbreitete den süßesten Wohlgeruch und ergoss durch das ganze Gefängnis, in dem die Ritter waren, ein helles Licht. Sie meinten auch eine herrliche Musik zu hören, die nur von Engeln kommen konnte, und sie so sehr erfreute, dass sie diese ganze Nacht mit großer Zufriedenheit zubrachten. Am folgenden Tag kam die Prinzessin Ismeria wieder ins Gefängnis und war Zeuge von all diesen Wundern, wodurch ihr Herz so sehr umgewandelt wurde, dass sie, statt die Ritter für ihren falschen Glauben zu gewinnen, selber unserem Herrn gewonnen war. Sie trug das Bild auf ihr Zimmer, erwies ihm die größte Ehre und wurde bald mit so viel Freude erfüllt, dass sie es nicht mehr verlassen konnte.
In der folgenden Nacht erschien ihr Unsere Liebe Frau und erklärte ihr, daß sie die Ritter aus dem Gefängnis befreien, und ihr dadurch Ehre machen solle. Mit Tagesanbruch ging sie geraden Weges zum Gefängnis, das sie wie durch ein Wunder geöffnet fand, rief den Rittern zu und gab ihnen ihren Entschluss zu verstehen. Sie gingen alle miteinander fort und zogen nach Kairo, ohne bemerkt zu werden. Hierauf gelangten sie an das Ufer des Nils, wo sich ein schöner junger Mann zeigte, der sie auf ein kleines Schiff brachte und gleich darauf verschwand.
Nachdem sie auf die andere Seite des Flusses gekommen waren, wurden die Ritter samt Ismeria auf wunderbare Weise nach Frankreich zu ihrem elterlichen Schloss gebracht. Das Bild Unserer Lieben Frau wurde vergessen bei einer Quelle, dessen Wasser über das Bild floss. Seitdem heilt das Wasser dieser Quelle von Fiebern und mehreren anderen Krankheiten.
Als die Ritter im elterlichen Schloss angekommen waren, hatten ihre Eltern eine unbeschreibliche Freude über ihre Rückkehr. Ismeria wurde hierauf dem Bischof von Laon vorgestellt, der sie unterrichtete, taufte und Maria nannte. Sie blieb im Haus bei der Mutter der Ritter und lebte keusch und rein in großer Frömmigkeit. Die Ritter ließen eine Kirche an dem Ort erbauen, wo das Bild liegen geblieben war. Hier wurde es auf den Altar der Verehrung ausgesetzt und seitdem von unzähligen Wallfahrern besucht, und die Freude, die noch jedem Besucher der Kirche zuteil wurde, verlieh ihr den schönen Namen „Unsere Liebe Frau von der Freude“. (Poire.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 399 – Sp. 401