Das Zeitalter der Revolutionen
Papst Pius IX. ein großartiger Apostel
Pius IX. war ein großartiger Apostel und in dieser Beziehung einer der größten Päpste aller Jahrhunderte durch seine Lehrtätigkeit wie durch seine Hirtensorge. Drei Taten, die er vollbracht, machen ihn als Lehrer der Völker unsterblich. Vorerst ist es die Glaubensentscheidung über die Unbefleckte Empfängnis der allerseligsten Jungfrau. Daß Maria, die Mutter Gottes, unbefleckt empfangen, ohne die Schuld der Erbsünde in die Welt getreten sei, war schon lange der allgemeine Glaube der Kirche gewesen. Nachdem Pius von allen Bischöfen des Erdkreises ihr Gutachten eingeholt hatte, verkündete er am 8. Dezember 1854 in Anwesenheit von mehr als 200 Bischöfen aus der ganzen Welt, daß Maria vom ersten Augenblick ihres Daseins an in Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi von der Erbsünde ausgenommen sei und daß diese Lehre als geoffenbarte Wahrheit jeder Christ glauben müsse.
Die zweite weltberühmte Tat, die Pius als Lehrer der Völker vollbrachte, war die Veröffentlichung des Syllabus. Mit diesem Wort wird eine Zusammenstellung von 80 Irrtümern bezeichnet, die Papst Pius 1864 veröffentlichte. Diese Irrtümer hatte er schon früher in verschiedenen Hirtenschreiben meistenteils namhaft gemacht. Die einen dieser verworfenen Sätze betreffen den Glauben, andere beziehen sich auf die Grenzen der menschlichen Freiheit, wieder andere auf die Autorität, auf das Verhältnis der Kirche zur Staatsgewalt, auf das Sittengesetz, auf die Ehe, endlich auf verschiedene andere irrige Anschauungen des Liberalismus.Einen wahren Höllenspektakel rief dieser Syllabus hervor, in den leider nicht wenige schwach gläubige Katholiken einstimmten.
Die Einberufung des Vatikanischen Konzils
Von der weittragendsten Bedeutung aber war die Einberufung, Abhaltung und Entscheidung des allgemeinen Konzils vom Vatikan. Nach jahrelangen Vorbereitungen und Beratungen wurde es auf den 8. Dezember 1869 ausgeschrieben und es trat auch am bezeichneten Tag zusammen. Über 700 Bischöfe aus allen Teilen der Welt hatten sich eingefunden. In den öffentlichen Sitzungen führte der Papst selbst den Vorsitz. Denselben aber gingen Reihen von Einzelberatungen in den verschiedenen Kommissionen und Kongregationen voraus, in welchen über die klare und bestimmte Fassung der einzelnen Lehrpunkte lange und eingehend debattiert wurde. In der dritten öffentlichen Sitzung wurde ein Glaubensdekret verkündet, welches in vier Kapiteln von Gott, dem Schöpfer aller Dinge, von der Offenbarung, von dem Glauben und von dem Verhältnis des Glaubens zur Vernunft handelt. In der vierten öffentlichen Sitzung aber, am 18. Juli 1870, wurde über die berühmte Konstitution abgestimmt, welche erklärt, daß der Papst, wenn er als oberster Lehrer (ex cathedra) zur Christenheit spricht, sich desselben Gnadenvorzuges wie die heilige Kirche erfreue, daß er in den lehramtlichen Entscheidungen, die den Glauben und die Sitten betreffen, gemäß der Verheißung Jesu Christi als Nachfolger des hl. Petrus nicht irren könne und daß eine solche Entscheidung auch ohne Zustimmung der Kirche unfehlbar sei. Von den 535 Bischöfen, welche in Rom anwesend waren, stimmten 533 mit Ja, zwei mit Nein, und auch diese wie alle anderenBischöfe, die bereits abgereist waren, traten dem Beschluss nachträglich bei. Den Feinden der Kirche war die Freude versagt, auch nur einen von den Bischöfen in der Auflehnung gegen diese Glaubensentscheidung zu sehen; sie wurde vielmehr von allen Bischöfen des Erdkreises einmütig angenommen. Einige Priester jedoch und auch eine Anzahl von Laien in verschiedenen Ländern, die über die Tragweite der Entscheidung getäuscht und von den Feinden unserer Religion verhetzt wurden, fielen ab und bildeten die Sekte der sogenannten Altkatholiken, die jedoch, obschon sie in Deutschland und in der Schweiz von der Regierung gefördert und unterstützt wurde, keine Bedeutung erlangte. Kaum war dieser Glaubenssatz verkündet worden, als der Krieg zwischen Frankreich und Preußen ausbrach. Das Konzil wurde vertagt und da Rom am 20. September 1870 dem Papst von Viktor Emanuel II. Entrissen worden war, konnte es nicht mehr zusammen treten. Die feierliche Verkündigung des Glaubenssatzes von dem höchsten, unfehlbaren Lehramt des Papstes in Sachen des Glaubens und der Sittenlehre, einer Wahrheit, die zwar immer geglaubt und praktisch geübt, aber in den letzten Jahrhunderten durch die sogenannten Gallikaner, Febronianer und Josephiner verdunkelt worden war, ist von der größten Bedeutung.
Dem apostolischen Wirken des Papstes auf dem Gebiet des Lehramtes entsprach sein Hirteneifer… Seine Sorgfalt wurde belohnt durch herrliche Erfolge in den auswärtigen Missionen sowie durch die Rückkehr zahlreicher ausgezeichneter Männer und Frauen aus dem Protestantismus zur katholischen Kirche. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, III. Band, 1907, S. 618 – S. 620