Eucharistische Liebesblumen mit Marianischen Rosen
Muttergottesrosen – Eine fromme Sage
Als die Mutter unseres Herrn mit ihrem lieben Jesuskind und dem heiligen Joseph in der Verborgenheit des Ägyptenlandes lebte, hatte sie eines Morgens ein Kleid des göttlichen Kindes gewaschen und wollte es in frischer Luft bei der Wärme der Sonne trocknen. Aber vergebens suchte sie einen Gegenstand, um das liebe Gewand daran aufzuhängen; nur ein kahler, dürrer Rosenstrauch stand da und schien demütigst seine Dienste anzubieten. Maria verstand das Anerbieten und verschmähte es nicht. „So willst denn du, guter Strauch, mir dienen?“ sprach sie freundlich und trat dem Strauche näher. „Wohlan, es sei dein Dienst gesegnet!“
Mit diesen Worten breitete sie das Kleid ihres Lieblings über den dürren Strauch aus und eilte dann in ihr Kämmerlein zu dem göttlichen Kinde zurück.
In heiligem Schlummer lag Es da; Rosen blühten auf Seinen zarten Wangen; himmlische Anmut spiegelte sich in Seinen Zügen, und um Seine Purpurlippen spielte ein holdes Lächeln. Liebend neigte sich Maria vor ihrem kleinen Jesus, faltete ihre Hände und erhob ihren Blick zum Himmel, betend:
O Vater! Nimm in deine Hut
Dies Kindlein, himmlisch, schön und gut.
Der Erdenweg ist rauh und hart:
Bewahr`, o Gott! Dein Kindlein zart!
Nach einer Stunde ging sie wiederum zum Rosenstrauch, um das getrocknete Kleid zu holen. Aber wie staunte sie und ward entzückt vor Freude, als sie beim Wegnehmen des Gewandes den Rosenstrauch in der herrlichsten Blüte sah! Weiße, rote und goldgelbe Rosen prangten an demselben in voller Pracht, und von jedem Blatte floß ein Duft so süß, als käme es aus dem Paradies!
„Das hat mein lieber Jesus getan!“ sprach sie, „Er hat hold der Mutter Segenswunsch erhört.“
Und was lehrt uns diese fromme Sage? Sie lehrt uns, daß Maria auch den Dienst des Ärmsten und Geringsten nicht verschmäht, wenn er auch nackt und bloß an allem Guten vor ihr erscheint; sondern daß sie gegenteils diesen Dienst liebevoll aufnimmt und segnet, und daß ihr Segen die herrlichste Wirkung hat. Der Mutter leisester Wunsch ist schon ein erhörtes Gebet bei ihrem göttlichen Sohne und hat nicht selten eine wunderbare Erfüllung zur Folge.
Wo nun aber immer unsere frommen Vorfahren an einem Rosenstrauch, war es durch Kultur oder vermöge eigener Natur, jene dreifarbigen Rosen – weiße, rote, gelbe – fanden, da nannten sie dieselben „Muttergottes-Rosen“, und zwar aus einem zweifachen Grunde: 1) weil sie den Rosen jenes Strauches gleichen, und 2) weil sie die drei unterschiedenen Arten der Geheimnisse des heiligen Rosenkranzes versinnbilden. Die Weißen stellen die freudenreichen, die roten die schmerzhaften, und die goldgelben die glorreichen Geheimnisse dar.
Die geheimnisvolle Rose
(aus Görres)
Es blüht der Rosen eine
Auf ewig grüner Au;
Wie diese blühet keine,
So weit der Himmel blau.
Wenn ein Betrübter weinet,
Gemildert ist sein Schmerz,
Wenn ihm die Rose scheinet
In`s leidenvolle Herz.
Und wer, vom Feind verwundet,
Zum Tode nieder sinkt,
Alsbald ist er gesundet,
Wenn ihren Duft er trinkt.
Die Rose, die ich meine,
Sie ist euch wohl bekannt,
Die Fleckenlose, Reine,
Maria wird genannt.
Maria ist`s, die Süße,
Die Rose auserwählt,
Die ich so gerne grüße,
Der sich mein Herz vermählt.
Maria ist die Reine,
Die also lieblich blüht,
Daß in so holdem Scheine,
Der Rosen keine glüht.
O süße Ros`, erfreue
Ein jedes arme Herz;
Zeig` stets dein Herz auf`s neue
In allem Leid und Schmerz,
Und laß dein holder Schimmer
Uns glänzen allezeit
Bis wir Dich schauen immer
In deiner Herrlichkeit. Amen.
aus: Joseph Kremer, Eucharistische Liebesblumen mit Marianischen Rosen, 1900, S. 90 – S. 92