Die sieben Rosen des Ave Maria
(Auf die sieben Wochentage eingeteilt)
Die dritte Rose des Ave
(Für den Dienstag)
„Der Herr ist mit dir.“
Glückselig die Seele, mit welcher der Herr unser Gott ist! „Wenn Gott mit uns ist“, sagt der Apostel, „wer kann dann wider uns sein?“
Mit dir, erhabene Jungfrau! War der Herr auf eine ganz ausnehmende Weise.
Er war mit dir schon vor der Empfängnis und bewahrte dich durch eine ganz besondere Gnade vor der allgemeinen Schuld der Erbsünde.
Mit dir war Er in der frühesten Jugend und zog dein unbeflecktes, heiliges Herz durch Seine heilige Liebe so fest an sich, daß du, um Ihm allein anzugehören, als zartes Kindlein schon alles verließest und dich in den stillen Zellen des Temples zu Jerusalem zu Jerusalem ganz Seinem heiligen Dienste in Liebe weihtest!
Vor allem aber war der Herr mit dir, als Er zur Erlösung der sündigen Menschheit die Himmel der Himmel verließ, zur Erde stieg und in deinem reinsten jungfräulichen Schoße sich mit der menschlichen Natur vermählte!
Seit dieser Zeit, o heilige Maria! Ist Gott der Vater mit dir als mit Seiner geliebten Tochter; Gott der Sohn als mit Seiner jungfräulichen Mutter! Gott der heilige Geist als mit Seiner unbefleckten Braut!
O heilige Maria! Erflehe mir die große Gnade, daß auch Gott der Herr mit mir sei – durch Seine Allmacht, mich zu beschützen, durch Seine Weisheit, mich zu regieren; durch Seine Gnade, mich zu heiligen.
Bitte, daß der Herr mit mir sei bei jedem Ausgang und bei jedem Eingang, bei jedem Anfang und bei jedem Ende; bei Allem, was ich tue und leide, unternehme und betreibe; auf daß dies Alles mit Ihm, durch Ihn und in Ihm geschehe und das Siegel Seiner Gnade und Seines Segens an sich trage.
Vor allem aber erbitte mir die Gnade, o heilige Maria! Daß ich oft und würdig mich mit meinem lieben Herrn und Heiland in der heiligen Kommunion vereinige, und Er also durch dieses allerheiligste Sakrament beständig mit mir und ich mit Ihm in Liebe verbunden sei, so daß ich mit dem Apostel sagen könne: „Ich bin gewiß, daß weder Leiden noch Freuden, weder Hohes noch Niederes, weder Armut noch Reichtum, weder Leben noch Tod mich zu scheiden vermögen von der Liebe Gottes, die da ist in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.
Eine Rose aus dem Leben.
Zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts lebte und wirkte zu Rom ein junger Maler aus Urbino, Raphael Sanzio mit Namen, welcher sich ebenso durch große Talente, als durch große Frömmigkeit und hohe Verehrung gegen Maria, die göttliche Mutter, auszeichnete und nicht selten mit dem Namen „der junge fromme Maler“ bezeichnet wurde.
Einst erglühte in seinem frommen Herzen der Wunsch, Maria, seine liebe Herrin, der Wahrheit gemäß zu malen, mit hoher Majestät und doch voll tiefer Demut; mit himmlischer Schönheit, aber ohne alle irdische Eitelkeit; einfach, sanft und mild, die erhabene Mutter und Frau, aber auch zugleich die ergebene Magd des Herrn. Wahrlich, ein hohes Ideal, aber auch eine schwierige Aufgabe, dasselbe in der Darstellung zu erreichen!
Er dachte hin, er dachte her,
Die Aufgab` schien ihm schön, doch schwer.
Viele Versuche hatte er bereits gemacht, aber noch keiner entsprach seinen hohen Begriffen. Oft und inbrünstig flehte er daher zu Maria, sie möge ihm, wie Lukas (*), dem Evangelisten, in einem frommen und begeisterten Augenblick ihr heiliges Antlitz zeigen und ihn dadurch zu dem gewünschten Werke einweihen. Als er nun eines Abends nach manchem Versuche wieder also gebetet hatte, legte er sich erschöpft zur Ruhe nieder, und – sieh, im Traum erschien ihm die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter in schlichtem Gewande, ohne allen Schmuck des Erdenstandes, aber,
Majestät und Hoheit in dem Antlitz strahlen,
Schön wie noch kein Maler sie hat können malen.
Und er vernahm deutlich die Worte: „Freue dich, Jüngling! Dein Wunsch wird erfüllt. Groß war bisher deine Mühe, aber groß soll nun auch dein Lohn sein!“
Hierauf verschwand die Erscheinung, und der fromme Maler wachte begeistert auf. Unverzüglich fing er nun an, das Bild seiner geliebten Herrin zu malen, wie er sie im Traume gesehen.
Und sieh! von ihrer Schönheit ganz durchdrungen,
Ist bald das schöne, holde Bild gelungen!
Und wer das Bild je sah, der konnte nicht umhin, in Andacht vor demselben nieder zu sinken und diejenige zu verehren, die Gott selbst zuerst geehrt hat und die von allen Geschlechtern selig gepriesen wird. Raphael aber, der fromme Maler, fuhr jetzt fort, mit verdoppeltem Eifer seine Kunst hauptsächlich der Verherrlichung seiner geliebten Königin zu weihen, und hat sich durch seine Madonnabilder das ruhmvollste Andenken gestiftet. Seine Todesstunde wurde ihm von Maria gesegnet und tröstend durch eine neue Erscheinung im Traume vorher verkündigt, und er starb in seligem Frieden. Mehr als dreihundert Jahre sind seitdem dahin geflossen, und noch blüht sein Name wie ein frischer Lorbeer und wird gefeiert von den Künstlern aller Nationen!
So ehrt Maria diejenigen, welche sie wahrhaft verehren, und ihr Andenken bleibt in Segen!
Beim Anblick eines schönen Marienbildes.
(Nach J.B. Berger)
O dem Maler war sie hold,
Der dies Bild gemalt;
Mit zehntausend Tonnen Gold
Wär` es nicht bezahlt!
Alle Schätze wiegen nicht
Einen Blick, der aus ihm spricht!
Teure Mutter! Was soll ich
Schaffen dir zur Ehr`?
Will dich lieben ewiglich,
Kann ja nicht wie er,
Von der Malerkunst erfüllt,
Malen dir ein solches Bild.
Doch ich will in meine Brust
Prägen treu und rein,
Dir zur Ehre, mir zu Lust,
Tugenden hinein,
Die du übtest, Jungfrau mild!
Dann mal` ich dein schönstes Bild!
Glücklich, mein Christ, wenn du dich in Wahrheit ernstlich bemühen wirst, den schönen Tugenden deiner himmlischen Gnadenmutter nachzustreben und holdes Lebensbild auch in deinem Leben darzustellen! Dann verehrst du sie auf die rechte Weise; dann wird sie dich, wie den frommen Maler Raphael, reichlich segnen und auch deine Bemühungen mit dem schönsten Erfolge krönen. Sie wird allezeit dein Schutz, dein Rat, dein Trost, deine Hilfe sein und wird dich nicht verlassen, weder im Leben, noch im Tode!
Man sorge dafür, ein hübsches Marienbild in seinem Wohnzimmer zu haben, um da durch recht oft an die himmlische, die heilige, die reine, gütige und milde Gnadenmutter erinnert zu werden.
Hinblick
auf das Lebensbild der göttlichen Mutter.
Mutter, o dein heilig Lebensbild
Stellt das schönste Vorbild dar,
Dem in Treue nachzustreben
Ich entschlossen bin fürwahr!
Hilf, o Mutter! Daß dies Bild
Meine Seele ganz erfüllt!
Sanftmut, Demut, Keuschheit, Milde,
Liebe gegen Jedermann
Leuchten hold aus deinem Bilde,
Mahnen mich zu Gleichem an.
Sanft und gütig, keusch und rein
Soll mein Herz und Wandel sein!
Auf dein Bild will ich stets sehen,
Wenn Versuchung sich mir naht;
Es soll mir zur Seite stehen,
Gilt es eine schöne Tat.
In dem Glück lehr`s Demut mich!
In dem Kreuze schau`n auf dich!
Bei dem Bild will ich gedenken,
Wie du Gutes stets geübt;
Will mein Herz der Tugend schenken,
Die dein Herz so sehr geliebt.
Treu will stets folgen dir
In dem Leben, – hilf du mir!
Kurz, mit Ernst geh` mein bestreben
Nach Verähnlichung mit dir,
Und mein Leben deinem Lebensbild
Treulich nachzubilden hier.
Glücklich einst, wenn Tug an Tug
Ich dein Bild im Leben trug!
Dazu verhilf mir, o du allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria! Amen.
Zur Erweiterung der Andacht bete man entweder den heiligen Rosenkranz mit der Litanei oder die Litanei allein.
aus: Joseph Kremer, Eucharistische Liebesblumen mit Marianischen Rosen, 1900, S. 125 – S. 130