Heiligenkalender
10. Juli
Heiliger Ulrich von Zell, Benediktiner
(Anfeindungen)
… Aus vornehmen Geschlecht zu Regensburg geboren, zeigte Ulrich sehr jung schon solchen Fleiß und Sittsamkeit, daß ein frommer Greis, der den Knaben sah, den Ausspruch tat, die Vorsehung habe Großes mit ihm vor. Als Ulrich heran gewachsen war, nahm ihn Kaiser Heinrich III. an seinen Hof, wo er sich aber so wenig von der Lust und dem Glanz der Welt blenden ließ, daß seine Aufführung überhaupt eine stille Predigt für den ganzen Hofstaat war, und selbst die gottselige Kaiserin Agnes sich daran erbaute. Allein das Hofleben war nicht das Element, worin es einer so frommen Seele, wie Ulrich, in die Länge wohl sein konnte. Er trat in den geistlichen Stand zu Freysingen, wo seines Bruder Bischof war. Da eine große Hungersnot ausbrach, verpfändete Ulrich alle Güter, wovon er sein Einkommen hatte, um mit dem entlehnten Geld den Notleidenden zu helfen. Bald darauf trieb ihn das Verlangen seines Herzens die Stätten zu besuchen, wo unser Heiland gelebt und gelitten hat; er unternahm eine Wallfahrt ins heilige Land…
Nachdem Gott den frommen Pilger durch alle Beschwerden und Gefahren der weiten Reise wohl behalten zurück geführt hatte, war sein Herz noch mehr losgelöst von der Erde; er entschloss sich, die Welt ganz zu verlassen und nur seinem Seelenheil abzuwarten. Mit einem gleichgesinnten Geistlichen, Namens Gerald, wanderte Ulrich in das berühmte Benediktiner-Kloster Cluny, wo damals gerade der hl. Hugo Abt war.
Beide wurden auf ihre Bitte in den Orden aufgenommen, und Ulrich machte so großen Ernst mit der Weltentsagung, daß von ihm sein Geschichtsschreiber sagt: „Alles Irdische verachtete er und sehnte sich allein nach dem Himmlischen. Sein Fleisch tötete er durch strenge Bußwerke ab; er war gleich einem Lamm wegen seiner Sanftmut, gleich einer Taube wegen seiner Einfalt und Aufrichtigkeit: seine Demut war so groß, daß er mit dem Zöllner sich nicht getraute seine Augen gegen Himmel zu erheben, sondern das Haupt beständig zur Erde neigte. Die Zunge hielt er sehr im Zaum, enthielt sich von allen unnützen Reden, hingegen war ihm nichts lieber als ein auferbauliches Gespräch.“
Da Ulrich ungeachtet seines strengen Fastens und Wachens heftig von Versuchungen gegen die Reinigkeit geplagt wurde, so löschte er das innerliche Feuer mit äußerlichem Feuer, das Gelüst mit Schmerz aus, d. h. er brannte sich selbst mit einem glühenden Eisen. So hatte auch der Stifter des Ordens, der hl. Benedikt, dieselben Anfechtungen mit leiblicher Peinigung vertrieben, denn: „das Himmelreich leidet Gewalt.“
Im Kloster Cluny erkannte der hl. Hugo bald, daß Ulrich von mehr als gewöhnlicher Frömmigkeit beseelt sei, und übertrug ihm deshalb verschiedene Ämter. Aber in Folge des vielen Wachens, nächtlichen Schreibens, heftigen Kopfwehs und ungeschickter Mittel dagegen verlor Ulrich ein Auge. Dessen ungeachtet wurde Ulrich auch ferner zu verschiedenen wichtigen Unternehmungen verwendet; so wurde er auch über den Rhein in das Breisgau gesandt. Dort wohnte nämlich in Ober-Romsingen Hesso, ein gottesfürchtiger adeliger Herr, welcher ein Kloster stiften wollte und beträchtliche Güter dazu verwendete. Auf sein Verlangen wurden ihm einige Mönche von Cluny gesandt, welche das Kloster bauten und einrichteten; diesen wurde der hl. Ulrich als Prior vorgesetzt. Allein es gefiel ihm hier nicht, weil das Kloster in der Nähe von Rimsingen und Breisach zu wenig einsam und still war. Er suchte sich einen abgelegenen Ort wählte das Bergtal im Schwarzwald, das von ihm jetzt den Namen St. Ulrich hat, und baute dort mit seinen Brüdern eine Kirche, den Aposteln Peter und Paul geweiht, und eine Klosterwohnung. Die Heiligkeit Ulrichs weckte manche, selbst reiche Männer, auch die Welt zu verlassen und in diesem armen strengen Kloster ihr Seelenheil zu wirken. Unter den vielen Tugenden, weshalb der hl. Ulrich hier berühmt wurde, leuchtete besonders auch seine Liebe zu den Armen hervor; er hieß dieselben nur seine Fürsprecher und Herren. Während er selbst streng fastete, gab er ihnen reichlich Almosen, manchmal beraubte er sich der eigenen Kleider, um sie den Armen zu geben; und was ihm gutherzige Christen schenkten, das gönnte er sich selbst weniger als den Bedürftigen und schenkte es wieder diesen. Auch einige Wunder werden erzählt, wodurch verschiedene Not auf das Gebet des hl. Ulrich abgeholfen worden.
Er selbst aber sollte noch eine Heimsuchung erfahren, die gewöhnlich für sehr schwer erachtet wird. Der heilige Mann wurde nämlich auch an dem andern Auge blind, ertrug jedoch dieses Übel mit großem Starkmut und Geduld. Zwei Jahre nachher führte Gott die Seele seines Dieners aus dem finstern Kerker des Leibes zu dem Licht und ewigen Tag himmlischer Seligkeit.
Unter den verschiedenen Versuchungen, denen wir auf Erden ausgesetzt sind, ist eine der wichtigsten die Anfeindung von Andern. Auch der hl. Ulrich musste sehr harte Anfeindungen bestehen. Es gibt genug Menschen, selbst unter denen, welche für fromm gelten wollen, die es nicht ertragen können, wenn Jemand größeren Ernst macht mit dem christlichen Leben, sie meinen gerade, sie hätten das rechte Maß. Deshalb waren auch dem hl. Ulrich, da er noch in Cluny lebte, manche Klosterbrüder aufsäßig und tadelten Alles an ihm. Der Abt des Klosters hatte einmal den hl. Ulrich und einen andern Mönch, Hunald, mit sich auf eine Geschäftsreise genommen. Ulrich sollte in einer Kirche die hl. Messe lesen; weil aber der Abt zur verabredeten Zeit verhindert war, derselben beizuwohnen, sandte er den Hunald zu Ulrich ihm zu sagen, daß er noch warten solle. Hunald war dem hl. Ulrich auch missgünstig, darum winkte er ihm nur auf eine widerwärtige Art ab, was aber Ulrich nicht verstand und deshalb die hl. Messe anfing. Alsbald lief Hunald zu dem Abt und klagte den frommen Priester an, daß er seinem Befehl nicht gehorche. Der Abt war überzeugt von Ulrichs Unschuld, wollte aber ihn seine Demut und Geduld erproben lassen; er ging in die Kirche und befahl ihm scheinbar zornig vom Altar hinweg zu gehen und zog ihm selbst das Messgewand ab. Mit wunderbarer Sanftmut und Gelassenheit und ohne mit einem Wort sich zu rechtfertigen, legte Ulrich selbst die übrigen priesterlichen Kleider ab. Als sie nun ihre Reise fortsetzten und wieder zu einer Kirche kamen, hieß der Abt, der jetzt genug den Gehorsam Ulrichs geprüft hatte, ihn hier die hl. Messe feiern.
Bevor Ulrich das Kloster erreichte, bei welchem er bis an sein Ende verblieb, wurde er von Cluny aus an zwei verschiedene andere Orte gesandt, um dort gleichfalls die Errichtung von Klöstern zu betreiben…
Als das Kloster am Rotgersberg vollständig eingerichtet war, kehrte Ulrich wieder nach Cluny zurück, und wurde nicht lange nachher in das Bistum Lausanne geschickt, um dem dortigen Kloster Paterniak als Prior vorzustehen. Der Bischof von Lausanne, Burchard, führte ein böses ausschweifendes Leben; Ulrich hielt es für seine Pflicht, ihn durch wohlmeinende Briefe zu ermahnen, wie er doch sein hohes Amt und Seelenheil berücksichtigen möge. Allein der Bischof verachtete die Ermahnungen des heiligen Mannes. Da nahm einmal ein Geistlicher, welcher mit dem Bischof genauer bekannt war, in dem Kloster seine Einkehr. Ulrich redete auch mit ihm wegen des Bischofs und beklagte mit Worten christlicher Liebe seine Verkehrtheit. Der Geistliche hinterbrachte solches alsbald dem Bischof, entstellte aber so die Worte des hl. Ulrich, daß der Bischof in unmäßigen Zorn ausbrach und den Soldaten eine Belohnung versprach, wenn sie an dem Klostervorstand Rache ausübten. Diese warteten auch eine Gelegenheit ab; und als der Pater Cuno, welcher auch in Paterniak sich aufhielt, nach Cluny zurück reiste, hielten sie ihn für Ulrich, misshandelten ihn grausam und plünderten ihn gänzlich aus. Um nun dem Bischof nicht Anlass zu geben, daß er noch mehr Übeltaten verübe, entzog sich Ulrich dessen Nachstellungen und kehrte nach Cluny zurück.
Die bitterste Anfeindung hatte der heilige Mann aber erst zu bestehen, als er sein Kloster im Schwarzwald errichtet hatte. Dieses ging aber also zu: Im Breisgau hatte sich ein Mensch mit seiner eigenen Stiefmutter versündigt; da solches bekannt wurde und ihm die große Schande unerträglich wurde, ging er zu dem Bischof Gebhard von Konstanz und begehrte von ihm Buße und Versöhnung. Der Bischof sandte ihn in das Kloster des hl. Ulrich, damit dieser ihn anleite zu einem Bußleben. Allein da Ulrich mit seinen Brüdern sich beriet, kamen sie zu der Ansicht, daß ihr Kloster kein geeigneter Ort für den Sünder sei, weil ganz nahe dabei die Schandtat geschehen war. Der Büßer wanderte nun in das Kloster Hirsau, gegen vierzig Stunden weit von Ulrichs Kloster entfernt, wo er dann wirklich angenommen wurde. Da man nun den Menschen nicht mehr sah und er selbst seinen Angehörigen nichts von seiner Auswanderung gesagt hatte, so entstand in der ganzen Umgegend das Gerücht, die Mönche hätten ihn lebendig begraben. Darüber wurde nun das Volk höchst erbittert gegen das Kloster und taten dem hl. Ulrich und seinen Brüdern allen Schimpf an. Es war aber damals gerade Erntezeit: nun stiegen aus dem Waldtal, wo das Kloster lag, starke Nebel in die Höhe, umzogen den Himmel und verursachten langwieriges Regenwetter, so daß die Leute weder heuen und noch ernten konnten. Da hieß es nun, die Mönche seine Schuld an diesem Unwetter; diese Nebel seien gerade an dem Ort aufgestiegen, wo sie jenen unglücklichen Menschen begraben hätten; man müsse sie fortjagen, damit nicht das ganze Land durch ihre Missetaten ins Unglück gezogen werde. Da nun Ulrich mit den Seinigen von diesen ergrimmten Menschen wie eine kleine Herde Schafe von Wölfen umgeben war, tröstete er die Mönche mit dem Spruch der Bibel: „Alle, die in Christus gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden“, und forderte sie auf, recht inständig zum Herrn zu flehen, damit er aufwache und diesem Sturm Ruhe gebiete. Und der Herr ließ sich auch durch das Gebet seiner Diener aufwecken und stillte plötzlich den Sturm. Ganz unvermutet kam nämlich der Mensch, welchen man für gemordet hielt, wieder aus Hirsau zurück, und überzeugte durch seine Gegenwart alles Volk von der Unschuld der Mönche.
Solche Anfeindungen sind für christlich gesinnte Personen gerade so nützlich wie der Wind für die Pflanzen… So kann Jemand ein ganz guter Christ sein und Jahre lang ein rechtschaffenes Leben führen; allein man kann sich an einen guten Wandel in der Art gewöhnen, daß es einen zuletzt gar keine Mühe mehr kostet; dabei schläft dann allmählich die geistige Kraft ein, der Eifer erschlafft und das innerliche Christentum wächst nicht mehr, sondern wird, ohne daß man es recht inne wird, welk und dürr. Da läßt Gott den Sturm der Anfeindungen los; jetzt regen sich in dem beleidigten Herzen feindselige Stimmungen, die Versuchung hetzt Böses mit Bösem zu vergelten; dagegen mahnt das Gewissen. Will der Christ nun nicht in größere Sünde verfallen, so muss sich sein innerliches Christentum gleichsam zusammen raffen und kämpfen gegen die Versuchung; er muss beten, sich selbst verleugnen, nach Liebe, Geduld, Sanftmut mit allen Kräften ringen, und wenn er dieses tut, so wird seine Seele durch den Sturm der Anfeindungen wieder viel frischer und kräftiger im Christentum wachsen und gedeihen. Wenn du deshalb angefeindet wirst, so wehre dich tapfer, nicht gegen den, der dich auswendig anfeindet, sondern gegen den inwendigen gefährlicheren Feind der Gehässigkeit, Rachsucht und gegen das Gelüst zum Wiedervergelten. Haltest du gegen diesen Stand, dann nimmst du zu an wahrem Christentum; lassest du dich aber auch zur Feindschaft fortreißen, dann gleicht dein Christentum dem hohlen Baum, den der Sturm zu Boden gerissen und dessen Fäulnis und innerlichen Moder an den Tag gebracht hat. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September, 1872, S. 58 – S. 65