Heiligenkalender
7. Juni
Der heilige Paulus Patriarch und Märtyrer
Der heilige Paulus wurde zu Thessalonich in Mazedonien zu Anfang des vierten Jahrhunderts geboren. Nachdem er sowohl in den göttlichen als weltlichenWissenschaften sehr gut unterrichtet war, kam er nach Konstantinopel. Daselbst lebte er auf eine Weise, daß jedermann seinen hohen verstand, seine große Wohlredenheit und ausgezeichneten Tugenden bewunderte. Der heilige Patriarch Alexander von Konstantinopel nahm ihn als Theologen und Sekretär mit sich zur berühmten ersten allgemeinen Kirchenversammlung zu Nicäa 325. Auf dieser zeigte er sich schon als ein Verteidiger der katholischen Wahrheit wider die Arianer und scheute weder ihren Haß, noch ließ er sich durch Lockungen gewinnen. Er zog daselbst die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.
Hierauf erhielt Paulus die Aufgabe, in Konstantinopel das Wort Gottes zu predigen. Dieses so wichtige Amt versah der heilige Paulus mit solchem Eifer und Nachdruck, daß die Katholiken im wahren Glauben gestärkt und zur Tugend angeeifert wurden. Alexander empfand darüber die größte Freude; auf seinem Todbette berief er die geistlichen zu sich und empfahl ihnen den heiligen Paulus als den Würdigsten zu seinem Nachfolger, von dessen Tugend, Wissenschaft und Eifer man schon so viele Proben habe. Die Geistlichen befolgten den Vorschlag ihres heiligen Patriarchen und erwählten Paulus einstimmig zum Nachfolger des Verstorbenen 336, obwohl sich die Arianer heftig dagegen widersetzten.
Macedonius, damals ein Arianer, später aber ein Urheber einer neuen Ketzerei, und Eusebius, ebenfalls ein Arianer, welche das Bistum für sich suchten, erdichteten allerlei Vergehen wider den neuen Patriarchen und verleumdeten den heiligen bei Hohen und Niederen auf das schmählichste. Der Anhang des Eusebius war an dem Hofe des Kaisers Constantius II. sehr groß. Daher kam es so weit, daß der sonst fromme Kaiser von den beständigen Klagen wieder den heiligen Paulus ganz eingenommen, ihn in (das Elend) die Verbannung nach der Insel Pontus verweisen ließ, zu der gleichen Zeit, da auch der heilige Bischof Athanasius von seinem bischöflichen Sitz durch die Arianer vertrieben worden war. Nach dem Tode des Constantius aber kam der heilige Patriarch wieder in sein Bistum zurück und wurde von den Katholiken mit unaussprechlicher Freude empfangen. Man führte ihn unter fröhlichem Jubelgeschrei wie im Triumph zum bischöflichen Sitz, wo er mit einer kurzen Anrede seine lieben Schäflein als ein guter Hirte begrüßte und zu neuem Eifer in dem Dienst Gottes ermahnte. Dann oblag er mit dem alten Eifer seiner Hirtenpflicht. Was man an ihm vor allem bewunderte, war dieses, daß er sich niemals wegen der ihm zugefügten sehr großen Unbilden beklagte. Er kannte die Anstifter und Urheber der wider ihn ausgestreuten schweren Verleumdungen, hatte Gelegenheit und Macht, dieselben zu bestrafen; allein er bediente sich dieser Gewalt nicht und benahm sich gegen seine Verleumder so, als wenn ihm nicht das mindeste Leid zugefügt worden wäre. Ein so herrliches Beispiel der christlichen Geduld und Sanftmut bestärkte nicht nur die Katholiken in ihrer Liebe gegen den heiligen Patriarchen, sondern gewann ihm auch viele Arianer. So konnte der heilige Mann in großer Ruhe seine bischöflichen Amtsverrichtungen erfüllen.
Diese Ruhe dauerte aber nicht lange. Eusebius, der arianische Bischof zu Nikomedia, hatte beim Hofe des neuen Kaisers Constantius mächtige Gönner. Der Kaiser selbst zeigte sich den Arianern in allem sehr geneigt und günstig. Daher brachten sie es durch List und Lüge bald dahin, daß der heilige Paulus auf Anordnung desselben durch eine Versammlung der arianischen Bischöfe von seinem Bistum abgesetzt, und Eusebius zu demselben erhoben wurde. Der heilige Paulus, dessen Verantwortung man gar nicht anhörte, ertrug eine so bittere Beschimpfung und Unbild mit Geduld. Paulus begab sich nach Trier, wo der heilige Athanasius samt anderen katholischen, ebenfalls durch die Arianer vertriebenen Bischöfe sich aufhielt. Der Kaiser Constans, der dort regierte und ein Bruder des Constantius war, versprach ihm allen Schutz nebst einer kräftigen Empfehlung an den Kaiser zu Konstantinopel. Nach einiger Zeit reiste der unschuldig verstoßene heilige Patriarch nach Rom, wohin sich auch der heilige Athanasius mit anderen Bischöfen begeben hatte. Der Papst ließ auf einem Konzil die wider den heiligen Paulus erhobenen anklagen untersuchen; als sich aber seine Unschuld klar ergab, setzte er ihn wieder in sein Bistum ein, schickte ihn zurück nach Konstantinopel und befahl sowohl den Geistlichen als Weltlichen, ihn als ihren wahren Bischof anzuerkennen und anzunehmen. Eusebius, der unrechtmäßige Besitzer des Bistums war kurz vorher gestorben. Seine Ankunft in Konstantinopel veranlaßte aber durch die Umtreibe der Arianer einen solchen Aufruhr, daß sich Paulus genötigt sah, nach seiner Geburtsstadt Thessalonich zu fliehen.
Als die Flucht des heiligen Patriarchen in der Stadt bekannt worden war, zeigte sich bei allen Katholiken eine ungemeine Bestürzung und Traurigkeit. Jene, welche bei Hofe mächtig und angesehen waren, drangen bei dem Kaiser mit großer Freimütigkeit auf eine abermalige Zurückberufung ihres heiligen Bischofs. Der Kaiser Constans ersuchte auch seinen bruder Constantius darum. Dieser willigte endlich aus Furcht vor einem allgemeinen Aufstand ein, und erlaubte zwar dem heiligen Paulus die Rückkehr, gestattete aber zugleich den Arianern alle Freiheit, ihn mit Verfolgungen nach Belieben anzufeinden. Sechs Jahre lan dauerte die Verfolgung des heiligen Mannes; da starb sein mächtigster Beschützer, der gut katholische Kaiser Constans 350. Sobald die Arianer dies erfahren hatten, hielten sie bei dem arianischen Kaiser Constantius um eine neue Absetzung und Verbannung des heiligen Bischofs an. Constantius willigte ohne Anstand ein, ließ den Heiligen gefangen nehmen, mit Ketten und Banden belegen und nach Singara in Mesopotamien schleppen. Späterhin brachte man ihn nach Emesa in Syrien, endlich nach Cucusus, ein in den Wildnissen des Taurus-Gebirges gelegenes Dorf. Der Haß der Arianer war noch nicht befriedigt. Sobald der Heilige an letzterem Ort angekommen war, warfen sie ihn in einen finsteren und schmutzigen Kerker, ohne ihn die mindeste Nahrung zu reichen, damit er vor Hunger sterben sollte. Als sie ihn aber nach sechs Tagen noch am Leben antrafen, erwürgten sie ihn auf eine grausame Weise mit seiner Stola. Dies geschah im Jahre 550. Sein heiliger Leib wurde anfangs an dem Ort seiner Verbannung beerdigt, in der Folge aber nach Ancyra übertragen; im Jahre 381 endlich auf Befehl des Kaisers Theodosius II. mit großen Ehren nach Konstantinopel gebracht und beigesetzt. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 425-426