Heiligenkalender
28. April
Der heilige Paul vom Kreuz Ordensstifter
Der mit dem Ehrennamen „Kreuz vom Kreuz“ geschmückte Papst Pius IX. hatte die Freude, den großen Verehrer des Leidens Jesu – Paul vom Kreuz, den um die heilige Kirche hoch verdienten Stifter der Passionisten, im Jahre 1869 feierlich unter die Schar der Heiligen aufzunehmen und das Fest seines Andenkens auf den 28. April festzusetzen.
Dieser Heilige wurde 1694 zu Ovade in Oberitalien geboren und auf den Namen Paul Franz getauft. Die gottesfürchtigen Eltern versäumten nicht, den talentvollen Knaben recht frühzeitig zur Frömmigkeit anzuhalten, und bedienten sich dazu u. A. der Erzählungen aus dem bußfertigen Leben der alten Einsiedler. Sein zartes Gemüt entbrannte zu solchem Verlangen nach Leiden und Gebet, daß er oft während der Nacht sich in die Scheune hinaus schlich, und, auf dem harten Boden vor Kälte zitternd, die Güte Gottes betrachtete; daß er jeden freien Augenblick in der Kirche zubrachte, um am Altare zu ministrieren, oder Jesus im Tabernakel anzubeten. Täglich betete er gar andächtig den Rosenkranz in kindlicher Liebe zu Maria und hatte die Freude, daß sie ihm einmal mit dem Jesuskind erschien und ein anderes Mal ihn aus dem Fluss Tanaro der Todesgefahr entriß. Jeden Freitag geißelte er sich blutig, vergoss häufige Tränen des Mitleids mit dem leidenden Erlöser, genoss nur ein Stücklein Brot und trank etwas Essig mit Galle vermischt.
Paul widmete sich dem Studium in dem nahe gelegenen Cremolino, machte glänzende Fortschritte und war ungeachtet seiner strengen Sittlichkeit der Liebling seiner Mitschüler. Mit mehreren Jünglingen schloss er eine heilige Freundschaft und entflammte sie zu inniger Gottesliebe und zu eifriger Verehrung des Leidens Jesu; er trat mit ihnen in die Bruderschaft des hl. Antonius und wurde zum Vorsteher derselben ernannt. Als solcher hielt er nun öfters Ermahnungs-Reden an die zahlreichen Mitglieder, welche auch von dem Volk mit wunderbarer Rührung angehört wurden und reiche Früchte brachten.
Sein geistlicher Oheim, der Paul zu einer vorteilhaften Heirat nötigen wollte, hatte ihn zum Erben eines bedeutenden Vermögens eingesetzt; er aber verzichtete darauf mit den schönen Worten: „O gekreuzigter Erlöser. Ich beteure, daß Du, mein höchster Gut, mir allein genügst!“ Diesen Sieg über sich selbst lohnte ihm Gott durch eine heftige Sehnsucht nach Leiden. In diesem Drang wollte er Soldat werden und mit den Venetianern für die Ehre Jesu wider die Türken kämpfen; aber im Gebet empfing er die Offenbarung, daß er berufen sei, einen Verein von Männern zu stiften und durch Missionen am Heil der Menschen zu arbeiten. Paul vertraute dieses Geheimnis dem Bischof von Alexandria an, welcher nach reifer Überlegung sein Vorhaben billigte, ihm am 22. November 1720 einen schwarzen Habit mit einem weißen Kreuz auf der Brust, und über demselben den heiligen Namen Jesus anlegte und den Namen „Paul vom Kreuz“ gab. Zugleich bevollmächtigte er ihn, zu Castellazzo dem Volk Christenlehren zu halten.
Paul gehorchte; er ging mit dem Kreuz in der Hand durch die Straßen der Stadt und lud die Leute ein zur Anhörung der göttlichen Wahrheiten. Der Eindruck seiner Vorträge war ein erstaunlicher, seine Betrachtungen über das Leiden Jesu füllten die Augen Aller mit Tränen, alte Feinde versöhnten sich, die Ausschweifungen der Fastnacht hörten gänzlich auf, und würdige Früchte der Buße erfreuten den Himmel. Hier, nur von Wasser und Brot spärlich lebend, schrieb er auch die Regel seines künftigen Ordens, machte dann eine Wallfahrt nach Rom und zog sich mit seinem Bruder Johann auf den Berg Argentano bei Orbitello zurück. Der Ruf ihres außerordentlichen Bußeifers und heiligen Lebens bewog den frommen Bischof von Troja, sie in sein Bistum zu rufen, zu Priestern zu weihen und ihnen von Papst Benedikt XIII. die Erlaubnis der Novizen-Aufnahme zu erwirken.
Nach einigen Jahren segensreicher Tätigkeit kehrten die Brüder wieder auf den Berg Argentano zurück, um den Grund zum neuen Orden zu legen. Bald schlossen sich ihnen mehrere Schüler an, die Stadt Orbitello baute ihnen ein geräumiges Kloster, und im Jahre 1737 zog Paul mit acht Gefährten feierlich in dasselbe ein, um von da aus den reichsten Gottessegen über Völker und Länder zu verbreiten. Der Zweck dieses Ordens war und ist, dem christlichen Volk Missionen zu halten und dasselbe vorzüglich durch die Verehrung des Leidens Jesu in der Liebe Gottes zu befestigen. Deshalb legen alle Mitglieder außer den drei gewöhnlichen noch ein viertes Gelübde ab, durch das sie sich verpflichten, mit allem Eifer die Andacht zum Leiden unseres Erlösers unter den Gläubigen zu fördern. Papst Benedikt XIV. genehmigte 1741 diesen Orden mit den Worten: „Dieser Verein ist zuletzt auf die Welt gekommen, da er doch, wie es scheint, der erste hätte sein sollen.“ Paul wurde genötigt, die Wahl zum Ordensgeneral anzunehmen.
Nun begann die ungeheure Arbeit, welche dieser Freund Gottes und der Seelen noch zu vollbringen hatte. Es ist nicht möglich, die Zahl der Missionen anzugeben, die er in Städten und Dörfern gehalten, noch viel weniger die Tausende der Sünder, die er gerettet hat. Seine Predigten über das Leiden Jesu wirkten unzählige Wunder, erschütterten die verstockten Sünder. Ein Offizier bekannte ihm einmal: „Pater, ich bin im Gewühl der Schlacht gewesen, habe bei den Kanonen gestanden und nie gezittert; aber Sie machen mich beben vom Haupt bis zu den Füßen.“ Wie eine lebendige Feuerflamme glühte sein Angesicht, wenn er von der Kanzel das Volk zum vertrauen und zur Liebe Jesu Christi im Tabernakel aufmunterte; wenn er es zur Teilnahme an den unergründlichen Gnadenschätzen des heiligen Messopfers einlud, oder wenn er ihm die Verehrung der schmerzhaften Mutter Maria anempfahl. Zahlreiche Wunder, die er an Bedrängten, an Kranken, wider die bösen Geister wirkte, zeugten von seiner Heiligkeit, die jedoch am schönsten leuchtete, wenn er die heilige Messe feierte, oder vor der heiligen Hostie in tiefe Anbetung versunken lag.
Sechs Päpste, deren Regierungszeit Paul durchlebte, ehrten und schätzten persönlich ihn sehr hoch, und Klemens XIV. schenkte seinem Orden das Kloster des heiligen Johannes und Paulus auf dem cölischen Hügel zu Rom, wo er seine letzte Mission hielt. Als er, tödlich krank und von den Ärzten aufgegeben, Pius VI. um den apostolischen Segen für die Sterbestunde bitten ließ, antwortete dieser, wie von Gott erleuchtet, den Abgesandten: „Ich will nicht, daß euer General jetzt schon sterbe: sagt ihm, daß er nach drei Tagen zu mir komme.“ Bei dieser Nachricht umfaßte Paul, der so gerne gestorben wäre, das Kruzifix und seufzte: „O gekreuzigter Erlöser, ich will deinem Statthalter gehorchen!“ Sogleich verschwand die Todesgefahr, und nach drei Tagen stand er vor dem Papst, der ihn mit Freuden empfing. Er lebte noch drei sehr leidenvolle Jahre, aber in inniger, süßer Vereinigung mit dem leidenden Jesus und der schmerzhaften Mutter, in deren Anblick er auch von der Erde schied am 18. Oktober 1775 im 81. Lebensjahr. Sein Orden arbeitete fort mit der Kraft und Liebe seines Stifters in Italien, Bulgarien, Belgien, England, Amerika und Australien. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 744 – S. 746